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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Stäubchen.
flatternde Seelen, die ihr umherschwebt als Sonnen-
stäubchen; wie ich sie liebte, so hütet sie zärtlich! Und
ihr Windgötter, hohe Gewalten, die ihr die Seelen der
Geschiedenen bewegt im Luftkreise, ehrwürdige Tritopa-
toren, die ihr sie zurückführt, damit sie geboren werden
zu neuem Erdenleben, schützt sie, die Seele meiner
Chloris, gebt ihr dereinst eine glücklichere Mutter als
mich, die Einsame!"

Sie verhüllte ihr Antlitz mit dem Schleier und
schritt die Stufen hinab, weinend.

Das Sonnenstäubchen aber merkte, daß ihm die ge-
heime Macht gegeben war, die Seelen der Menschen
emporzuziehen und zu erfüllen mit Sehnsucht nach dem,
was ihnen lieb war, und heiligen Schmerz um das
Verlorene in die Herzen zu streuen. Stolz hob es sich
im Lichte, aber die Sonne ging hinter die Berge, sein
kurzer Glanz erlosch, und es stieß an eines der Weih-
gefäße, die im Tempel standen. Zum Unglück geriet
es in eine Randverzierung, darin noch ein Tröpfchen
Wein im Eintrocknen begriffen war, und dort blieb es
kleben."

"Das kommt davon," sagte Lenore und schnappte
das Schloß ihres Reisetäschchens zu, womit sie gespielt
hatte. Richard sah sie enttäuscht an. Wie schön war
sie und wie gleichgiltig ruhten diese Züge!

"Das kommt davon," wiederholte er leise.

"Jhr Stäubchen mag sich übrigens trösten," begann
sie wieder, "an Wein und Gold sind schon Bessere kleben
geblieben."

Stäubchen.
flatternde Seelen, die ihr umherſchwebt als Sonnen-
ſtäubchen; wie ich ſie liebte, ſo hütet ſie zärtlich! Und
ihr Windgötter, hohe Gewalten, die ihr die Seelen der
Geſchiedenen bewegt im Luftkreiſe, ehrwürdige Tritopa-
toren, die ihr ſie zurückführt, damit ſie geboren werden
zu neuem Erdenleben, ſchützt ſie, die Seele meiner
Chloris, gebt ihr dereinſt eine glücklichere Mutter als
mich, die Einſame!“

Sie verhüllte ihr Antlitz mit dem Schleier und
ſchritt die Stufen hinab, weinend.

Das Sonnenſtäubchen aber merkte, daß ihm die ge-
heime Macht gegeben war, die Seelen der Menſchen
emporzuziehen und zu erfüllen mit Sehnſucht nach dem,
was ihnen lieb war, und heiligen Schmerz um das
Verlorene in die Herzen zu ſtreuen. Stolz hob es ſich
im Lichte, aber die Sonne ging hinter die Berge, ſein
kurzer Glanz erloſch, und es ſtieß an eines der Weih-
gefäße, die im Tempel ſtanden. Zum Unglück geriet
es in eine Randverzierung, darin noch ein Tröpfchen
Wein im Eintrocknen begriffen war, und dort blieb es
kleben.“

„Das kommt davon,“ ſagte Lenore und ſchnappte
das Schloß ihres Reiſetäſchchens zu, womit ſie geſpielt
hatte. Richard ſah ſie enttäuſcht an. Wie ſchön war
ſie und wie gleichgiltig ruhten dieſe Züge!

„Das kommt davon,“ wiederholte er leiſe.

„Jhr Stäubchen mag ſich übrigens tröſten,“ begann
ſie wieder, „an Wein und Gold ſind ſchon Beſſere kleben
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[29/0035] Stäubchen. flatternde Seelen, die ihr umherſchwebt als Sonnen- ſtäubchen; wie ich ſie liebte, ſo hütet ſie zärtlich! Und ihr Windgötter, hohe Gewalten, die ihr die Seelen der Geſchiedenen bewegt im Luftkreiſe, ehrwürdige Tritopa- toren, die ihr ſie zurückführt, damit ſie geboren werden zu neuem Erdenleben, ſchützt ſie, die Seele meiner Chloris, gebt ihr dereinſt eine glücklichere Mutter als mich, die Einſame!“ Sie verhüllte ihr Antlitz mit dem Schleier und ſchritt die Stufen hinab, weinend. Das Sonnenſtäubchen aber merkte, daß ihm die ge- heime Macht gegeben war, die Seelen der Menſchen emporzuziehen und zu erfüllen mit Sehnſucht nach dem, was ihnen lieb war, und heiligen Schmerz um das Verlorene in die Herzen zu ſtreuen. Stolz hob es ſich im Lichte, aber die Sonne ging hinter die Berge, ſein kurzer Glanz erloſch, und es ſtieß an eines der Weih- gefäße, die im Tempel ſtanden. Zum Unglück geriet es in eine Randverzierung, darin noch ein Tröpfchen Wein im Eintrocknen begriffen war, und dort blieb es kleben.“ „Das kommt davon,“ ſagte Lenore und ſchnappte das Schloß ihres Reiſetäſchchens zu, womit ſie geſpielt hatte. Richard ſah ſie enttäuſcht an. Wie ſchön war ſie und wie gleichgiltig ruhten dieſe Züge! „Das kommt davon,“ wiederholte er leiſe. „Jhr Stäubchen mag ſich übrigens tröſten,“ begann ſie wieder, „an Wein und Gold ſind ſchon Beſſere kleben geblieben.“

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/35>, abgerufen am 28.03.2024.