Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.Musen und Weise. Salon im schönsten Schmucke, jede Muse hielt ihrefrischgeputzten Embleme in der Hand und kam sich nur um wenig ungemütlicher vor, als bei dem Kaffee, bei welchem sie unter sich gewesen waren. Endlich öffnete sich die Thür und eine Anzahl ehrwürdiger Männer trat ein, welche sich als die Weisen Griechenlands vor- stellten. Aber wie erstaunten die Musen, als sie nicht sieben, sondern acht Herren erblickten; denn außer den oben Genannten war auch noch Myson gekommen. "Welcher von den Herren," fragte Klio, "ist denn "Dieser da!" antwortete Periander, der Tyrann von "Jch bitte um Verzeihung," entgegnete dieser, "aber "Er ist ein Bauer," sagte Periander verächtlich, "Das ist Weisheit genug," erwiderte Myson, "und Periander, der sich getroffen fühlte, wollte sich un- Muſen und Weiſe. Salon im ſchönſten Schmucke, jede Muſe hielt ihrefriſchgeputzten Embleme in der Hand und kam ſich nur um wenig ungemütlicher vor, als bei dem Kaffee, bei welchem ſie unter ſich geweſen waren. Endlich öffnete ſich die Thür und eine Anzahl ehrwürdiger Männer trat ein, welche ſich als die Weiſen Griechenlands vor- ſtellten. Aber wie erſtaunten die Muſen, als ſie nicht ſieben, ſondern acht Herren erblickten; denn außer den oben Genannten war auch noch Myſon gekommen. „Welcher von den Herren,“ fragte Klio, „iſt denn „Dieſer da!“ antwortete Periander, der Tyrann von „Jch bitte um Verzeihung,“ entgegnete dieſer, „aber „Er iſt ein Bauer,“ ſagte Periander verächtlich, „Das iſt Weisheit genug,“ erwiderte Myſon, „und Periander, der ſich getroffen fühlte, wollte ſich un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0130" n="124"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Muſen und Weiſe.</hi></fw><lb/> Salon im ſchönſten Schmucke, jede Muſe hielt ihre<lb/> friſchgeputzten Embleme in der Hand und kam ſich nur<lb/> um wenig ungemütlicher vor, als bei dem Kaffee, bei<lb/> welchem ſie unter ſich geweſen waren. Endlich öffnete<lb/> ſich die Thür und eine Anzahl ehrwürdiger Männer<lb/> trat ein, welche ſich als die Weiſen Griechenlands vor-<lb/> ſtellten. Aber wie erſtaunten die Muſen, als ſie nicht<lb/> ſieben, ſondern <hi rendition="#g">acht</hi> Herren erblickten; denn außer den<lb/> oben Genannten war auch noch <hi rendition="#g">Myſon</hi> gekommen.</p><lb/> <p>„Welcher von den Herren,“ fragte Klio, „iſt denn<lb/><hi rendition="#g">kein</hi> Weiſer?“</p><lb/> <p>„Dieſer da!“ antwortete Periander, der Tyrann von<lb/> Korinth, indem er mit finſterer und ſtolzer Miene auf<lb/> Myſon wies.</p><lb/> <p>„Jch bitte um Verzeihung,“ entgegnete dieſer, „aber<lb/> ich bin ganz gewiß ein Weiſer, und zwar der richtige<lb/> ſiebente, wie geſchrieben ſteht bei Platon im Protagoras,<lb/> und dieſer muß es doch wiſſen.“</p><lb/> <p>„Er iſt ein Bauer,“ ſagte Periander verächtlich,<lb/> „der weiter nichts kann, als ins Blaue ſtarren und<lb/> lachen.“</p><lb/> <p>„Das iſt Weisheit genug,“ erwiderte Myſon, „und<lb/> jedenfalls beſſer, als andere zu Thränen zwingen. Eure<lb/> Hoheit werden geſtehen müſſen, daß ſeine Gemahlin mit<lb/> der Fußbank totwerfen oder Bäuerinnen Feiertags ihren<lb/> Goldſchmuck wegnehmen, Handlungen ſind, welche<lb/> einem Weiſen ſicherlich weniger anſtehen, als das<lb/> Lachen.“</p><lb/> <p>Periander, der ſich getroffen fühlte, wollte ſich un-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [124/0130]
Muſen und Weiſe.
Salon im ſchönſten Schmucke, jede Muſe hielt ihre
friſchgeputzten Embleme in der Hand und kam ſich nur
um wenig ungemütlicher vor, als bei dem Kaffee, bei
welchem ſie unter ſich geweſen waren. Endlich öffnete
ſich die Thür und eine Anzahl ehrwürdiger Männer
trat ein, welche ſich als die Weiſen Griechenlands vor-
ſtellten. Aber wie erſtaunten die Muſen, als ſie nicht
ſieben, ſondern acht Herren erblickten; denn außer den
oben Genannten war auch noch Myſon gekommen.
„Welcher von den Herren,“ fragte Klio, „iſt denn
kein Weiſer?“
„Dieſer da!“ antwortete Periander, der Tyrann von
Korinth, indem er mit finſterer und ſtolzer Miene auf
Myſon wies.
„Jch bitte um Verzeihung,“ entgegnete dieſer, „aber
ich bin ganz gewiß ein Weiſer, und zwar der richtige
ſiebente, wie geſchrieben ſteht bei Platon im Protagoras,
und dieſer muß es doch wiſſen.“
„Er iſt ein Bauer,“ ſagte Periander verächtlich,
„der weiter nichts kann, als ins Blaue ſtarren und
lachen.“
„Das iſt Weisheit genug,“ erwiderte Myſon, „und
jedenfalls beſſer, als andere zu Thränen zwingen. Eure
Hoheit werden geſtehen müſſen, daß ſeine Gemahlin mit
der Fußbank totwerfen oder Bäuerinnen Feiertags ihren
Goldſchmuck wegnehmen, Handlungen ſind, welche
einem Weiſen ſicherlich weniger anſtehen, als das
Lachen.“
Periander, der ſich getroffen fühlte, wollte ſich un-
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