Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

verächtliches Gesicht und sagte gar nichts. Der Graf
aber schien ebenfalls verletzt zu sein und meinte, das
ganze Raisonnement sei sehr einseitig, und das Ganze
sei von einem Winkel aus angesehen. Es wäre viel¬
leicht etwas daran richtig, wenn man die historische
Stellung das Adels, dem der Angriff doch unzweifel¬
haft gelte, auf eben diese Weise darthun könne. Der
Adel, nahm Hyppolit das Wort, hatte eine in der
ganzen Construktion der Gesellschaft begründete Stellung,
er war ein integrirender, lebendiger Theil des Staats¬
lebens, mit einem Worte, er war Leben, als es nur
Herren und Sklaven gab. Die herrschende Klasse, die
aus den Anführern oder den Kriegern oder den Ero¬
berern bestand -- denn nur das Schwert war das Kri¬
terium -- wurde der Adel, sie gestatteten Einem, Fürst
zu sein, und hielten ihn nur soweit in Zaum, daß er
ihrer Theilnahme am Herrenrechte nicht zu nahe trete.
Allmählig machten sich aber die Sklaven durch ihre
heranwachsende Masse, durch Erfindungen, durch Gelehr¬
samkeit geltend, das Schwert reichte nicht mehr ganz
aus; da sprach der Adel die Vergangenheit um Hülfe
an, er erfand die Stammbäume, die Ahnen; an die
Stelle des Schwertrechts trat das historische. Der

verächtliches Geſicht und ſagte gar nichts. Der Graf
aber ſchien ebenfalls verletzt zu ſein und meinte, das
ganze Raiſonnement ſei ſehr einſeitig, und das Ganze
ſei von einem Winkel aus angeſehen. Es wäre viel¬
leicht etwas daran richtig, wenn man die hiſtoriſche
Stellung das Adels, dem der Angriff doch unzweifel¬
haft gelte, auf eben dieſe Weiſe darthun könne. Der
Adel, nahm Hyppolit das Wort, hatte eine in der
ganzen Conſtruktion der Geſellſchaft begründete Stellung,
er war ein integrirender, lebendiger Theil des Staats¬
lebens, mit einem Worte, er war Leben, als es nur
Herren und Sklaven gab. Die herrſchende Klaſſe, die
aus den Anführern oder den Kriegern oder den Ero¬
berern beſtand — denn nur das Schwert war das Kri¬
terium — wurde der Adel, ſie geſtatteten Einem, Fürſt
zu ſein, und hielten ihn nur ſoweit in Zaum, daß er
ihrer Theilnahme am Herrenrechte nicht zu nahe trete.
Allmählig machten ſich aber die Sklaven durch ihre
heranwachſende Maſſe, durch Erfindungen, durch Gelehr¬
ſamkeit geltend, das Schwert reichte nicht mehr ganz
aus; da ſprach der Adel die Vergangenheit um Hülfe
an, er erfand die Stammbäume, die Ahnen; an die
Stelle des Schwertrechts trat das hiſtoriſche. Der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0038" n="26"/>
verächtliches Ge&#x017F;icht und &#x017F;agte gar nichts. Der Graf<lb/>
aber &#x017F;chien ebenfalls verletzt zu &#x017F;ein und meinte, das<lb/>
ganze Rai&#x017F;onnement &#x017F;ei &#x017F;ehr ein&#x017F;eitig, und das Ganze<lb/>
&#x017F;ei von einem Winkel aus ange&#x017F;ehen. Es wäre viel¬<lb/>
leicht etwas daran richtig, wenn man die hi&#x017F;tori&#x017F;che<lb/>
Stellung das Adels, dem der Angriff doch unzweifel¬<lb/>
haft gelte, auf eben die&#x017F;e Wei&#x017F;e darthun könne. Der<lb/>
Adel, nahm Hyppolit das Wort, hatte eine in der<lb/>
ganzen Con&#x017F;truktion der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft begründete Stellung,<lb/>
er war ein integrirender, lebendiger Theil des Staats¬<lb/>
lebens, mit einem Worte, er war Leben, als es nur<lb/>
Herren und Sklaven gab. Die herr&#x017F;chende Kla&#x017F;&#x017F;e, die<lb/>
aus den Anführern oder den Kriegern oder den Ero¬<lb/>
berern be&#x017F;tand &#x2014; denn nur das Schwert war das Kri¬<lb/>
terium &#x2014; wurde der Adel, &#x017F;ie ge&#x017F;tatteten Einem, Für&#x017F;t<lb/>
zu &#x017F;ein, und hielten ihn nur &#x017F;oweit in Zaum, daß er<lb/>
ihrer Theilnahme am Herrenrechte nicht zu nahe trete.<lb/>
Allmählig machten &#x017F;ich aber die Sklaven durch ihre<lb/>
heranwach&#x017F;ende Ma&#x017F;&#x017F;e, durch Erfindungen, durch Gelehr¬<lb/>
&#x017F;amkeit geltend, das Schwert reichte nicht mehr ganz<lb/>
aus; da &#x017F;prach der Adel die Vergangenheit um Hülfe<lb/>
an, er erfand die Stammbäume, die Ahnen; an die<lb/>
Stelle des Schwertrechts trat das hi&#x017F;tori&#x017F;che. Der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0038] verächtliches Geſicht und ſagte gar nichts. Der Graf aber ſchien ebenfalls verletzt zu ſein und meinte, das ganze Raiſonnement ſei ſehr einſeitig, und das Ganze ſei von einem Winkel aus angeſehen. Es wäre viel¬ leicht etwas daran richtig, wenn man die hiſtoriſche Stellung das Adels, dem der Angriff doch unzweifel¬ haft gelte, auf eben dieſe Weiſe darthun könne. Der Adel, nahm Hyppolit das Wort, hatte eine in der ganzen Conſtruktion der Geſellſchaft begründete Stellung, er war ein integrirender, lebendiger Theil des Staats¬ lebens, mit einem Worte, er war Leben, als es nur Herren und Sklaven gab. Die herrſchende Klaſſe, die aus den Anführern oder den Kriegern oder den Ero¬ berern beſtand — denn nur das Schwert war das Kri¬ terium — wurde der Adel, ſie geſtatteten Einem, Fürſt zu ſein, und hielten ihn nur ſoweit in Zaum, daß er ihrer Theilnahme am Herrenrechte nicht zu nahe trete. Allmählig machten ſich aber die Sklaven durch ihre heranwachſende Maſſe, durch Erfindungen, durch Gelehr¬ ſamkeit geltend, das Schwert reichte nicht mehr ganz aus; da ſprach der Adel die Vergangenheit um Hülfe an, er erfand die Stammbäume, die Ahnen; an die Stelle des Schwertrechts trat das hiſtoriſche. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/38
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/38>, abgerufen am 24.11.2024.