Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.Die Bernsteinhexe. Wittich. Du irrst Dich, Rüdiger, irrst Dich vollständig. Eben weil ich mehr weiß denn Du, bin ich zweifelvoller denn Du, und achte Vorurtheile als tief begründet, die Du ver- lachen zu dürfen glaubst. (Allgemeines Geschrei der Bauersleute.) Liese (Rüdiger eilt nach dem Fenster). Sie kommen, Sie kommen! Man bringt sie! Ja, heute fehlt das Blut in den Wangen! -- Nun, Herr Wit- tich, thut Eure Schuldigkeit, sonst thu' ich die meine zu Eurem Verderben! Wittich (ergrimmt). Schweig, Hexe, bei des Teufels Haupte! sonst bring' ich Dich auf den Holzstoß! Liese. Kommt's mir drauf an! Sagt' mir nicht der Bader, ich hätte nur noch wenig Roggen auf der Mühle? Und Du brennst dann mit mir, Verführer, dafür sorg' ich! Holla, das wird anmuthig sein, gestrenger Herr! Die Bernſteinhexe. Wittich. Du irrſt Dich, Ruͤdiger, irrſt Dich vollſtaͤndig. Eben weil ich mehr weiß denn Du, bin ich zweifelvoller denn Du, und achte Vorurtheile als tief begruͤndet, die Du ver- lachen zu duͤrfen glaubſt. (Allgemeines Geſchrei der Bauersleute.) Lieſe (Ruͤdiger eilt nach dem Fenſter). Sie kommen, Sie kommen! Man bringt ſie! Ja, heute fehlt das Blut in den Wangen! — Nun, Herr Wit- tich, thut Eure Schuldigkeit, ſonſt thu’ ich die meine zu Eurem Verderben! Wittich (ergrimmt). Schweig, Hexe, bei des Teufels Haupte! ſonſt bring’ ich Dich auf den Holzſtoß! Lieſe. Kommt’s mir drauf an! Sagt’ mir nicht der Bader, ich haͤtte nur noch wenig Roggen auf der Muͤhle? Und Du brennſt dann mit mir, Verfuͤhrer, dafuͤr ſorg’ ich! Holla, das wird anmuthig ſein, geſtrenger Herr! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0112" n="106"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Bernſteinhexe</hi>.</fw><lb/> <sp who="#WIT"> <speaker> <hi rendition="#b">Wittich.</hi> </speaker><lb/> <p>Du irrſt Dich, Ruͤdiger, irrſt Dich vollſtaͤndig. Eben<lb/> weil ich mehr weiß denn Du, bin ich zweifelvoller denn<lb/> Du, und achte Vorurtheile als tief begruͤndet, die Du ver-<lb/> lachen zu duͤrfen glaubſt.</p> </sp><lb/> <stage>(Allgemeines Geſchrei der Bauersleute.)</stage><lb/> <sp who="#LIE"> <speaker> <hi rendition="#b">Lieſe</hi> </speaker> <stage>(Ruͤdiger eilt nach dem Fenſter).</stage><lb/> <p>Sie kommen, Sie kommen! Man bringt ſie! Ja,<lb/> heute fehlt das Blut in den Wangen! — Nun, Herr Wit-<lb/> tich, thut Eure Schuldigkeit, ſonſt thu’ ich die meine zu<lb/> Eurem Verderben!</p> </sp><lb/> <sp who="#WIT"> <speaker> <hi rendition="#b">Wittich</hi> </speaker> <stage>(ergrimmt).</stage><lb/> <p>Schweig, Hexe, bei des Teufels Haupte! ſonſt bring’<lb/> ich <hi rendition="#g">Dich</hi> auf den Holzſtoß!</p> </sp><lb/> <sp who="#LIE"> <speaker> <hi rendition="#b">Lieſe.</hi> </speaker><lb/> <p>Kommt’s mir drauf an! Sagt’ mir nicht der Bader,<lb/> ich haͤtte nur noch wenig Roggen auf der Muͤhle? Und<lb/> Du brennſt dann mit mir, Verfuͤhrer, dafuͤr ſorg’ ich!<lb/> Holla, das wird anmuthig ſein, geſtrenger Herr!</p> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0112]
Die Bernſteinhexe.
Wittich.
Du irrſt Dich, Ruͤdiger, irrſt Dich vollſtaͤndig. Eben
weil ich mehr weiß denn Du, bin ich zweifelvoller denn
Du, und achte Vorurtheile als tief begruͤndet, die Du ver-
lachen zu duͤrfen glaubſt.
(Allgemeines Geſchrei der Bauersleute.)
Lieſe (Ruͤdiger eilt nach dem Fenſter).
Sie kommen, Sie kommen! Man bringt ſie! Ja,
heute fehlt das Blut in den Wangen! — Nun, Herr Wit-
tich, thut Eure Schuldigkeit, ſonſt thu’ ich die meine zu
Eurem Verderben!
Wittich (ergrimmt).
Schweig, Hexe, bei des Teufels Haupte! ſonſt bring’
ich Dich auf den Holzſtoß!
Lieſe.
Kommt’s mir drauf an! Sagt’ mir nicht der Bader,
ich haͤtte nur noch wenig Roggen auf der Muͤhle? Und
Du brennſt dann mit mir, Verfuͤhrer, dafuͤr ſorg’ ich!
Holla, das wird anmuthig ſein, geſtrenger Herr!
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Zitationshilfe: | Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/112>, abgerufen am 20.06.2024. |