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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Tröpfchen.
Charakter und Bildung zu bewahren, um nicht ganz in
der großen Masse zu zerfließen. Manchmal kamen
Tiere zum Wasser, um zu trinken, und Menschen, um
zu schöpfen. Aber Tröpfchen wurde nicht getroffen.

Eines Abends jedoch fühlte es sich auf einmal empor-
gehoben, und als es umschaute, fielen die Strahlen der
untergehenden Sonne durch das Glas einer dunkelgrünen
Flasche, in welcher es sich unversehens gefangen hatte.
Ein Mann hielt sie gegen das Licht, er war noch jung,
aber bleich, und düster war sein Blick.

"Du hast auch lange nichts gesehen als Wasser,"
sagte er zu der Flasche.

"Jch dachte, es würde auf ein Maß Wein reichen
für die kranke Frau, aber bei der Ablöhnung -- ja,
Mahlzeit! da gab's einen Abzug dafür und einen
dafür -- Und dabei muß man's Maul halten, wenn
man nicht vor der Thür sitzen will. Verdammt!"

Er nahm einen Zug aus der Flasche. Tröpfchen
klammerte sich ängstlich an den Boden, um nicht ver-
schluckt werden.

Der Mann stellte die Flasche neben sich, holte eine
Pfeife heraus und suchte den letzten Tabak in seiner
Tasche zusammen.

"Er ist auch wieder teurer geworden," murrte er,
"kaum bringt man's noch zu einer ordentlichen Pfeife.
Und bei allem Sparen will's nicht einmal zur Miete
reichen. Wär' nur die Frau erst wieder gesund!"

Er schüttelte die Flasche, daß Tröpfchen jämmerlich
zerstoßen wurde.

Tröpfchen.
Charakter und Bildung zu bewahren, um nicht ganz in
der großen Maſſe zu zerfließen. Manchmal kamen
Tiere zum Waſſer, um zu trinken, und Menſchen, um
zu ſchöpfen. Aber Tröpfchen wurde nicht getroffen.

Eines Abends jedoch fühlte es ſich auf einmal empor-
gehoben, und als es umſchaute, fielen die Strahlen der
untergehenden Sonne durch das Glas einer dunkelgrünen
Flaſche, in welcher es ſich unverſehens gefangen hatte.
Ein Mann hielt ſie gegen das Licht, er war noch jung,
aber bleich, und düſter war ſein Blick.

„Du haſt auch lange nichts geſehen als Waſſer,“
ſagte er zu der Flaſche.

„Jch dachte, es würde auf ein Maß Wein reichen
für die kranke Frau, aber bei der Ablöhnung — ja,
Mahlzeit! da gab’s einen Abzug dafür und einen
dafür — Und dabei muß man’s Maul halten, wenn
man nicht vor der Thür ſitzen will. Verdammt!“

Er nahm einen Zug aus der Flaſche. Tröpfchen
klammerte ſich ängſtlich an den Boden, um nicht ver-
ſchluckt werden.

Der Mann ſtellte die Flaſche neben ſich, holte eine
Pfeife heraus und ſuchte den letzten Tabak in ſeiner
Taſche zuſammen.

„Er iſt auch wieder teurer geworden,“ murrte er,
„kaum bringt man’s noch zu einer ordentlichen Pfeife.
Und bei allem Sparen will’s nicht einmal zur Miete
reichen. Wär’ nur die Frau erſt wieder geſund!“

Er ſchüttelte die Flaſche, daß Tröpfchen jämmerlich
zerſtoßen wurde.

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[222/0228] Tröpfchen. Charakter und Bildung zu bewahren, um nicht ganz in der großen Maſſe zu zerfließen. Manchmal kamen Tiere zum Waſſer, um zu trinken, und Menſchen, um zu ſchöpfen. Aber Tröpfchen wurde nicht getroffen. Eines Abends jedoch fühlte es ſich auf einmal empor- gehoben, und als es umſchaute, fielen die Strahlen der untergehenden Sonne durch das Glas einer dunkelgrünen Flaſche, in welcher es ſich unverſehens gefangen hatte. Ein Mann hielt ſie gegen das Licht, er war noch jung, aber bleich, und düſter war ſein Blick. „Du haſt auch lange nichts geſehen als Waſſer,“ ſagte er zu der Flaſche. „Jch dachte, es würde auf ein Maß Wein reichen für die kranke Frau, aber bei der Ablöhnung — ja, Mahlzeit! da gab’s einen Abzug dafür und einen dafür — Und dabei muß man’s Maul halten, wenn man nicht vor der Thür ſitzen will. Verdammt!“ Er nahm einen Zug aus der Flaſche. Tröpfchen klammerte ſich ängſtlich an den Boden, um nicht ver- ſchluckt werden. Der Mann ſtellte die Flaſche neben ſich, holte eine Pfeife heraus und ſuchte den letzten Tabak in ſeiner Taſche zuſammen. „Er iſt auch wieder teurer geworden,“ murrte er, „kaum bringt man’s noch zu einer ordentlichen Pfeife. Und bei allem Sparen will’s nicht einmal zur Miete reichen. Wär’ nur die Frau erſt wieder geſund!“ Er ſchüttelte die Flaſche, daß Tröpfchen jämmerlich zerſtoßen wurde.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/228>, abgerufen am 26.11.2024.