Beine zerschossen. Der alte streichelte ihm heftig das Gesicht, und fragte mit fliegenden Worten, wo die Kickischen Uhlanen zuletzt gefochten hätten. "Sage mir's Freund, sage mir's gleich, ich komme wieder und nehme Dich mit."
Der Verwundete streckte den Arm aus und wies nach Westen -- "Jst es weit?" Verneinend schüttelte jener den Kopf.
Da nahm der Alte heftig die Leuchte, und wollte von dannen, aber der zerschossene Soldat griff krampf- haft in den langen Mantel, und sein Wimmern und seine Mienen beschworen den Juden, ihm zu helfen. Mit einem Ruck machte sich indessen dieser los, sprach: "ich komme zurück" und schritt hinein in die Finsterniß.
Schneidend drang das Gestöhn des Verlassenen durch die Nacht.
Der alte Jude war nicht lange gegangen, da stolperte er über Kürasse und Helme -- "Gott mei- ner Väter, ich bin auf dem rechten, traurigen Wege," murmelte er vor sich hin, "mit diesen eisernen Män- nern haben sie gefochten." Und überwältigt von
1 *
Beine zerſchoſſen. Der alte ſtreichelte ihm heftig das Geſicht, und fragte mit fliegenden Worten, wo die Kickiſchen Uhlanen zuletzt gefochten hätten. „Sage mir’s Freund, ſage mir’s gleich, ich komme wieder und nehme Dich mit.“
Der Verwundete ſtreckte den Arm aus und wies nach Weſten — „Jſt es weit?“ Verneinend ſchüttelte jener den Kopf.
Da nahm der Alte heftig die Leuchte, und wollte von dannen, aber der zerſchoſſene Soldat griff krampf- haft in den langen Mantel, und ſein Wimmern und ſeine Mienen beſchworen den Juden, ihm zu helfen. Mit einem Ruck machte ſich indeſſen dieſer los, ſprach: „ich komme zurück“ und ſchritt hinein in die Finſterniß.
Schneidend drang das Geſtöhn des Verlaſſenen durch die Nacht.
Der alte Jude war nicht lange gegangen, da ſtolperte er über Küraſſe und Helme — „Gott mei- ner Väter, ich bin auf dem rechten, traurigen Wege,“ murmelte er vor ſich hin, „mit dieſen eiſernen Män- nern haben ſie gefochten.“ Und überwältigt von
1 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0019"n="9"/>
Beine zerſchoſſen. Der alte ſtreichelte ihm heftig<lb/>
das Geſicht, und fragte mit fliegenden Worten, wo<lb/>
die Kickiſchen Uhlanen zuletzt gefochten hätten. „Sage<lb/>
mir’s Freund, ſage mir’s gleich, ich komme wieder<lb/>
und nehme Dich mit.“</p><lb/><p>Der Verwundete ſtreckte den Arm aus und<lb/>
wies nach Weſten —„Jſt es weit?“ Verneinend<lb/>ſchüttelte jener den Kopf.</p><lb/><p>Da nahm der Alte heftig die Leuchte, und wollte<lb/>
von dannen, aber der zerſchoſſene Soldat griff krampf-<lb/>
haft in den langen Mantel, und ſein Wimmern<lb/>
und ſeine Mienen beſchworen den Juden, ihm zu<lb/>
helfen. Mit einem Ruck machte ſich indeſſen dieſer<lb/>
los, ſprach: „ich komme zurück“ und ſchritt hinein<lb/>
in die Finſterniß.</p><lb/><p>Schneidend drang das Geſtöhn des Verlaſſenen<lb/>
durch die Nacht.</p><lb/><p>Der alte Jude war nicht lange gegangen, da<lb/>ſtolperte er über Küraſſe und Helme —„Gott mei-<lb/>
ner Väter, ich bin auf dem rechten, traurigen Wege,“<lb/>
murmelte er vor ſich hin, „mit dieſen eiſernen Män-<lb/>
nern haben ſie gefochten.“ Und überwältigt von<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#b">1 *</hi></fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0019]
Beine zerſchoſſen. Der alte ſtreichelte ihm heftig
das Geſicht, und fragte mit fliegenden Worten, wo
die Kickiſchen Uhlanen zuletzt gefochten hätten. „Sage
mir’s Freund, ſage mir’s gleich, ich komme wieder
und nehme Dich mit.“
Der Verwundete ſtreckte den Arm aus und
wies nach Weſten — „Jſt es weit?“ Verneinend
ſchüttelte jener den Kopf.
Da nahm der Alte heftig die Leuchte, und wollte
von dannen, aber der zerſchoſſene Soldat griff krampf-
haft in den langen Mantel, und ſein Wimmern
und ſeine Mienen beſchworen den Juden, ihm zu
helfen. Mit einem Ruck machte ſich indeſſen dieſer
los, ſprach: „ich komme zurück“ und ſchritt hinein
in die Finſterniß.
Schneidend drang das Geſtöhn des Verlaſſenen
durch die Nacht.
Der alte Jude war nicht lange gegangen, da
ſtolperte er über Küraſſe und Helme — „Gott mei-
ner Väter, ich bin auf dem rechten, traurigen Wege,“
murmelte er vor ſich hin, „mit dieſen eiſernen Män-
nern haben ſie gefochten.“ Und überwältigt von
1 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/19>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.