Glieder mit der weichen Welle. Es ist dies etwas, was ihr Teutschen durchaus nicht lernen wollt, daß das viele Baden etwas Reizendes sei. Ihr rauhen Bären Germaniens, die Ihr vom Urzustande doch übri¬ gens nichts als das rauhe Fell behalten habt, wo drei Schläge auf einen Fleck fallen müssen, ehe Ihr einen fühlt, begreift's nicht. Das teutsche Weib, ja selbst der teutsche Jüngling weint sich windelweich, weint sich aus, wenn er einen neuen Menschen anziehen will, der südliche badet, und erfrischt, geschmeidig, geläutert tritt er an die Luft, für deren Balsam er tausend neue Organe geöffnet hat. Das Bad ist ein Hauptakt der körperli¬ chen Civilisation; schon in Frankreich findest Du in jedem einfach eingerichteten Hauswesen ein Badezimmer, in Teutschland keines in dem best eingerichteten. Ich verlange nicht den Reichthum des Südens darin, denn natürlich drängt dort das Klima mehr dazu; ich ver¬ lange nur das Aneignen des reinigenden Elements. Die üppigen Thermen der Griechen und Römer bekun¬ den heut noch in ihren Trümmern, welchen Werth man auf diese Sitte gelegt. Geist und Gemüth entfalten sich behaglicher in einem Leibe, der aus dem Bade steigt, eine reinere frischere Sinnlichkeit hüpft durch die erreg¬
Glieder mit der weichen Welle. Es iſt dies etwas, was ihr Teutſchen durchaus nicht lernen wollt, daß das viele Baden etwas Reizendes ſei. Ihr rauhen Bären Germaniens, die Ihr vom Urzuſtande doch übri¬ gens nichts als das rauhe Fell behalten habt, wo drei Schläge auf einen Fleck fallen müſſen, ehe Ihr einen fühlt, begreift's nicht. Das teutſche Weib, ja ſelbſt der teutſche Jüngling weint ſich windelweich, weint ſich aus, wenn er einen neuen Menſchen anziehen will, der ſüdliche badet, und erfriſcht, geſchmeidig, geläutert tritt er an die Luft, für deren Balſam er tauſend neue Organe geöffnet hat. Das Bad iſt ein Hauptakt der körperli¬ chen Civiliſation; ſchon in Frankreich findeſt Du in jedem einfach eingerichteten Hausweſen ein Badezimmer, in Teutſchland keines in dem beſt eingerichteten. Ich verlange nicht den Reichthum des Südens darin, denn natürlich drängt dort das Klima mehr dazu; ich ver¬ lange nur das Aneignen des reinigenden Elements. Die üppigen Thermen der Griechen und Römer bekun¬ den heut noch in ihren Trümmern, welchen Werth man auf dieſe Sitte gelegt. Geiſt und Gemüth entfalten ſich behaglicher in einem Leibe, der aus dem Bade ſteigt, eine reinere friſchere Sinnlichkeit hüpft durch die erreg¬
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Glieder mit der weichen Welle. Es iſt dies etwas,
was ihr Teutſchen durchaus nicht lernen wollt, daß
das viele Baden etwas Reizendes ſei. Ihr rauhen
Bären Germaniens, die Ihr vom Urzuſtande doch übri¬
gens nichts als das rauhe Fell behalten habt, wo drei
Schläge auf einen Fleck fallen müſſen, ehe Ihr einen
fühlt, begreift's nicht. Das teutſche Weib, ja ſelbſt
der teutſche Jüngling weint ſich windelweich, weint ſich
aus, wenn er einen neuen Menſchen anziehen will, der
ſüdliche badet, und erfriſcht, geſchmeidig, geläutert tritt er
an die Luft, für deren Balſam er tauſend neue Organe
geöffnet hat. Das Bad iſt ein Hauptakt der körperli¬
chen Civiliſation; ſchon in Frankreich findeſt Du in
jedem einfach eingerichteten Hausweſen ein Badezimmer,
in Teutſchland keines in dem beſt eingerichteten. Ich
verlange nicht den Reichthum des Südens darin, denn
natürlich drängt dort das Klima mehr dazu; ich ver¬
lange nur das Aneignen des reinigenden Elements.
Die üppigen Thermen der Griechen und Römer bekun¬
den heut noch in ihren Trümmern, welchen Werth man
auf dieſe Sitte gelegt. Geiſt und Gemüth entfalten
ſich behaglicher in einem Leibe, der aus dem Bade ſteigt,
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0101_1833/140>, abgerufen am 17.02.2025.
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