daß mir bald kein Zweifel blieb, der Graf wolle unserm Weibertreiben ans Leben gehn. Ich konnte nicht klar heraustreten mit meinen Antworten, weil er es mit sei¬ nen Fragen nicht that, und ich solchergestalt leicht eine Betise begehen konnte; indeß ließ ich ihn doch nicht un¬ deutlich merken, wie diese ganze Wendung der Fahrt nicht in meinen Kram passe, mir sogar sehr unangenehm sei. Die Welt ist doch wahrhaftig eine so große Hei¬ rathskanzlei, daß man nur in ein Haus treten darf, worin ein weibliches Wesen wohnt, um beim Heraus¬ gehn Heirathsfragezeichen auf dem Rücken zu haben. Wird nicht alle Geselligkeit dadurch zu Grunde gerichtet! Sieh unser Schloß an, wie ist alles durch diese ver¬ zweifelte Einzäunung zerrissen, zertheilt! Graf Fips reis't schon seit 14 Tagen ab, und ärgert sich alle Tage dreimal, daß er noch da ist und beschließt 10 Mal, mor¬ gen werde er reisen und immer nur ein Mal, daß er noch einen Tag warten wolle. Wenn die Sonne auf¬ geht, da ist die Erde unschuldig und der unglückliche Liebhaber hofft das Beste -- dieser Fips ist ein Maul¬ affe, aber er fühlt seinen traurigen Schmerz, einen Korb am Frackschoß zu tragen, so gut wie Einer. Was ihm an Gefühl zur Empfängniß dieses Schmerzes fehlt, das
daß mir bald kein Zweifel blieb, der Graf wolle unſerm Weibertreiben ans Leben gehn. Ich konnte nicht klar heraustreten mit meinen Antworten, weil er es mit ſei¬ nen Fragen nicht that, und ich ſolchergeſtalt leicht eine Betiſe begehen konnte; indeß ließ ich ihn doch nicht un¬ deutlich merken, wie dieſe ganze Wendung der Fahrt nicht in meinen Kram paſſe, mir ſogar ſehr unangenehm ſei. Die Welt iſt doch wahrhaftig eine ſo große Hei¬ rathskanzlei, daß man nur in ein Haus treten darf, worin ein weibliches Weſen wohnt, um beim Heraus¬ gehn Heirathsfragezeichen auf dem Rücken zu haben. Wird nicht alle Geſelligkeit dadurch zu Grunde gerichtet! Sieh unſer Schloß an, wie iſt alles durch dieſe ver¬ zweifelte Einzäunung zerriſſen, zertheilt! Graf Fips reiſ't ſchon ſeit 14 Tagen ab, und ärgert ſich alle Tage dreimal, daß er noch da iſt und beſchließt 10 Mal, mor¬ gen werde er reiſen und immer nur ein Mal, daß er noch einen Tag warten wolle. Wenn die Sonne auf¬ geht, da iſt die Erde unſchuldig und der unglückliche Liebhaber hofft das Beſte — dieſer Fips iſt ein Maul¬ affe, aber er fühlt ſeinen traurigen Schmerz, einen Korb am Frackſchoß zu tragen, ſo gut wie Einer. Was ihm an Gefühl zur Empfängniß dieſes Schmerzes fehlt, das
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0033"n="21"/>
daß mir bald kein Zweifel blieb, der Graf wolle unſerm<lb/>
Weibertreiben ans Leben gehn. Ich konnte nicht klar<lb/>
heraustreten mit meinen Antworten, weil er es mit ſei¬<lb/>
nen Fragen nicht that, und ich ſolchergeſtalt leicht eine<lb/>
Betiſe begehen konnte; indeß ließ ich ihn doch nicht un¬<lb/>
deutlich merken, wie dieſe ganze Wendung der Fahrt<lb/>
nicht in meinen Kram paſſe, mir ſogar ſehr unangenehm<lb/>ſei. Die Welt iſt doch wahrhaftig eine ſo große Hei¬<lb/>
rathskanzlei, daß man nur in ein Haus treten darf,<lb/>
worin ein weibliches Weſen wohnt, um beim Heraus¬<lb/>
gehn Heirathsfragezeichen auf dem Rücken zu haben.<lb/>
Wird nicht alle Geſelligkeit dadurch zu Grunde gerichtet!<lb/>
Sieh unſer Schloß an, wie iſt alles durch dieſe ver¬<lb/>
zweifelte Einzäunung zerriſſen, zertheilt! Graf Fips<lb/>
reiſ't ſchon ſeit 14 Tagen ab, und ärgert ſich alle Tage<lb/>
dreimal, daß er noch da iſt und beſchließt 10 Mal, mor¬<lb/>
gen werde er reiſen und immer nur ein Mal, daß er<lb/>
noch einen Tag warten wolle. Wenn die Sonne auf¬<lb/>
geht, da iſt die Erde unſchuldig und der unglückliche<lb/>
Liebhaber hofft das Beſte — dieſer Fips iſt ein Maul¬<lb/>
affe, aber er fühlt ſeinen traurigen Schmerz, einen Korb<lb/>
am Frackſchoß zu tragen, ſo gut wie Einer. Was ihm<lb/>
an Gefühl zur Empfängniß dieſes Schmerzes fehlt, das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[21/0033]
daß mir bald kein Zweifel blieb, der Graf wolle unſerm
Weibertreiben ans Leben gehn. Ich konnte nicht klar
heraustreten mit meinen Antworten, weil er es mit ſei¬
nen Fragen nicht that, und ich ſolchergeſtalt leicht eine
Betiſe begehen konnte; indeß ließ ich ihn doch nicht un¬
deutlich merken, wie dieſe ganze Wendung der Fahrt
nicht in meinen Kram paſſe, mir ſogar ſehr unangenehm
ſei. Die Welt iſt doch wahrhaftig eine ſo große Hei¬
rathskanzlei, daß man nur in ein Haus treten darf,
worin ein weibliches Weſen wohnt, um beim Heraus¬
gehn Heirathsfragezeichen auf dem Rücken zu haben.
Wird nicht alle Geſelligkeit dadurch zu Grunde gerichtet!
Sieh unſer Schloß an, wie iſt alles durch dieſe ver¬
zweifelte Einzäunung zerriſſen, zertheilt! Graf Fips
reiſ't ſchon ſeit 14 Tagen ab, und ärgert ſich alle Tage
dreimal, daß er noch da iſt und beſchließt 10 Mal, mor¬
gen werde er reiſen und immer nur ein Mal, daß er
noch einen Tag warten wolle. Wenn die Sonne auf¬
geht, da iſt die Erde unſchuldig und der unglückliche
Liebhaber hofft das Beſte — dieſer Fips iſt ein Maul¬
affe, aber er fühlt ſeinen traurigen Schmerz, einen Korb
am Frackſchoß zu tragen, ſo gut wie Einer. Was ihm
an Gefühl zur Empfängniß dieſes Schmerzes fehlt, das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/33>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.