Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Ganze wie ein Luftschloß vorübergauckelte, und der
eifrige Aristokrat hätte es anhören können, ohne zum
klaren Bewußtsein zu kommen, wie seine innersten
Meinungen hastig mit Erde verschüttet würden.
Die Argumente, die historischen Data flogen wie
das Weberschifflein und die Einschlagfäden vor den
Augen durcheinander, und das Gewebe war fertig,
dicht und dauerhaft, ohne daß der Zuhörer Absicht
und Weise hatte beachten können. Man konnte in
der Stunde darauf den Redner vor Gericht ziehen,
und Niemand wäre im Stande gewesen, anzugeben,
auf diese oder diese Weise hat er die Demokratie
gepredigt. Und zwischen diesem Schaffen und Bauen
der Sätze und Gedanken blitzten die mächtigsten
Kugeln auf gegen die Unbilden der Aristokratie;
aber auf Blitz und Knall folgte eine ganz unerwar-
tete Wendung der Rede, die scharfen Augen und
Mundwinkel waren wieder sanft und glatt, man
glaubte sich getäuscht zu haben, man wurde von
neuen Jnteressen erschüttert, und ein neuer Blitz
ward von noch größeren Dingen verdrängt, und
die Rede schloß mit einem erschütternden Aufrufe
zum Kamfe auf Leben und Tod, so daß man selbst

Ganze wie ein Luftſchloß vorübergauckelte, und der
eifrige Ariſtokrat hätte es anhören können, ohne zum
klaren Bewußtſein zu kommen, wie ſeine innerſten
Meinungen haſtig mit Erde verſchüttet würden.
Die Argumente, die hiſtoriſchen Data flogen wie
das Weberſchifflein und die Einſchlagfäden vor den
Augen durcheinander, und das Gewebe war fertig,
dicht und dauerhaft, ohne daß der Zuhörer Abſicht
und Weiſe hatte beachten können. Man konnte in
der Stunde darauf den Redner vor Gericht ziehen,
und Niemand wäre im Stande geweſen, anzugeben,
auf dieſe oder dieſe Weiſe hat er die Demokratie
gepredigt. Und zwiſchen dieſem Schaffen und Bauen
der Sätze und Gedanken blitzten die mächtigſten
Kugeln auf gegen die Unbilden der Ariſtokratie;
aber auf Blitz und Knall folgte eine ganz unerwar-
tete Wendung der Rede, die ſcharfen Augen und
Mundwinkel waren wieder ſanft und glatt, man
glaubte ſich getäuſcht zu haben, man wurde von
neuen Jntereſſen erſchüttert, und ein neuer Blitz
ward von noch größeren Dingen verdrängt, und
die Rede ſchloß mit einem erſchütternden Aufrufe
zum Kamfe auf Leben und Tod, ſo daß man ſelbſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0150" n="140"/>
Ganze wie ein Luft&#x017F;chloß vorübergauckelte, und der<lb/>
eifrige Ari&#x017F;tokrat hätte es anhören können, ohne zum<lb/>
klaren Bewußt&#x017F;ein zu kommen, wie &#x017F;eine inner&#x017F;ten<lb/>
Meinungen ha&#x017F;tig mit Erde ver&#x017F;chüttet würden.<lb/>
Die Argumente, die hi&#x017F;tori&#x017F;chen Data flogen wie<lb/>
das Weber&#x017F;chifflein und die Ein&#x017F;chlagfäden vor den<lb/>
Augen durcheinander, und das Gewebe war fertig,<lb/>
dicht und dauerhaft, ohne daß der Zuhörer Ab&#x017F;icht<lb/>
und Wei&#x017F;e hatte beachten können. Man konnte in<lb/>
der Stunde darauf den Redner vor Gericht ziehen,<lb/>
und Niemand wäre im Stande gewe&#x017F;en, anzugeben,<lb/>
auf die&#x017F;e oder die&#x017F;e Wei&#x017F;e hat er die Demokratie<lb/>
gepredigt. Und zwi&#x017F;chen die&#x017F;em Schaffen und Bauen<lb/>
der Sätze und Gedanken blitzten die mächtig&#x017F;ten<lb/>
Kugeln auf gegen die Unbilden der Ari&#x017F;tokratie;<lb/>
aber auf Blitz und Knall folgte eine ganz unerwar-<lb/>
tete Wendung der Rede, die &#x017F;charfen Augen und<lb/>
Mundwinkel waren wieder &#x017F;anft und glatt, man<lb/>
glaubte &#x017F;ich getäu&#x017F;cht zu haben, man wurde von<lb/>
neuen Jntere&#x017F;&#x017F;en er&#x017F;chüttert, und ein neuer Blitz<lb/>
ward von noch größeren Dingen verdrängt, und<lb/>
die Rede &#x017F;chloß mit einem er&#x017F;chütternden Aufrufe<lb/>
zum Kamfe auf Leben und Tod, &#x017F;o daß man &#x017F;elb&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0150] Ganze wie ein Luftſchloß vorübergauckelte, und der eifrige Ariſtokrat hätte es anhören können, ohne zum klaren Bewußtſein zu kommen, wie ſeine innerſten Meinungen haſtig mit Erde verſchüttet würden. Die Argumente, die hiſtoriſchen Data flogen wie das Weberſchifflein und die Einſchlagfäden vor den Augen durcheinander, und das Gewebe war fertig, dicht und dauerhaft, ohne daß der Zuhörer Abſicht und Weiſe hatte beachten können. Man konnte in der Stunde darauf den Redner vor Gericht ziehen, und Niemand wäre im Stande geweſen, anzugeben, auf dieſe oder dieſe Weiſe hat er die Demokratie gepredigt. Und zwiſchen dieſem Schaffen und Bauen der Sätze und Gedanken blitzten die mächtigſten Kugeln auf gegen die Unbilden der Ariſtokratie; aber auf Blitz und Knall folgte eine ganz unerwar- tete Wendung der Rede, die ſcharfen Augen und Mundwinkel waren wieder ſanft und glatt, man glaubte ſich getäuſcht zu haben, man wurde von neuen Jntereſſen erſchüttert, und ein neuer Blitz ward von noch größeren Dingen verdrängt, und die Rede ſchloß mit einem erſchütternden Aufrufe zum Kamfe auf Leben und Tod, ſo daß man ſelbſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/150
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/150>, abgerufen am 12.10.2024.