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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

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Die Bernsteinhexe.
gültigen. Dies bedenke! Du setzest Deine ganze Existenz
auf's Spiel, wenn Du den Volksglauben beleidigst, und
meine Amtshauptmannschaft, die ich Dir vererben will,
ist Dir alsdann für immer verloren.
Rüdiger.
Das möge sie sein, wenn ein so wichtiges Amt nur
auf Kosten der Wahrheit erworben werden kann --
Wittich.
Der Wahrheit?! Junger Mann, was ist Wahrheit
in solchen räthselhaften Dingen. -- Das ganze Land ist
seit hundert Jahren im Kriege begriffen über das, was
göttliche Wahrheit auf Erden sei. Wir sind auf Seite
derer, welche sich rühmen, kirchlicher Vorurtheile ledig zu
sein, und auf unsrer Seite ist die Verfolgung der Hexen
am Lebhaftesten -- die Kirche, welche wir bekämpften,
wußte noch im vorigen Jahrhunderte nichts von blutiger
Strenge gegen Hexen. Sie verbannte dieselben, oder be-
strafte sie gelind. Seit noch nicht funfzig Jahren erst ver-
fahren wir hüben und drüben mit Feuer und Schwert da-
gegen. Was ist nun Wahrheit? Wirst Du's mit jugend-
licher Zunge erledigen?
Rüdiger.
O Vater, Vater, Dein reicher Geist spricht aus
Dir, aber nicht Dein wahrer Geist! Du bist so wenig als
ich in Zweifel --
Die Bernſteinhexe.
guͤltigen. Dies bedenke! Du ſetzeſt Deine ganze Exiſtenz
auf’s Spiel, wenn Du den Volksglauben beleidigſt, und
meine Amtshauptmannſchaft, die ich Dir vererben will,
iſt Dir alsdann fuͤr immer verloren.
Rüdiger.
Das moͤge ſie ſein, wenn ein ſo wichtiges Amt nur
auf Koſten der Wahrheit erworben werden kann —
Wittich.
Der Wahrheit?! Junger Mann, was iſt Wahrheit
in ſolchen raͤthſelhaften Dingen. — Das ganze Land iſt
ſeit hundert Jahren im Kriege begriffen uͤber das, was
goͤttliche Wahrheit auf Erden ſei. Wir ſind auf Seite
derer, welche ſich ruͤhmen, kirchlicher Vorurtheile ledig zu
ſein, und auf unſrer Seite iſt die Verfolgung der Hexen
am Lebhafteſten — die Kirche, welche wir bekaͤmpften,
wußte noch im vorigen Jahrhunderte nichts von blutiger
Strenge gegen Hexen. Sie verbannte dieſelben, oder be-
ſtrafte ſie gelind. Seit noch nicht funfzig Jahren erſt ver-
fahren wir huͤben und druͤben mit Feuer und Schwert da-
gegen. Was iſt nun Wahrheit? Wirſt Du’s mit jugend-
licher Zunge erledigen?
Rüdiger.
O Vater, Vater, Dein reicher Geiſt ſpricht aus
Dir, aber nicht Dein wahrer Geiſt! Du biſt ſo wenig als
ich in Zweifel —
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[105/0111] Die Bernſteinhexe. guͤltigen. Dies bedenke! Du ſetzeſt Deine ganze Exiſtenz auf’s Spiel, wenn Du den Volksglauben beleidigſt, und meine Amtshauptmannſchaft, die ich Dir vererben will, iſt Dir alsdann fuͤr immer verloren. Rüdiger. Das moͤge ſie ſein, wenn ein ſo wichtiges Amt nur auf Koſten der Wahrheit erworben werden kann — Wittich. Der Wahrheit?! Junger Mann, was iſt Wahrheit in ſolchen raͤthſelhaften Dingen. — Das ganze Land iſt ſeit hundert Jahren im Kriege begriffen uͤber das, was goͤttliche Wahrheit auf Erden ſei. Wir ſind auf Seite derer, welche ſich ruͤhmen, kirchlicher Vorurtheile ledig zu ſein, und auf unſrer Seite iſt die Verfolgung der Hexen am Lebhafteſten — die Kirche, welche wir bekaͤmpften, wußte noch im vorigen Jahrhunderte nichts von blutiger Strenge gegen Hexen. Sie verbannte dieſelben, oder be- ſtrafte ſie gelind. Seit noch nicht funfzig Jahren erſt ver- fahren wir huͤben und druͤben mit Feuer und Schwert da- gegen. Was iſt nun Wahrheit? Wirſt Du’s mit jugend- licher Zunge erledigen? Rüdiger. O Vater, Vater, Dein reicher Geiſt ſpricht aus Dir, aber nicht Dein wahrer Geiſt! Du biſt ſo wenig als ich in Zweifel —

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/111>, abgerufen am 24.11.2024.