Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

bar in der peinlichsten Verlegenheit, ob er seine frühere
fanatisch sittenrichterliche Rolle dem Kleinen gegenüber
mildern oder aufgeben soll, es freut mich aber an ihm,
er scheint doch soviel Stolz zu besitzen, daß er sich nicht
ganz dazu entschließen kann. Er knurrt und grollt wie
ein Kettenhund, der aufgehört hat zu bellen. Fips ist
sehr respectvoll gegen den Kleinen und Konstantie be¬
trachtet ihn so oft lächelnd, so ahnungsreich, sarkastisch
und doch komisch gutmüthig lächelnd, als sähe sie tief
durch ein Gewebe -- sie ist ein kluges Weib; Gott
weiß, was sie hat, ich bin zu wenig neugierig, um
mich darum zu kümmern. Wäre die Sache aber wich¬
tiger als sie's ist, so könnte sich das Tragische ereignen,
daß die in Frage stehende Person über das eigne Ich
keine zuverläßige Auskunft geben könnte; denn ich bin
fest überzeugt, Dichtung und Wahrheit ist in Leopold
über seinen Prinzen bereits so in einander geflossen, daß
er am wenigsten entscheiden könnte, ob er ein Prinz sei
oder nicht.

Die Fürstin hat irgend etwas vor, will irgend
eine Komödie aufführen: sie lacht den William aus und
protegirt ihn offenbar und hat ihn ernsthaft auf ihr
Schloß eingeladen; sie lächelt spitzbübisch über Leopold

bar in der peinlichſten Verlegenheit, ob er ſeine frühere
fanatiſch ſittenrichterliche Rolle dem Kleinen gegenüber
mildern oder aufgeben ſoll, es freut mich aber an ihm,
er ſcheint doch ſoviel Stolz zu beſitzen, daß er ſich nicht
ganz dazu entſchließen kann. Er knurrt und grollt wie
ein Kettenhund, der aufgehört hat zu bellen. Fips iſt
ſehr reſpectvoll gegen den Kleinen und Konſtantie be¬
trachtet ihn ſo oft lächelnd, ſo ahnungsreich, ſarkaſtiſch
und doch komiſch gutmüthig lächelnd, als ſähe ſie tief
durch ein Gewebe — ſie iſt ein kluges Weib; Gott
weiß, was ſie hat, ich bin zu wenig neugierig, um
mich darum zu kümmern. Wäre die Sache aber wich¬
tiger als ſie's iſt, ſo könnte ſich das Tragiſche ereignen,
daß die in Frage ſtehende Perſon über das eigne Ich
keine zuverläßige Auskunft geben könnte; denn ich bin
feſt überzeugt, Dichtung und Wahrheit iſt in Leopold
über ſeinen Prinzen bereits ſo in einander gefloſſen, daß
er am wenigſten entſcheiden könnte, ob er ein Prinz ſei
oder nicht.

Die Fürſtin hat irgend etwas vor, will irgend
eine Komödie aufführen: ſie lacht den William aus und
protegirt ihn offenbar und hat ihn ernſthaft auf ihr
Schloß eingeladen; ſie lächelt ſpitzbübiſch über Leopold

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0103" n="91"/>
bar in der peinlich&#x017F;ten Verlegenheit, ob er &#x017F;eine frühere<lb/>
fanati&#x017F;ch &#x017F;ittenrichterliche Rolle dem Kleinen gegenüber<lb/>
mildern oder aufgeben &#x017F;oll, es freut mich aber an ihm,<lb/>
er &#x017F;cheint doch &#x017F;oviel Stolz zu be&#x017F;itzen, daß er &#x017F;ich nicht<lb/>
ganz dazu ent&#x017F;chließen kann. Er knurrt und grollt wie<lb/>
ein Kettenhund, der aufgehört hat zu bellen. Fips i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ehr re&#x017F;pectvoll gegen den Kleinen und Kon&#x017F;tantie be¬<lb/>
trachtet ihn &#x017F;o oft lächelnd, &#x017F;o ahnungsreich, &#x017F;arka&#x017F;ti&#x017F;ch<lb/>
und doch komi&#x017F;ch gutmüthig lächelnd, als &#x017F;ähe &#x017F;ie tief<lb/>
durch ein Gewebe &#x2014; &#x017F;ie i&#x017F;t ein kluges Weib; Gott<lb/>
weiß, was &#x017F;ie hat, ich bin zu wenig neugierig, um<lb/>
mich darum zu kümmern. Wäre die Sache aber wich¬<lb/>
tiger als &#x017F;ie's i&#x017F;t, &#x017F;o könnte &#x017F;ich das Tragi&#x017F;che ereignen,<lb/>
daß die in Frage &#x017F;tehende Per&#x017F;on über das eigne Ich<lb/>
keine zuverläßige Auskunft geben könnte; denn ich bin<lb/>
fe&#x017F;t überzeugt, Dichtung und Wahrheit i&#x017F;t in Leopold<lb/>
über &#x017F;einen Prinzen bereits &#x017F;o in einander geflo&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
er am wenig&#x017F;ten ent&#x017F;cheiden könnte, ob er ein Prinz &#x017F;ei<lb/>
oder nicht.</p><lb/>
        <p>Die Für&#x017F;tin hat irgend etwas vor, will irgend<lb/>
eine Komödie aufführen: &#x017F;ie lacht den William aus und<lb/>
protegirt ihn offenbar und hat ihn ern&#x017F;thaft auf ihr<lb/>
Schloß eingeladen; &#x017F;ie lächelt &#x017F;pitzbübi&#x017F;ch über Leopold<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0103] bar in der peinlichſten Verlegenheit, ob er ſeine frühere fanatiſch ſittenrichterliche Rolle dem Kleinen gegenüber mildern oder aufgeben ſoll, es freut mich aber an ihm, er ſcheint doch ſoviel Stolz zu beſitzen, daß er ſich nicht ganz dazu entſchließen kann. Er knurrt und grollt wie ein Kettenhund, der aufgehört hat zu bellen. Fips iſt ſehr reſpectvoll gegen den Kleinen und Konſtantie be¬ trachtet ihn ſo oft lächelnd, ſo ahnungsreich, ſarkaſtiſch und doch komiſch gutmüthig lächelnd, als ſähe ſie tief durch ein Gewebe — ſie iſt ein kluges Weib; Gott weiß, was ſie hat, ich bin zu wenig neugierig, um mich darum zu kümmern. Wäre die Sache aber wich¬ tiger als ſie's iſt, ſo könnte ſich das Tragiſche ereignen, daß die in Frage ſtehende Perſon über das eigne Ich keine zuverläßige Auskunft geben könnte; denn ich bin feſt überzeugt, Dichtung und Wahrheit iſt in Leopold über ſeinen Prinzen bereits ſo in einander gefloſſen, daß er am wenigſten entſcheiden könnte, ob er ein Prinz ſei oder nicht. Die Fürſtin hat irgend etwas vor, will irgend eine Komödie aufführen: ſie lacht den William aus und protegirt ihn offenbar und hat ihn ernſthaft auf ihr Schloß eingeladen; ſie lächelt ſpitzbübiſch über Leopold

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/103
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/103>, abgerufen am 22.11.2024.