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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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den Schultern einher. Prinz Leopold hat seiner Prinzes¬
sin Braut gesagt, so hätten's die alten Minnefürsten
zur Zeit der Romantik getrieben, und bestellt eine Trag¬
bahre für die romantische Dame, damit sie Theil nehme
an dem Triumphzuge. Vom Balkon aus sieht der Hof
zu und die Fürstin lächelt sehr -- so schreibt sie selbst.
Da kommt ihr Schwager an, und zerstört dräuend
die demokratische Herrlichkeit. Er ruft Leopold bei Seite
und spricht lange mit ihm. Dieser kommt zu seiner
Braut zurück, spricht viel von den Thränen der Roman¬
tik, erbittet sich von William eine Summe Geldes,
um die Bauern damit zu beglücken und verschwindet.
Dem zu Fuß Fortwandernden ist ein Bauer begegnet,
der fahrende Prinz hat ihm erzählt, er ginge erst nach
Belgien um für die Volkssouverainetät zu fechten; erst
wenn diese errungen sei, dürfe man der Liebe Freuden
pflegen. Prinzessin Amelie hat erklärt, Ohnmachten seien
zu modern, sie werde sich nicht damit befassen; sie trägt
das Haar aufgelöst und singt am offnen Fenster des
Nachts Lieder von Tiek und Novalis; sie ißt nur ein
Gericht und kleidet sich aschgrau, übrigens ist sie wohl.
Die Fürstin setzt hinzu, Viele würden die Sache einen
Skandal nennen, auch Herr Valerius, und das Ganze

den Schultern einher. Prinz Leopold hat ſeiner Prinzeſ¬
ſin Braut geſagt, ſo hätten's die alten Minnefürſten
zur Zeit der Romantik getrieben, und beſtellt eine Trag¬
bahre für die romantiſche Dame, damit ſie Theil nehme
an dem Triumphzuge. Vom Balkon aus ſieht der Hof
zu und die Fürſtin lächelt ſehr — ſo ſchreibt ſie ſelbſt.
Da kommt ihr Schwager an, und zerſtört dräuend
die demokratiſche Herrlichkeit. Er ruft Leopold bei Seite
und ſpricht lange mit ihm. Dieſer kommt zu ſeiner
Braut zurück, ſpricht viel von den Thränen der Roman¬
tik, erbittet ſich von William eine Summe Geldes,
um die Bauern damit zu beglücken und verſchwindet.
Dem zu Fuß Fortwandernden iſt ein Bauer begegnet,
der fahrende Prinz hat ihm erzählt, er ginge erſt nach
Belgien um für die Volksſouverainetät zu fechten; erſt
wenn dieſe errungen ſei, dürfe man der Liebe Freuden
pflegen. Prinzeſſin Amelie hat erklärt, Ohnmachten ſeien
zu modern, ſie werde ſich nicht damit befaſſen; ſie trägt
das Haar aufgelöſt und ſingt am offnen Fenſter des
Nachts Lieder von Tiek und Novalis; ſie ißt nur ein
Gericht und kleidet ſich aſchgrau, übrigens iſt ſie wohl.
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[164/0176] den Schultern einher. Prinz Leopold hat ſeiner Prinzeſ¬ ſin Braut geſagt, ſo hätten's die alten Minnefürſten zur Zeit der Romantik getrieben, und beſtellt eine Trag¬ bahre für die romantiſche Dame, damit ſie Theil nehme an dem Triumphzuge. Vom Balkon aus ſieht der Hof zu und die Fürſtin lächelt ſehr — ſo ſchreibt ſie ſelbſt. Da kommt ihr Schwager an, und zerſtört dräuend die demokratiſche Herrlichkeit. Er ruft Leopold bei Seite und ſpricht lange mit ihm. Dieſer kommt zu ſeiner Braut zurück, ſpricht viel von den Thränen der Roman¬ tik, erbittet ſich von William eine Summe Geldes, um die Bauern damit zu beglücken und verſchwindet. Dem zu Fuß Fortwandernden iſt ein Bauer begegnet, der fahrende Prinz hat ihm erzählt, er ginge erſt nach Belgien um für die Volksſouverainetät zu fechten; erſt wenn dieſe errungen ſei, dürfe man der Liebe Freuden pflegen. Prinzeſſin Amelie hat erklärt, Ohnmachten ſeien zu modern, ſie werde ſich nicht damit befaſſen; ſie trägt das Haar aufgelöſt und ſingt am offnen Fenſter des Nachts Lieder von Tiek und Novalis; ſie ißt nur ein Gericht und kleidet ſich aſchgrau, übrigens iſt ſie wohl. Die Fürſtin ſetzt hinzu, Viele würden die Sache einen Skandal nennen, auch Herr Valerius, und das Ganze

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/176>, abgerufen am 19.05.2024.