Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Warum, fragte Valerius weiter, wohnt er denn
schon so lange im Verborgenen?

Ein zuckendes, böses Lächeln preßte sich über
Magyacs Gesicht, und er schien etwas Schlimmes
auf der Zunge zu haben, aber er schluckte es hin-
unter, und nach einer Pause fuhr er fort mit weh-
müthigem Tone: Es ist schon lange her, daß sie
ihm Alles genommen haben -- ich war ein kleiner
Bube, als er noch in Wavre wohnte mit Weib
und Kind, und 's war ein trüber, nebliger Herbst-
abend, als ich wieder einmal bei der Schmiede
stand, und mit großer Freude die glühenden Fun-
ken betrachtete, die durch den Nebel hinstoben von
des Schmiedes gewaltigen Schlägen. Ja, Herr,
die alten Leute sagen, sie hätten Zeit ihres Lebens
keinen tüchtigeren Polen gesehen als den Schmied
Florian, und der selige Herr Kosciusko -- Gott
segne seine Asche! -- hat ihn immer den jungen
Piasten genannt. Ja, Herr, so war der Schmied,
und als er an jenem Abende auf den Ambos schlug,
da sang er ein altes Lied von unsrer Freiheit, und
die Gesellen sangen mit, und das halbe Dorf ver-
sammelte sich um die Schmiede, 's war just der

Warum, fragte Valerius weiter, wohnt er denn
ſchon ſo lange im Verborgenen?

Ein zuckendes, böſes Lächeln preßte ſich über
Magyacs Geſicht, und er ſchien etwas Schlimmes
auf der Zunge zu haben, aber er ſchluckte es hin-
unter, und nach einer Pauſe fuhr er fort mit weh-
müthigem Tone: Es iſt ſchon lange her, daß ſie
ihm Alles genommen haben — ich war ein kleiner
Bube, als er noch in Wavre wohnte mit Weib
und Kind, und ’s war ein trüber, nebliger Herbſt-
abend, als ich wieder einmal bei der Schmiede
ſtand, und mit großer Freude die glühenden Fun-
ken betrachtete, die durch den Nebel hinſtoben von
des Schmiedes gewaltigen Schlägen. Ja, Herr,
die alten Leute ſagen, ſie hätten Zeit ihres Lebens
keinen tüchtigeren Polen geſehen als den Schmied
Florian, und der ſelige Herr Kosciusko — Gott
ſegne ſeine Aſche! — hat ihn immer den jungen
Piaſten genannt. Ja, Herr, ſo war der Schmied,
und als er an jenem Abende auf den Ambos ſchlug,
da ſang er ein altes Lied von unſrer Freiheit, und
die Geſellen ſangen mit, und das halbe Dorf ver-
ſammelte ſich um die Schmiede, ’s war juſt der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0119" n="109"/>
          <p>Warum, fragte Valerius weiter, wohnt er denn<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;o lange im Verborgenen?</p><lb/>
          <p>Ein zuckendes, bö&#x017F;es Lächeln preßte &#x017F;ich über<lb/>
Magyacs Ge&#x017F;icht, und er &#x017F;chien etwas Schlimmes<lb/>
auf der Zunge zu haben, aber er &#x017F;chluckte es hin-<lb/>
unter, und nach einer Pau&#x017F;e fuhr er fort mit weh-<lb/>
müthigem Tone: Es i&#x017F;t &#x017F;chon lange her, daß &#x017F;ie<lb/>
ihm Alles genommen haben &#x2014; ich war ein kleiner<lb/>
Bube, als er noch in Wavre wohnte mit Weib<lb/>
und Kind, und &#x2019;s war ein trüber, nebliger Herb&#x017F;t-<lb/>
abend, als ich wieder einmal bei der Schmiede<lb/>
&#x017F;tand, und mit großer Freude die glühenden Fun-<lb/>
ken betrachtete, die durch den Nebel hin&#x017F;toben von<lb/>
des Schmiedes gewaltigen Schlägen. Ja, Herr,<lb/>
die alten Leute &#x017F;agen, &#x017F;ie hätten Zeit ihres Lebens<lb/>
keinen tüchtigeren Polen ge&#x017F;ehen als den Schmied<lb/>
Florian, und der &#x017F;elige Herr Kosciusko &#x2014; Gott<lb/>
&#x017F;egne &#x017F;eine A&#x017F;che! &#x2014; hat ihn immer den jungen<lb/>
Pia&#x017F;ten genannt. Ja, Herr, &#x017F;o war der Schmied,<lb/>
und als er an jenem Abende auf den Ambos &#x017F;chlug,<lb/>
da &#x017F;ang er ein altes Lied von un&#x017F;rer Freiheit, und<lb/>
die Ge&#x017F;ellen &#x017F;angen mit, und das halbe Dorf ver-<lb/>
&#x017F;ammelte &#x017F;ich um die Schmiede, &#x2019;s war ju&#x017F;t der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0119] Warum, fragte Valerius weiter, wohnt er denn ſchon ſo lange im Verborgenen? Ein zuckendes, böſes Lächeln preßte ſich über Magyacs Geſicht, und er ſchien etwas Schlimmes auf der Zunge zu haben, aber er ſchluckte es hin- unter, und nach einer Pauſe fuhr er fort mit weh- müthigem Tone: Es iſt ſchon lange her, daß ſie ihm Alles genommen haben — ich war ein kleiner Bube, als er noch in Wavre wohnte mit Weib und Kind, und ’s war ein trüber, nebliger Herbſt- abend, als ich wieder einmal bei der Schmiede ſtand, und mit großer Freude die glühenden Fun- ken betrachtete, die durch den Nebel hinſtoben von des Schmiedes gewaltigen Schlägen. Ja, Herr, die alten Leute ſagen, ſie hätten Zeit ihres Lebens keinen tüchtigeren Polen geſehen als den Schmied Florian, und der ſelige Herr Kosciusko — Gott ſegne ſeine Aſche! — hat ihn immer den jungen Piaſten genannt. Ja, Herr, ſo war der Schmied, und als er an jenem Abende auf den Ambos ſchlug, da ſang er ein altes Lied von unſrer Freiheit, und die Geſellen ſangen mit, und das halbe Dorf ver- ſammelte ſich um die Schmiede, ’s war juſt der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/119
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/119>, abgerufen am 08.05.2024.