Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite
Aladdins Wunderlampe.

"Sklave der Lampe," rief ich, "bringe 300 000 Mark
in Gold!"

"Das kann ich nicht, Herr," erwiderte der Geist,
"das widerspricht den Gesetzen."

"Wieso?"

"Alles gemünzte Gold gehört irgendwem als Eigen-
tum. Jch darf es niemand wegnehmen."

"So schaffe ungemünztes!"

"Das kann ich nicht, das wäre gegen das
Gesetz von der unveränderlichen Erhaltung des
Stoffes."

"Hole es aus der Erde!"

"Das kann ich nicht. Dazu bedarf es mehr me-
chanischer Arbeit, als in meinem gegenwärtigen Körper
angehäuft ist. Das wäre gegen den Satz von der Er-
haltung der Energie."

"Elender Sklave," rief ich, "warum konntest Du es
Aladdin bringen?"

"Damals wußte man noch nichts von der Erhaltung
des Stoffes und der Energie."

"Wie, Du willst doch nicht behaupten, daß diese
Naturgesetze damals nicht in Geltung waren?"

"Die Naturgesetze," antwortete der Geist, "sind
nichts Anderes als der Ausdruck des wissenschaftlichen
Bewußtseins einer bestimmten Zeit. Jn meinem tran-
scendentalen Bewußtsein bin ich davon unabhängig;
aber in meiner Thätigkeit in der Zeit, in Eurer Zeit,
darf ich die Bedingungen nicht durchbrechen, welche die
Grundpfeiler der modernen Kultur sind. Wir können

Aladdins Wunderlampe.

„Sklave der Lampe,“ rief ich, „bringe 300 000 Mark
in Gold!“

„Das kann ich nicht, Herr,“ erwiderte der Geiſt,
„das widerſpricht den Geſetzen.“

„Wieſo?“

„Alles gemünzte Gold gehört irgendwem als Eigen-
tum. Jch darf es niemand wegnehmen.“

„So ſchaffe ungemünztes!“

„Das kann ich nicht, das wäre gegen das
Geſetz von der unveränderlichen Erhaltung des
Stoffes.“

„Hole es aus der Erde!“

„Das kann ich nicht. Dazu bedarf es mehr me-
chaniſcher Arbeit, als in meinem gegenwärtigen Körper
angehäuft iſt. Das wäre gegen den Satz von der Er-
haltung der Energie.“

„Elender Sklave,“ rief ich, „warum konnteſt Du es
Aladdin bringen?“

„Damals wußte man noch nichts von der Erhaltung
des Stoffes und der Energie.“

„Wie, Du willſt doch nicht behaupten, daß dieſe
Naturgeſetze damals nicht in Geltung waren?“

„Die Naturgeſetze,“ antwortete der Geiſt, „ſind
nichts Anderes als der Ausdruck des wiſſenſchaftlichen
Bewußtſeins einer beſtimmten Zeit. Jn meinem tran-
ſcendentalen Bewußtſein bin ich davon unabhängig;
aber in meiner Thätigkeit in der Zeit, in Eurer Zeit,
darf ich die Bedingungen nicht durchbrechen, welche die
Grundpfeiler der modernen Kultur ſind. Wir können

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0079" n="73"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Aladdins Wunderlampe.</hi> </fw><lb/>
        <p>&#x201E;Sklave der Lampe,&#x201C; rief ich, &#x201E;bringe 300 000 Mark<lb/>
in Gold!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das kann ich nicht, Herr,&#x201C; erwiderte der Gei&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;das wider&#x017F;pricht den Ge&#x017F;etzen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie&#x017F;o?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Alles gemünzte Gold gehört irgendwem als Eigen-<lb/>
tum. Jch darf es niemand wegnehmen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So &#x017F;chaffe ungemünztes!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das kann ich nicht, das wäre gegen das<lb/>
Ge&#x017F;etz von der unveränderlichen Erhaltung des<lb/>
Stoffes.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hole es aus der Erde!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das kann ich nicht. Dazu bedarf es mehr me-<lb/>
chani&#x017F;cher Arbeit, als in meinem gegenwärtigen Körper<lb/>
angehäuft i&#x017F;t. Das wäre gegen den Satz von der Er-<lb/>
haltung der Energie.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Elender Sklave,&#x201C; rief ich, &#x201E;warum konnte&#x017F;t Du es<lb/>
Aladdin bringen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Damals wußte man noch nichts von der Erhaltung<lb/>
des Stoffes und der Energie.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie, Du will&#x017F;t doch nicht behaupten, daß die&#x017F;e<lb/>
Naturge&#x017F;etze damals nicht in Geltung waren?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Naturge&#x017F;etze,&#x201C; antwortete der Gei&#x017F;t, &#x201E;&#x017F;ind<lb/>
nichts Anderes als der Ausdruck des wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen<lb/>
Bewußt&#x017F;eins einer be&#x017F;timmten Zeit. Jn meinem tran-<lb/>
&#x017F;cendentalen Bewußt&#x017F;ein bin ich davon unabhängig;<lb/>
aber in meiner Thätigkeit in der Zeit, in Eurer Zeit,<lb/>
darf ich die Bedingungen nicht durchbrechen, welche die<lb/>
Grundpfeiler der modernen Kultur &#x017F;ind. Wir können<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0079] Aladdins Wunderlampe. „Sklave der Lampe,“ rief ich, „bringe 300 000 Mark in Gold!“ „Das kann ich nicht, Herr,“ erwiderte der Geiſt, „das widerſpricht den Geſetzen.“ „Wieſo?“ „Alles gemünzte Gold gehört irgendwem als Eigen- tum. Jch darf es niemand wegnehmen.“ „So ſchaffe ungemünztes!“ „Das kann ich nicht, das wäre gegen das Geſetz von der unveränderlichen Erhaltung des Stoffes.“ „Hole es aus der Erde!“ „Das kann ich nicht. Dazu bedarf es mehr me- chaniſcher Arbeit, als in meinem gegenwärtigen Körper angehäuft iſt. Das wäre gegen den Satz von der Er- haltung der Energie.“ „Elender Sklave,“ rief ich, „warum konnteſt Du es Aladdin bringen?“ „Damals wußte man noch nichts von der Erhaltung des Stoffes und der Energie.“ „Wie, Du willſt doch nicht behaupten, daß dieſe Naturgeſetze damals nicht in Geltung waren?“ „Die Naturgeſetze,“ antwortete der Geiſt, „ſind nichts Anderes als der Ausdruck des wiſſenſchaftlichen Bewußtſeins einer beſtimmten Zeit. Jn meinem tran- ſcendentalen Bewußtſein bin ich davon unabhängig; aber in meiner Thätigkeit in der Zeit, in Eurer Zeit, darf ich die Bedingungen nicht durchbrechen, welche die Grundpfeiler der modernen Kultur ſind. Wir können

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/79
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/79>, abgerufen am 25.11.2024.