Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

ren Kreisen, und mein Treiben ist in den Augen
der Erleuchtetsten ein thörichtes geworden, und das
sogenannte Heldenthum ist eine moralische Karri-
katur! --

Und wenn das Alles, was ich da denke und
zweifle, Ausgeburten meines kranken Leibes sind,
warum ist die Welt so schwankend, daß sie immer
nur aussieht, wie ich sie haben will? --

Dabei war er immer lebhafter hingeschritten
durch die Straßen, und war ohne seinen Willen
auf die Weichselbrücke gekommen. Eine große Was-
serfläche übt stets einen tiefen Eindruck auf das
menschliche Herz: das Wasser erscheint uns wie ein
unparteiisches Element neben den andern irdischen
Stoffen, theilnahmlos sieht es wie ein großes ewi-
ges Auge auf den Vorübergehenden, und das Schiff
und der Schwimmer und der Sturm berühren nur
seine Masse, sein Leben ist nicht zu treffen: es mag
darüber hingezogen sein, was da will, dasselbe ewige
Auge mit seiner Unerforschlichkeit kehrt immer wie-
der. Wie schweigende Gottheiten gehen die Was-
serflächen an unserm Treiben vorüber, und es bedünkt
uns manchmal, als wohnte die tiefste Weisheit in

ren Kreiſen, und mein Treiben iſt in den Augen
der Erleuchtetſten ein thörichtes geworden, und das
ſogenannte Heldenthum iſt eine moraliſche Karri-
katur! —

Und wenn das Alles, was ich da denke und
zweifle, Ausgeburten meines kranken Leibes ſind,
warum iſt die Welt ſo ſchwankend, daß ſie immer
nur ausſieht, wie ich ſie haben will? —

Dabei war er immer lebhafter hingeſchritten
durch die Straßen, und war ohne ſeinen Willen
auf die Weichſelbrücke gekommen. Eine große Waſ-
ſerfläche übt ſtets einen tiefen Eindruck auf das
menſchliche Herz: das Waſſer erſcheint uns wie ein
unparteiiſches Element neben den andern irdiſchen
Stoffen, theilnahmlos ſieht es wie ein großes ewi-
ges Auge auf den Vorübergehenden, und das Schiff
und der Schwimmer und der Sturm berühren nur
ſeine Maſſe, ſein Leben iſt nicht zu treffen: es mag
darüber hingezogen ſein, was da will, daſſelbe ewige
Auge mit ſeiner Unerforſchlichkeit kehrt immer wie-
der. Wie ſchweigende Gottheiten gehen die Waſ-
ſerflächen an unſerm Treiben vorüber, und es bedünkt
uns manchmal, als wohnte die tiefſte Weisheit in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0143" n="133"/>
ren Krei&#x017F;en, und mein Treiben i&#x017F;t in den Augen<lb/>
der Erleuchtet&#x017F;ten ein thörichtes geworden, und das<lb/>
&#x017F;ogenannte Heldenthum i&#x017F;t eine morali&#x017F;che Karri-<lb/>
katur! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Und wenn das Alles, was ich da denke und<lb/>
zweifle, Ausgeburten meines kranken Leibes &#x017F;ind,<lb/>
warum i&#x017F;t die Welt &#x017F;o &#x017F;chwankend, daß &#x017F;ie immer<lb/>
nur aus&#x017F;ieht, wie ich &#x017F;ie haben will? &#x2014;</p><lb/>
          <p>Dabei war er immer lebhafter hinge&#x017F;chritten<lb/>
durch die Straßen, und war ohne &#x017F;einen Willen<lb/>
auf die Weich&#x017F;elbrücke gekommen. Eine große Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erfläche übt &#x017F;tets einen tiefen Eindruck auf das<lb/>
men&#x017F;chliche Herz: das Wa&#x017F;&#x017F;er er&#x017F;cheint uns wie ein<lb/>
unparteii&#x017F;ches Element neben den andern irdi&#x017F;chen<lb/>
Stoffen, theilnahmlos &#x017F;ieht es wie ein großes ewi-<lb/>
ges Auge auf den Vorübergehenden, und das Schiff<lb/>
und der Schwimmer und der Sturm berühren nur<lb/>
&#x017F;eine Ma&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ein Leben i&#x017F;t nicht zu treffen: es mag<lb/>
darüber hingezogen &#x017F;ein, was da will, da&#x017F;&#x017F;elbe ewige<lb/>
Auge mit &#x017F;einer Unerfor&#x017F;chlichkeit kehrt immer wie-<lb/>
der. Wie &#x017F;chweigende Gottheiten gehen die Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erflächen an un&#x017F;erm Treiben vorüber, und es bedünkt<lb/>
uns manchmal, als wohnte die tief&#x017F;te Weisheit in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0143] ren Kreiſen, und mein Treiben iſt in den Augen der Erleuchtetſten ein thörichtes geworden, und das ſogenannte Heldenthum iſt eine moraliſche Karri- katur! — Und wenn das Alles, was ich da denke und zweifle, Ausgeburten meines kranken Leibes ſind, warum iſt die Welt ſo ſchwankend, daß ſie immer nur ausſieht, wie ich ſie haben will? — Dabei war er immer lebhafter hingeſchritten durch die Straßen, und war ohne ſeinen Willen auf die Weichſelbrücke gekommen. Eine große Waſ- ſerfläche übt ſtets einen tiefen Eindruck auf das menſchliche Herz: das Waſſer erſcheint uns wie ein unparteiiſches Element neben den andern irdiſchen Stoffen, theilnahmlos ſieht es wie ein großes ewi- ges Auge auf den Vorübergehenden, und das Schiff und der Schwimmer und der Sturm berühren nur ſeine Maſſe, ſein Leben iſt nicht zu treffen: es mag darüber hingezogen ſein, was da will, daſſelbe ewige Auge mit ſeiner Unerforſchlichkeit kehrt immer wie- der. Wie ſchweigende Gottheiten gehen die Waſ- ſerflächen an unſerm Treiben vorüber, und es bedünkt uns manchmal, als wohnte die tiefſte Weisheit in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/143
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/143>, abgerufen am 08.05.2024.