Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

ersetzt die Eitelkeit; ich glaube, er wartet blos, weil er
sich fürchtet, leer in der Stadt anzukommen. Leopold's
leichter Sinn ist sogar gebrochen, er hinkt wie ein lah¬
mes Füllen hinaus in's Feld; man ist ihm zu ernst¬
haft geworden, sein Scherz erschrickt vor den verkauf¬
ten oder verschenkten Augen, die keinen Blick für ihn
haben. Für ihn ist mir zwar am wenigsten bange;
er ist mir der Flußreiher in der Fabel, er nascht am
Besten herum, bis ihn der Liebeshunger drängt, mit ei¬
nem Gründling vorlieb zu nehmen. Ich höre, er hat
sich beim Pastor und Förster bekannt gemacht, und er
tändelt wahrscheinlich bereits von der Waldmaid zum
Gotteslämmchen. Aber William ist mir ein Gräuel,
seine eigne philisterhafte Absonderungswuth rächt sich
fürchterlich an ihm: weil er Alles, die ganze reiche schön
Welt zu Zwei und Zwei abschachteln möchte wie in
eine traurige dumpfe Arche Noäh, so ist er nun selbst
ein verlaßnes, trostloses Wesen. Seit sich Alberta so
entschieden mit allen Kräften zu Hyppolit wendete, ist
dieser William ein wahrer Cromwell, der Alles maltrai¬
tiren möchte. Er ist ingrimmig, grob, ungezogen, ja
boshaft wie ein verwöhnter Knabe. Er ärgert Alles. Das
ist nun jene christliche Liebe, welche der Mann auf der

erſetzt die Eitelkeit; ich glaube, er wartet blos, weil er
ſich fürchtet, leer in der Stadt anzukommen. Leopold's
leichter Sinn iſt ſogar gebrochen, er hinkt wie ein lah¬
mes Füllen hinaus in's Feld; man iſt ihm zu ernſt¬
haft geworden, ſein Scherz erſchrickt vor den verkauf¬
ten oder verſchenkten Augen, die keinen Blick für ihn
haben. Für ihn iſt mir zwar am wenigſten bange;
er iſt mir der Flußreiher in der Fabel, er naſcht am
Beſten herum, bis ihn der Liebeshunger drängt, mit ei¬
nem Gründling vorlieb zu nehmen. Ich höre, er hat
ſich beim Paſtor und Förſter bekannt gemacht, und er
tändelt wahrſcheinlich bereits von der Waldmaid zum
Gotteslämmchen. Aber William iſt mir ein Gräuel,
ſeine eigne philiſterhafte Abſonderungswuth rächt ſich
fürchterlich an ihm: weil er Alles, die ganze reiche ſchön
Welt zu Zwei und Zwei abſchachteln möchte wie in
eine traurige dumpfe Arche Noäh, ſo iſt er nun ſelbſt
ein verlaßnes, troſtloſes Weſen. Seit ſich Alberta ſo
entſchieden mit allen Kräften zu Hyppolit wendete, iſt
dieſer William ein wahrer Cromwell, der Alles maltrai¬
tiren möchte. Er iſt ingrimmig, grob, ungezogen, ja
boshaft wie ein verwöhnter Knabe. Er ärgert Alles. Das
iſt nun jene chriſtliche Liebe, welche der Mann auf der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="22"/>
er&#x017F;etzt die Eitelkeit; ich glaube, er wartet blos, weil er<lb/>
&#x017F;ich fürchtet, leer in der Stadt anzukommen. Leopold's<lb/>
leichter Sinn i&#x017F;t &#x017F;ogar gebrochen, er hinkt wie ein lah¬<lb/>
mes Füllen hinaus in's Feld; man i&#x017F;t ihm zu ern&#x017F;<lb/>
haft geworden, &#x017F;ein Scherz er&#x017F;chrickt vor den verkauf¬<lb/>
ten oder ver&#x017F;chenkten Augen, die keinen Blick für ihn<lb/>
haben. Für ihn i&#x017F;t mir zwar am wenig&#x017F;ten bange;<lb/>
er i&#x017F;t mir der Flußreiher in der Fabel, er na&#x017F;cht am<lb/>
Be&#x017F;ten herum, bis ihn der Liebeshunger drängt, mit ei¬<lb/>
nem Gründling vorlieb zu nehmen. Ich höre, er hat<lb/>
&#x017F;ich beim Pa&#x017F;tor und För&#x017F;ter bekannt gemacht, und er<lb/>
tändelt wahr&#x017F;cheinlich bereits von der Waldmaid zum<lb/>
Gotteslämmchen. Aber William i&#x017F;t mir ein Gräuel,<lb/>
&#x017F;eine eigne phili&#x017F;terhafte Ab&#x017F;onderungswuth rächt &#x017F;ich<lb/>
fürchterlich an ihm: weil er Alles, die ganze reiche &#x017F;chön<lb/>
Welt zu Zwei und Zwei ab&#x017F;chachteln möchte wie in<lb/>
eine traurige dumpfe Arche Noäh, &#x017F;o i&#x017F;t er nun &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ein verlaßnes, tro&#x017F;tlo&#x017F;es We&#x017F;en. Seit &#x017F;ich Alberta &#x017F;o<lb/>
ent&#x017F;chieden mit allen Kräften zu Hyppolit wendete, i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;er William ein wahrer Cromwell, der Alles maltrai¬<lb/>
tiren möchte. Er i&#x017F;t ingrimmig, grob, ungezogen, ja<lb/>
boshaft wie ein verwöhnter Knabe. Er ärgert Alles. Das<lb/>
i&#x017F;t nun jene chri&#x017F;tliche Liebe, welche der Mann auf der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0034] erſetzt die Eitelkeit; ich glaube, er wartet blos, weil er ſich fürchtet, leer in der Stadt anzukommen. Leopold's leichter Sinn iſt ſogar gebrochen, er hinkt wie ein lah¬ mes Füllen hinaus in's Feld; man iſt ihm zu ernſt¬ haft geworden, ſein Scherz erſchrickt vor den verkauf¬ ten oder verſchenkten Augen, die keinen Blick für ihn haben. Für ihn iſt mir zwar am wenigſten bange; er iſt mir der Flußreiher in der Fabel, er naſcht am Beſten herum, bis ihn der Liebeshunger drängt, mit ei¬ nem Gründling vorlieb zu nehmen. Ich höre, er hat ſich beim Paſtor und Förſter bekannt gemacht, und er tändelt wahrſcheinlich bereits von der Waldmaid zum Gotteslämmchen. Aber William iſt mir ein Gräuel, ſeine eigne philiſterhafte Abſonderungswuth rächt ſich fürchterlich an ihm: weil er Alles, die ganze reiche ſchön Welt zu Zwei und Zwei abſchachteln möchte wie in eine traurige dumpfe Arche Noäh, ſo iſt er nun ſelbſt ein verlaßnes, troſtloſes Weſen. Seit ſich Alberta ſo entſchieden mit allen Kräften zu Hyppolit wendete, iſt dieſer William ein wahrer Cromwell, der Alles maltrai¬ tiren möchte. Er iſt ingrimmig, grob, ungezogen, ja boshaft wie ein verwöhnter Knabe. Er ärgert Alles. Das iſt nun jene chriſtliche Liebe, welche der Mann auf der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/34
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/34>, abgerufen am 25.11.2024.