Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Stäubchen. körnchen sagte: "Kümmere Dich nicht um solchen Unsinn!Sind wir nicht hier auf einer anständigen Höhe! Was geht uns der Staub im Thale an?" Das Glimmer- blättchen mochte es nicht länger ertragen, so reden zu hören, und es wünschte erst recht in die Ferne zu schweifen. Es dehnte und bog sich in der Sonnenglut, Regen und Schnee scheuerten an ihm, und eines Tages kam der Sturm und riß es ab; als ein ganz winziges, kaum sichtbares Splitterchen flog es in die Höhe, aber es war sich genug; denn nun war es ein Sonnen- stäubchen geworden." "Nun wird es hoffentlich einmal etwas erleben," "Lange flatterte es umher und freute sich der Wonne Ein trauerndes Weib lehnte an einer Marmorsäule "Weilst Du unter ihnen Chloris?" flüsterte sie Stäubchen. körnchen ſagte: „Kümmere Dich nicht um ſolchen Unſinn!Sind wir nicht hier auf einer anſtändigen Höhe! Was geht uns der Staub im Thale an?“ Das Glimmer- blättchen mochte es nicht länger ertragen, ſo reden zu hören, und es wünſchte erſt recht in die Ferne zu ſchweifen. Es dehnte und bog ſich in der Sonnenglut, Regen und Schnee ſcheuerten an ihm, und eines Tages kam der Sturm und riß es ab; als ein ganz winziges, kaum ſichtbares Splitterchen flog es in die Höhe, aber es war ſich genug; denn nun war es ein Sonnen- ſtäubchen geworden.“ „Nun wird es hoffentlich einmal etwas erleben,“ „Lange flatterte es umher und freute ſich der Wonne Ein trauerndes Weib lehnte an einer Marmorſäule „Weilſt Du unter ihnen Chloris?“ flüſterte ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Stäubchen.</hi></fw><lb/> körnchen ſagte: „Kümmere Dich nicht um ſolchen Unſinn!<lb/> Sind wir nicht hier auf einer anſtändigen Höhe! Was<lb/> geht uns der Staub im Thale an?“ Das Glimmer-<lb/> blättchen mochte es nicht länger ertragen, ſo reden zu<lb/> hören, und es wünſchte erſt recht in die Ferne zu<lb/> ſchweifen. Es dehnte und bog ſich in der Sonnenglut,<lb/> Regen und Schnee ſcheuerten an ihm, und eines Tages<lb/> kam der Sturm und riß es ab; als ein ganz winziges,<lb/> kaum ſichtbares Splitterchen flog es in die Höhe, aber<lb/> es war ſich genug; denn nun war es ein Sonnen-<lb/> ſtäubchen geworden.“</p><lb/> <p>„Nun wird es hoffentlich einmal etwas erleben,“<lb/> ſagte Lenore.</p><lb/> <p>„Lange flatterte es umher und freute ſich der Wonne<lb/> des Schwebens, dann ſank es ermüdet auf den Sand.<lb/> Da kam es daher wie Donner, Hufe der Roſſe ſtampften<lb/> die Rennbahn und Staub wirbelte auf um die klin-<lb/> genden Räder der Wagen, die um das Ziel raſſelten.<lb/> Ein linder Weſt trug das Stäubchen mit Tauſenden<lb/> ſeiner Genoſſen in die nahen Hallen des Heiligtums,<lb/> und im ſchrägen Sonnenſtrahl tanzte es zum erſtenmal<lb/> den Reigen der Sonnenkinder.</p><lb/> <p>Ein trauerndes Weib lehnte an einer Marmorſäule<lb/> und blickte mit thränenfeuchten Augen in den dämmern-<lb/> den Lichtſtreifen, der ſich durch die Halle zog.</p><lb/> <p>„Weilſt Du unter ihnen Chloris?“ flüſterte ſie<lb/> fragend. „Seele meiner geliebten Kleinen, die ſie zu<lb/> früh hinatmete in den Äther, ſpielſt Du mit den Ge-<lb/> ſchwiſtern in Helios’ Strahlenreiche? Habt ſie lieb,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0034]
Stäubchen.
körnchen ſagte: „Kümmere Dich nicht um ſolchen Unſinn!
Sind wir nicht hier auf einer anſtändigen Höhe! Was
geht uns der Staub im Thale an?“ Das Glimmer-
blättchen mochte es nicht länger ertragen, ſo reden zu
hören, und es wünſchte erſt recht in die Ferne zu
ſchweifen. Es dehnte und bog ſich in der Sonnenglut,
Regen und Schnee ſcheuerten an ihm, und eines Tages
kam der Sturm und riß es ab; als ein ganz winziges,
kaum ſichtbares Splitterchen flog es in die Höhe, aber
es war ſich genug; denn nun war es ein Sonnen-
ſtäubchen geworden.“
„Nun wird es hoffentlich einmal etwas erleben,“
ſagte Lenore.
„Lange flatterte es umher und freute ſich der Wonne
des Schwebens, dann ſank es ermüdet auf den Sand.
Da kam es daher wie Donner, Hufe der Roſſe ſtampften
die Rennbahn und Staub wirbelte auf um die klin-
genden Räder der Wagen, die um das Ziel raſſelten.
Ein linder Weſt trug das Stäubchen mit Tauſenden
ſeiner Genoſſen in die nahen Hallen des Heiligtums,
und im ſchrägen Sonnenſtrahl tanzte es zum erſtenmal
den Reigen der Sonnenkinder.
Ein trauerndes Weib lehnte an einer Marmorſäule
und blickte mit thränenfeuchten Augen in den dämmern-
den Lichtſtreifen, der ſich durch die Halle zog.
„Weilſt Du unter ihnen Chloris?“ flüſterte ſie
fragend. „Seele meiner geliebten Kleinen, die ſie zu
früh hinatmete in den Äther, ſpielſt Du mit den Ge-
ſchwiſtern in Helios’ Strahlenreiche? Habt ſie lieb,
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Zitationshilfe: | Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/34>, abgerufen am 16.07.2024. |