ren hat einen jungen Schauspieler zum Hausfreunde, Namens Jaspis, dem sie sich sehr zugethan zeigt, und der täglich in's Haus kommt. Er ist ein schö- ner, feuriger Mann, mit ganzer Seele Schauspie- ler, und bekundet dies durch lebhaften Vortrag jeder Weise, durch dichterische Ausdrücke, die ihm für Alles zur Hand sind. Er macht den tiefsten Eindruck auf die damals zwölfjährige Maria, sie setzt sich oft auf die Treppe, damit sie ihn beim Weggehen sieht, sie ist ungewöhnlich bewegt, wenn er ein leichtes, scherzendes Wort an sie richtet, oder wohl gar, wie man mit einem kleinen Mädchen zu thun pflegt, ihr die Locken, die Wange strei- chelt. Es vergehen mehrere Jahre, die in der Stille mit aufwachsende Neigung Maria's wird durch nichts unterbrochen, sie ist überglücklich und außer Gewohnheit lustig, wenn die Tante, Madame Joao, sie mit in's Theater nimmt. Eines Nach- mittags beim Kaffee sagt Herr Jaspis halb scher- zend zu ihr, ob sie nicht Lust habe, selbst Komödie zu spielen, sie sei jetzt beinahe funfzehn Jahre, und ein erwachsenes, schönes Mädchen. Wie ein Blitz- strahl zünden die Worte, Thränen stürzen Marien
ren hat einen jungen Schauſpieler zum Hausfreunde, Namens Jaspis, dem ſie ſich ſehr zugethan zeigt, und der taͤglich in’s Haus kommt. Er iſt ein ſchoͤ- ner, feuriger Mann, mit ganzer Seele Schauſpie- ler, und bekundet dies durch lebhaften Vortrag jeder Weiſe, durch dichteriſche Ausdruͤcke, die ihm fuͤr Alles zur Hand ſind. Er macht den tiefſten Eindruck auf die damals zwoͤlfjaͤhrige Maria, ſie ſetzt ſich oft auf die Treppe, damit ſie ihn beim Weggehen ſieht, ſie iſt ungewoͤhnlich bewegt, wenn er ein leichtes, ſcherzendes Wort an ſie richtet, oder wohl gar, wie man mit einem kleinen Maͤdchen zu thun pflegt, ihr die Locken, die Wange ſtrei- chelt. Es vergehen mehrere Jahre, die in der Stille mit aufwachſende Neigung Maria’s wird durch nichts unterbrochen, ſie iſt uͤbergluͤcklich und außer Gewohnheit luſtig, wenn die Tante, Madame Joao, ſie mit in’s Theater nimmt. Eines Nach- mittags beim Kaffee ſagt Herr Jaspis halb ſcher- zend zu ihr, ob ſie nicht Luſt habe, ſelbſt Komoͤdie zu ſpielen, ſie ſei jetzt beinahe funfzehn Jahre, und ein erwachſenes, ſchoͤnes Maͤdchen. Wie ein Blitz- ſtrahl zuͤnden die Worte, Thraͤnen ſtuͤrzen Marien
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ren hat einen jungen Schauſpieler zum Hausfreunde,
Namens Jaspis, dem ſie ſich ſehr zugethan zeigt,
und der taͤglich in’s Haus kommt. Er iſt ein ſchoͤ-
ner, feuriger Mann, mit ganzer Seele Schauſpie-
ler, und bekundet dies durch lebhaften Vortrag
jeder Weiſe, durch dichteriſche Ausdruͤcke, die ihm
fuͤr Alles zur Hand ſind. Er macht den tiefſten
Eindruck auf die damals zwoͤlfjaͤhrige Maria, ſie
ſetzt ſich oft auf die Treppe, damit ſie ihn beim
Weggehen ſieht, ſie iſt ungewoͤhnlich bewegt, wenn
er ein leichtes, ſcherzendes Wort an ſie richtet, oder
wohl gar, wie man mit einem kleinen Maͤdchen
zu thun pflegt, ihr die Locken, die Wange ſtrei-
chelt. Es vergehen mehrere Jahre, die in der
Stille mit aufwachſende Neigung Maria’s wird
durch nichts unterbrochen, ſie iſt uͤbergluͤcklich und
außer Gewohnheit luſtig, wenn die Tante, Madame
Joao, ſie mit in’s Theater nimmt. Eines Nach-
mittags beim Kaffee ſagt Herr Jaspis halb ſcher-
zend zu ihr, ob ſie nicht Luſt habe, ſelbſt Komoͤdie
zu ſpielen, ſie ſei jetzt beinahe funfzehn Jahre, und
ein erwachſenes, ſchoͤnes Maͤdchen. Wie ein Blitz-
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/198>, abgerufen am 27.11.2024.
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