Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Der Traumfabrikant. phonisch verbunden und hörte bequem von seinem eigenenRuhebett aus die Reden, bezw. meldete sich dazu. Der beliebten Klage der Hausfrau wegen zu späten Nach- hausekommens war damit ein für allemal der Boden entzogen; andrerseits kam es allerdings vor, daß ein Redner mitten im Satze abbrach, weil ihm die Gattin das Telephon vom Munde nahm; aber man vermutete dann, er sei bei seinen eigenen Worten eingeschlafen, und ehrte ihn als patriotischen Mann, der das National- heiligtum des Schlafes hochhielt. Siebler war Witwer und hätte daher ruhig aus- Der Traumfabrikant. phoniſch verbunden und hörte bequem von ſeinem eigenenRuhebett aus die Reden, bezw. meldete ſich dazu. Der beliebten Klage der Hausfrau wegen zu ſpäten Nach- hauſekommens war damit ein für allemal der Boden entzogen; andrerſeits kam es allerdings vor, daß ein Redner mitten im Satze abbrach, weil ihm die Gattin das Telephon vom Munde nahm; aber man vermutete dann, er ſei bei ſeinen eigenen Worten eingeſchlafen, und ehrte ihn als patriotiſchen Mann, der das National- heiligtum des Schlafes hochhielt. Siebler war Witwer und hätte daher ruhig aus- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0149" n="143"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der Traumfabrikant.</hi></fw><lb/> phoniſch verbunden und hörte bequem von ſeinem eigenen<lb/> Ruhebett aus die Reden, bezw. meldete ſich dazu. Der<lb/> beliebten Klage der Hausfrau wegen zu ſpäten Nach-<lb/> hauſekommens war damit ein für allemal der Boden<lb/> entzogen; andrerſeits kam es allerdings vor, daß ein<lb/> Redner mitten im Satze abbrach, weil ihm die Gattin<lb/> das Telephon vom Munde nahm; aber man vermutete<lb/> dann, er ſei bei ſeinen eigenen Worten eingeſchlafen, und<lb/> ehrte ihn als patriotiſchen Mann, der das National-<lb/> heiligtum des Schlafes hochhielt.</p><lb/> <p>Siebler war Witwer und hätte daher ruhig aus-<lb/> reden können, wenn ſein Reden nicht ſo ſchlummerungs-<lb/> begeiſternd auf ihn ſelbſt gewirkt hätte. Aber während<lb/> alle ſeine Zuhörer bei ſeinen Worten in einen wahr-<lb/> haften Gähnjubel ausbrachen, lauſchte im Nebenzimmer<lb/> bangen Herzens ſeine Tochter Amalie den politiſchen<lb/> Ausführungen ihres eigenſinnigen Vaters. Jn ihre großen<lb/> braunen Augen kam kein Schlummer; unaufhörlich zer-<lb/> brach ſie ſich das blonde Köpfchen, wie ſie die eben ge-<lb/> hörten ſchroffen Anſichten mit ihren ſeit Monaten gehegten<lb/> Lieblingsplänen vereinigen könnte. Wie ſollte das werden?<lb/> Schon immer ſtanden der Vater und ihr heimlich ge-<lb/> liebter Dormio Forbach ſich als „Wohlmeinender“ und<lb/> „Gutmeinender“ politiſch verfeindet gegenüber, und das<lb/> war der Grund geweſen, warum Dormio noch nicht<lb/> gewagt hatte, um Amalie anzuhalten. Nun aber trat der<lb/> Vater auch noch gegen die privaten Jntereſſen ihres Dormio<lb/> auf, wenn er die Verſtaatlichung der Schlaf- und Traum-<lb/> anſtalten betrieb. Denn Dormio war <hi rendition="#g">Traumfabrikant.</hi></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [143/0149]
Der Traumfabrikant.
phoniſch verbunden und hörte bequem von ſeinem eigenen
Ruhebett aus die Reden, bezw. meldete ſich dazu. Der
beliebten Klage der Hausfrau wegen zu ſpäten Nach-
hauſekommens war damit ein für allemal der Boden
entzogen; andrerſeits kam es allerdings vor, daß ein
Redner mitten im Satze abbrach, weil ihm die Gattin
das Telephon vom Munde nahm; aber man vermutete
dann, er ſei bei ſeinen eigenen Worten eingeſchlafen, und
ehrte ihn als patriotiſchen Mann, der das National-
heiligtum des Schlafes hochhielt.
Siebler war Witwer und hätte daher ruhig aus-
reden können, wenn ſein Reden nicht ſo ſchlummerungs-
begeiſternd auf ihn ſelbſt gewirkt hätte. Aber während
alle ſeine Zuhörer bei ſeinen Worten in einen wahr-
haften Gähnjubel ausbrachen, lauſchte im Nebenzimmer
bangen Herzens ſeine Tochter Amalie den politiſchen
Ausführungen ihres eigenſinnigen Vaters. Jn ihre großen
braunen Augen kam kein Schlummer; unaufhörlich zer-
brach ſie ſich das blonde Köpfchen, wie ſie die eben ge-
hörten ſchroffen Anſichten mit ihren ſeit Monaten gehegten
Lieblingsplänen vereinigen könnte. Wie ſollte das werden?
Schon immer ſtanden der Vater und ihr heimlich ge-
liebter Dormio Forbach ſich als „Wohlmeinender“ und
„Gutmeinender“ politiſch verfeindet gegenüber, und das
war der Grund geweſen, warum Dormio noch nicht
gewagt hatte, um Amalie anzuhalten. Nun aber trat der
Vater auch noch gegen die privaten Jntereſſen ihres Dormio
auf, wenn er die Verſtaatlichung der Schlaf- und Traum-
anſtalten betrieb. Denn Dormio war Traumfabrikant.
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