Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

geht jedes Weib den eigentlich kräftigen Männern lang¬
sam nahe, wenn sie je einen Ausbruch irgend eines Af¬
fekts, vielleicht nur den des Zornes an ihnen gesehen,
und nur die Phryne, die das wild Materielle sucht,
stürzt sich in ihre Umarmung.

Aber der Mund versöhnt durch unwiderstehliche
Anmuth." -- --

So weit der Brief; ich verstehe manches darin nicht,
vielleicht wird's Ihnen klarer; aber ich fühle, daß das
Bild richtig ist. Als er bei uns eintrat mit dieser ho¬
hen, imponirenden Freiheit, dieser leichten ungezwungnen
Tournüre, war selbst der Graf überrascht, und Graf Fips
wurde unruhig und unstät. Alberta wurde roth, ich
selbst verlegen, nur das sarkastische Lächeln Valers, mit
dem er ihn vorstellte, gab mir schnell meine Fassung wie¬
der; es ärgerte mich. Aber es war wirklich, als ob der
Herrscher ins Zimmer trete. Er war modern gekleidet
und doch lag etwas Ausländisches in der Erscheinung.
Der leichte blaue Sammetrock, der kurz und mit Schnü¬
ren und Stickereien besäet war, mochte wohl schuld da¬
ran sein. Alles Uebrige an ihm war schwarz bis auf
den ans Kinn quellenden vollen Backenbart und den über¬
müthigen Schnurrbart und Henri quatre. Er war in

geht jedes Weib den eigentlich kräftigen Männern lang¬
ſam nahe, wenn ſie je einen Ausbruch irgend eines Af¬
fekts, vielleicht nur den des Zornes an ihnen geſehen,
und nur die Phryne, die das wild Materielle ſucht,
ſtürzt ſich in ihre Umarmung.

Aber der Mund verſöhnt durch unwiderſtehliche
Anmuth.“ — —

So weit der Brief; ich verſtehe manches darin nicht,
vielleicht wird's Ihnen klarer; aber ich fühle, daß das
Bild richtig iſt. Als er bei uns eintrat mit dieſer ho¬
hen, imponirenden Freiheit, dieſer leichten ungezwungnen
Tournüre, war ſelbſt der Graf überraſcht, und Graf Fips
wurde unruhig und unſtät. Alberta wurde roth, ich
ſelbſt verlegen, nur das ſarkaſtiſche Lächeln Valers, mit
dem er ihn vorſtellte, gab mir ſchnell meine Faſſung wie¬
der; es ärgerte mich. Aber es war wirklich, als ob der
Herrſcher ins Zimmer trete. Er war modern gekleidet
und doch lag etwas Ausländiſches in der Erſcheinung.
Der leichte blaue Sammetrock, der kurz und mit Schnü¬
ren und Stickereien beſäet war, mochte wohl ſchuld da¬
ran ſein. Alles Uebrige an ihm war ſchwarz bis auf
den ans Kinn quellenden vollen Backenbart und den über¬
müthigen Schnurrbart und Henri quatre. Er war in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0165" n="155"/>
geht jedes Weib den eigentlich kräftigen Männern lang¬<lb/>
&#x017F;am nahe, wenn &#x017F;ie je einen Ausbruch irgend eines Af¬<lb/>
fekts, vielleicht nur den des Zornes an ihnen ge&#x017F;ehen,<lb/>
und nur die Phryne, die das wild Materielle &#x017F;ucht,<lb/>
&#x017F;türzt &#x017F;ich in ihre Umarmung.</p><lb/>
        <p>Aber der Mund ver&#x017F;öhnt durch unwider&#x017F;tehliche<lb/>
Anmuth.&#x201C; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>So weit der Brief; ich ver&#x017F;tehe manches darin nicht,<lb/>
vielleicht wird's Ihnen klarer; aber ich fühle, daß das<lb/>
Bild richtig i&#x017F;t. Als er bei uns eintrat mit die&#x017F;er ho¬<lb/>
hen, imponirenden Freiheit, die&#x017F;er leichten ungezwungnen<lb/>
Tournüre, war &#x017F;elb&#x017F;t der Graf überra&#x017F;cht, und Graf Fips<lb/>
wurde unruhig und un&#x017F;tät. Alberta wurde roth, ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t verlegen, nur das &#x017F;arka&#x017F;ti&#x017F;che Lächeln Valers, mit<lb/>
dem er ihn vor&#x017F;tellte, gab mir &#x017F;chnell meine Fa&#x017F;&#x017F;ung wie¬<lb/>
der; es ärgerte mich. Aber es war wirklich, als ob der<lb/>
Herr&#x017F;cher ins Zimmer trete. Er war modern gekleidet<lb/>
und doch lag etwas Ausländi&#x017F;ches in der Er&#x017F;cheinung.<lb/>
Der leichte blaue Sammetrock, der kurz und mit Schnü¬<lb/>
ren und Stickereien be&#x017F;äet war, mochte wohl &#x017F;chuld da¬<lb/>
ran &#x017F;ein. Alles Uebrige an ihm war &#x017F;chwarz bis auf<lb/>
den ans Kinn quellenden vollen Backenbart und den über¬<lb/>
müthigen Schnurrbart und <hi rendition="#aq">Henri quatre</hi>. Er war in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0165] geht jedes Weib den eigentlich kräftigen Männern lang¬ ſam nahe, wenn ſie je einen Ausbruch irgend eines Af¬ fekts, vielleicht nur den des Zornes an ihnen geſehen, und nur die Phryne, die das wild Materielle ſucht, ſtürzt ſich in ihre Umarmung. Aber der Mund verſöhnt durch unwiderſtehliche Anmuth.“ — — So weit der Brief; ich verſtehe manches darin nicht, vielleicht wird's Ihnen klarer; aber ich fühle, daß das Bild richtig iſt. Als er bei uns eintrat mit dieſer ho¬ hen, imponirenden Freiheit, dieſer leichten ungezwungnen Tournüre, war ſelbſt der Graf überraſcht, und Graf Fips wurde unruhig und unſtät. Alberta wurde roth, ich ſelbſt verlegen, nur das ſarkaſtiſche Lächeln Valers, mit dem er ihn vorſtellte, gab mir ſchnell meine Faſſung wie¬ der; es ärgerte mich. Aber es war wirklich, als ob der Herrſcher ins Zimmer trete. Er war modern gekleidet und doch lag etwas Ausländiſches in der Erſcheinung. Der leichte blaue Sammetrock, der kurz und mit Schnü¬ ren und Stickereien beſäet war, mochte wohl ſchuld da¬ ran ſein. Alles Uebrige an ihm war ſchwarz bis auf den ans Kinn quellenden vollen Backenbart und den über¬ müthigen Schnurrbart und Henri quatre. Er war in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/165
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/165>, abgerufen am 22.11.2024.