Der Tanz war beendigt -- wahrlich, jene Tän- zerin des Grafen Kicki, jene hohe Gestalt, sie war es, die Fürstin Constantin! Wie kam sie aus Deutschland mitten in diese ferne Stadt des Krieges? Valerius wußte nicht, ob er sich freuen sollte oder sich betrüben, es war wie ein Schreck, was ihn durchbebte, und er redete sich vor, die stolze, aristo- kratische Frau werde mit Hohnlächeln das verworrene Treiben einer jungen Freiheit betrachten, und dies sei es, was ihn befangen habe bei ihrem Anblick.
Während ihm diese Gedanken durch Kopf und Herz flogen, war die Fürstin neben dem Grafen Kicki ganz in seine Nähe gekommen, und betrachtete Valerius mit festem, beinahe herausfordernden Blicke. Dieser, der eine unerklärliche Scheu empfand, die Bekanntschaft mit ihr zu erneuern, blieb einen Augen- blick unschlüssig und ohne Bewegung, es mochte auch der natürliche Trotz sein gegen jene befehlenden Augen. Aber er glaubte plötzlich einen weichen, schmerzlichen Zug um den sonst so stolzen Mund zu sehen, das Verlangen, eine Landsmännin zu begrüßen, über- mannte ihn, wie er glaubte, und er ging langsamen Schrittes ihr entgegen, um sich ihr vorzustellen.
Der Tanz war beendigt — wahrlich, jene Tän- zerin des Grafen Kicki, jene hohe Geſtalt, ſie war es, die Fürſtin Conſtantin! Wie kam ſie aus Deutſchland mitten in dieſe ferne Stadt des Krieges? Valerius wußte nicht, ob er ſich freuen ſollte oder ſich betrüben, es war wie ein Schreck, was ihn durchbebte, und er redete ſich vor, die ſtolze, ariſto- kratiſche Frau werde mit Hohnlächeln das verworrene Treiben einer jungen Freiheit betrachten, und dies ſei es, was ihn befangen habe bei ihrem Anblick.
Während ihm dieſe Gedanken durch Kopf und Herz flogen, war die Fürſtin neben dem Grafen Kicki ganz in ſeine Nähe gekommen, und betrachtete Valerius mit feſtem, beinahe herausfordernden Blicke. Dieſer, der eine unerklärliche Scheu empfand, die Bekanntſchaft mit ihr zu erneuern, blieb einen Augen- blick unſchlüſſig und ohne Bewegung, es mochte auch der natürliche Trotz ſein gegen jene befehlenden Augen. Aber er glaubte plötzlich einen weichen, ſchmerzlichen Zug um den ſonſt ſo ſtolzen Mund zu ſehen, das Verlangen, eine Landsmännin zu begrüßen, über- mannte ihn, wie er glaubte, und er ging langſamen Schrittes ihr entgegen, um ſich ihr vorzuſtellen.
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Der Tanz war beendigt — wahrlich, jene Tän-
zerin des Grafen Kicki, jene hohe Geſtalt, ſie war
es, die Fürſtin Conſtantin! Wie kam ſie aus
Deutſchland mitten in dieſe ferne Stadt des Krieges?
Valerius wußte nicht, ob er ſich freuen ſollte oder
ſich betrüben, es war wie ein Schreck, was ihn
durchbebte, und er redete ſich vor, die ſtolze, ariſto-
kratiſche Frau werde mit Hohnlächeln das verworrene
Treiben einer jungen Freiheit betrachten, und dies
ſei es, was ihn befangen habe bei ihrem Anblick.
Während ihm dieſe Gedanken durch Kopf und
Herz flogen, war die Fürſtin neben dem Grafen
Kicki ganz in ſeine Nähe gekommen, und betrachtete
Valerius mit feſtem, beinahe herausfordernden Blicke.
Dieſer, der eine unerklärliche Scheu empfand, die
Bekanntſchaft mit ihr zu erneuern, blieb einen Augen-
blick unſchlüſſig und ohne Bewegung, es mochte auch
der natürliche Trotz ſein gegen jene befehlenden Augen.
Aber er glaubte plötzlich einen weichen, ſchmerzlichen
Zug um den ſonſt ſo ſtolzen Mund zu ſehen, das
Verlangen, eine Landsmännin zu begrüßen, über-
mannte ihn, wie er glaubte, und er ging langſamen
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/168>, abgerufen am 04.05.2024.
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