was im Schatten seiner hohen Bäume am wohlbe- kannten Strome lag. Jch wußte, daß es Constantien gehörte, ich wußte, daß sie in der Frühlingszeit da zu wohnen pflegte, und meine Sehnsucht nach einem Herzen, was mich kannte, war so riesengroß gewor- den, ich vergaß das schöne Weib und alles übrige Verhältniß, nur das Auge wollte ich sehen, die Stimme wollte ich hören eines Weibes, das mich kannte, das eine Theilnahme zeigen mochte für den ewigen Wanderer. Erschöpft, dürstend, hungernd, von allerlei Drang gepeinigt kam ich an's Schloß- thor, wo der Portier sein Stübchen hat; ich fiel auf die Bank, ich fragte; die Fürstin sei da, war die Antwort, sie säße eben bei Tafel. Der Por- tier mußte mir Schreibzeug geben, ich gab vor, eine drängende Mittheilung müsse der Fürstin sogleich gemacht werden, ich schrieb ihr, mich einen Tag zu beherbergen, ich käme ermüdet von der chinesischen Grenze hier vorüber, und sehnte mich, ein bekann- tes Wesen zu sprechen -- der Portier, welcher den Brief selber auf's Schloß hinauftrug, blieb sehr lange, am Ende kam ein Wagen herabgeschossen, darin saß die Fürstin und William, ich kauerte erschöpft
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was im Schatten ſeiner hohen Bäume am wohlbe- kannten Strome lag. Jch wußte, daß es Conſtantien gehörte, ich wußte, daß ſie in der Frühlingszeit da zu wohnen pflegte, und meine Sehnſucht nach einem Herzen, was mich kannte, war ſo rieſengroß gewor- den, ich vergaß das ſchöne Weib und alles übrige Verhältniß, nur das Auge wollte ich ſehen, die Stimme wollte ich hören eines Weibes, das mich kannte, das eine Theilnahme zeigen mochte für den ewigen Wanderer. Erſchöpft, dürſtend, hungernd, von allerlei Drang gepeinigt kam ich an’s Schloß- thor, wo der Portier ſein Stübchen hat; ich fiel auf die Bank, ich fragte; die Fürſtin ſei da, war die Antwort, ſie ſäße eben bei Tafel. Der Por- tier mußte mir Schreibzeug geben, ich gab vor, eine drängende Mittheilung müſſe der Fürſtin ſogleich gemacht werden, ich ſchrieb ihr, mich einen Tag zu beherbergen, ich käme ermüdet von der chineſiſchen Grenze hier vorüber, und ſehnte mich, ein bekann- tes Weſen zu ſprechen — der Portier, welcher den Brief ſelber auf’s Schloß hinauftrug, blieb ſehr lange, am Ende kam ein Wagen herabgeſchoſſen, darin ſaß die Fürſtin und William, ich kauerte erſchöpft
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was im Schatten ſeiner hohen Bäume am wohlbe-
kannten Strome lag. Jch wußte, daß es Conſtantien
gehörte, ich wußte, daß ſie in der Frühlingszeit da
zu wohnen pflegte, und meine Sehnſucht nach einem
Herzen, was mich kannte, war ſo rieſengroß gewor-
den, ich vergaß das ſchöne Weib und alles übrige
Verhältniß, nur das Auge wollte ich ſehen, die
Stimme wollte ich hören eines Weibes, das mich
kannte, das eine Theilnahme zeigen mochte für den
ewigen Wanderer. Erſchöpft, dürſtend, hungernd,
von allerlei Drang gepeinigt kam ich an’s Schloß-
thor, wo der Portier ſein Stübchen hat; ich fiel
auf die Bank, ich fragte; die Fürſtin ſei da, war
die Antwort, ſie ſäße eben bei Tafel. Der Por-
tier mußte mir Schreibzeug geben, ich gab vor, eine
drängende Mittheilung müſſe der Fürſtin ſogleich
gemacht werden, ich ſchrieb ihr, mich einen Tag
zu beherbergen, ich käme ermüdet von der chineſiſchen
Grenze hier vorüber, und ſehnte mich, ein bekann-
tes Weſen zu ſprechen — der Portier, welcher den
Brief ſelber auf’s Schloß hinauftrug, blieb ſehr lange,
am Ende kam ein Wagen herabgeſchoſſen, darin
ſaß die Fürſtin und William, ich kauerte erſchöpft
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/113>, abgerufen am 22.11.2024.
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