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Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890.

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Musen und Weise.
Salon im schönsten Schmucke, jede Muse hielt ihre
frischgeputzten Embleme in der Hand und kam sich nur
um wenig ungemütlicher vor, als bei dem Kaffee, bei
welchem sie unter sich gewesen waren. Endlich öffnete
sich die Thür und eine Anzahl ehrwürdiger Männer
trat ein, welche sich als die Weisen Griechenlands vor-
stellten. Aber wie erstaunten die Musen, als sie nicht
sieben, sondern acht Herren erblickten; denn außer den
oben Genannten war auch noch Myson gekommen.

"Welcher von den Herren," fragte Klio, "ist denn
kein Weiser?"

"Dieser da!" antwortete Periander, der Tyrann von
Korinth, indem er mit finsterer und stolzer Miene auf
Myson wies.

"Jch bitte um Verzeihung," entgegnete dieser, "aber
ich bin ganz gewiß ein Weiser, und zwar der richtige
siebente, wie geschrieben steht bei Platon im Protagoras,
und dieser muß es doch wissen."

"Er ist ein Bauer," sagte Periander verächtlich,
"der weiter nichts kann, als ins Blaue starren und
lachen."

"Das ist Weisheit genug," erwiderte Myson, "und
jedenfalls besser, als andere zu Thränen zwingen. Eure
Hoheit werden gestehen müssen, daß seine Gemahlin mit
der Fußbank totwerfen oder Bäuerinnen Feiertags ihren
Goldschmuck wegnehmen, Handlungen sind, welche
einem Weisen sicherlich weniger anstehen, als das
Lachen."

Periander, der sich getroffen fühlte, wollte sich un-

Muſen und Weiſe.
Salon im ſchönſten Schmucke, jede Muſe hielt ihre
friſchgeputzten Embleme in der Hand und kam ſich nur
um wenig ungemütlicher vor, als bei dem Kaffee, bei
welchem ſie unter ſich geweſen waren. Endlich öffnete
ſich die Thür und eine Anzahl ehrwürdiger Männer
trat ein, welche ſich als die Weiſen Griechenlands vor-
ſtellten. Aber wie erſtaunten die Muſen, als ſie nicht
ſieben, ſondern acht Herren erblickten; denn außer den
oben Genannten war auch noch Myſon gekommen.

„Welcher von den Herren,“ fragte Klio, „iſt denn
kein Weiſer?“

„Dieſer da!“ antwortete Periander, der Tyrann von
Korinth, indem er mit finſterer und ſtolzer Miene auf
Myſon wies.

„Jch bitte um Verzeihung,“ entgegnete dieſer, „aber
ich bin ganz gewiß ein Weiſer, und zwar der richtige
ſiebente, wie geſchrieben ſteht bei Platon im Protagoras,
und dieſer muß es doch wiſſen.“

„Er iſt ein Bauer,“ ſagte Periander verächtlich,
„der weiter nichts kann, als ins Blaue ſtarren und
lachen.“

„Das iſt Weisheit genug,“ erwiderte Myſon, „und
jedenfalls beſſer, als andere zu Thränen zwingen. Eure
Hoheit werden geſtehen müſſen, daß ſeine Gemahlin mit
der Fußbank totwerfen oder Bäuerinnen Feiertags ihren
Goldſchmuck wegnehmen, Handlungen ſind, welche
einem Weiſen ſicherlich weniger anſtehen, als das
Lachen.“

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[124/0130] Muſen und Weiſe. Salon im ſchönſten Schmucke, jede Muſe hielt ihre friſchgeputzten Embleme in der Hand und kam ſich nur um wenig ungemütlicher vor, als bei dem Kaffee, bei welchem ſie unter ſich geweſen waren. Endlich öffnete ſich die Thür und eine Anzahl ehrwürdiger Männer trat ein, welche ſich als die Weiſen Griechenlands vor- ſtellten. Aber wie erſtaunten die Muſen, als ſie nicht ſieben, ſondern acht Herren erblickten; denn außer den oben Genannten war auch noch Myſon gekommen. „Welcher von den Herren,“ fragte Klio, „iſt denn kein Weiſer?“ „Dieſer da!“ antwortete Periander, der Tyrann von Korinth, indem er mit finſterer und ſtolzer Miene auf Myſon wies. „Jch bitte um Verzeihung,“ entgegnete dieſer, „aber ich bin ganz gewiß ein Weiſer, und zwar der richtige ſiebente, wie geſchrieben ſteht bei Platon im Protagoras, und dieſer muß es doch wiſſen.“ „Er iſt ein Bauer,“ ſagte Periander verächtlich, „der weiter nichts kann, als ins Blaue ſtarren und lachen.“ „Das iſt Weisheit genug,“ erwiderte Myſon, „und jedenfalls beſſer, als andere zu Thränen zwingen. Eure Hoheit werden geſtehen müſſen, daß ſeine Gemahlin mit der Fußbank totwerfen oder Bäuerinnen Feiertags ihren Goldſchmuck wegnehmen, Handlungen ſind, welche einem Weiſen ſicherlich weniger anſtehen, als das Lachen.“ Periander, der ſich getroffen fühlte, wollte ſich un-

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Seifenblasen. Hamburg, 1890, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_seife_1890/130>, abgerufen am 03.05.2024.