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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

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stürmend das Gegentheil, aber sie verstocken sich,
um ihr Gespenst nicht zu verletzen, sie sündigen
gegen die Herrlichkeit der Natur, die sich ihnen in
den Schooß wirft, um ein Wort zu halten, das
ihnen vielleicht ein Augenblick des Rausches ent-
lockt hat." --

-- "Sind denn nicht aber wirklich die schön-
sten Gefühle von tieferer Dauer, von stetem Bestande?
Heißt es nicht das Herz verflachen, wenn man die
Treue von dannen weist? Verurtheilen wir uns nicht
selbst dadurch zu jener vorüberfliegenden Unbedeu-
tendheit, die alle Verbindung mit ewigen Zuständen
aufgiebt?" --

"O, erfindet, Jhr widersprechenden Geister, ein
neues Wort, verdrängt Eure tödtlichen Bezeichnun-
gen für unwandelbare, unverrückte Zustände, sie sind
unserm Blute und unserm Streben fremd, sie sind
unnatürlich und erzeugen das Unglück -- keine Un-
treue, nein, sie ist des Herzens unwürdig, aber
auch nicht jene Treue, jenes todte, stehende Ge-
wässer."

"Jch sehe Dich, Camilla, Du zürnst mir nicht,
wenn ich ein anderes Weib küsse -- Deine Seele

ſtürmend das Gegentheil, aber ſie verſtocken ſich,
um ihr Geſpenſt nicht zu verletzen, ſie ſündigen
gegen die Herrlichkeit der Natur, die ſich ihnen in
den Schooß wirft, um ein Wort zu halten, das
ihnen vielleicht ein Augenblick des Rauſches ent-
lockt hat.“ —

— „Sind denn nicht aber wirklich die ſchön-
ſten Gefühle von tieferer Dauer, von ſtetem Beſtande?
Heißt es nicht das Herz verflachen, wenn man die
Treue von dannen weist? Verurtheilen wir uns nicht
ſelbſt dadurch zu jener vorüberfliegenden Unbedeu-
tendheit, die alle Verbindung mit ewigen Zuſtänden
aufgiebt?“ —

„O, erfindet, Jhr widerſprechenden Geiſter, ein
neues Wort, verdrängt Eure tödtlichen Bezeichnun-
gen für unwandelbare, unverrückte Zuſtände, ſie ſind
unſerm Blute und unſerm Streben fremd, ſie ſind
unnatürlich und erzeugen das Unglück — keine Un-
treue, nein, ſie iſt des Herzens unwürdig, aber
auch nicht jene Treue, jenes todte, ſtehende Ge-
wäſſer.“

„Jch ſehe Dich, Camilla, Du zürnſt mir nicht,
wenn ich ein anderes Weib küſſe — Deine Seele

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[198/0208] ſtürmend das Gegentheil, aber ſie verſtocken ſich, um ihr Geſpenſt nicht zu verletzen, ſie ſündigen gegen die Herrlichkeit der Natur, die ſich ihnen in den Schooß wirft, um ein Wort zu halten, das ihnen vielleicht ein Augenblick des Rauſches ent- lockt hat.“ — — „Sind denn nicht aber wirklich die ſchön- ſten Gefühle von tieferer Dauer, von ſtetem Beſtande? Heißt es nicht das Herz verflachen, wenn man die Treue von dannen weist? Verurtheilen wir uns nicht ſelbſt dadurch zu jener vorüberfliegenden Unbedeu- tendheit, die alle Verbindung mit ewigen Zuſtänden aufgiebt?“ — „O, erfindet, Jhr widerſprechenden Geiſter, ein neues Wort, verdrängt Eure tödtlichen Bezeichnun- gen für unwandelbare, unverrückte Zuſtände, ſie ſind unſerm Blute und unſerm Streben fremd, ſie ſind unnatürlich und erzeugen das Unglück — keine Un- treue, nein, ſie iſt des Herzens unwürdig, aber auch nicht jene Treue, jenes todte, ſtehende Ge- wäſſer.“ „Jch ſehe Dich, Camilla, Du zürnſt mir nicht, wenn ich ein anderes Weib küſſe — Deine Seele

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/208>, abgerufen am 16.08.2024.