Freiheit gar nicht gelten, weil sie sie nicht kennen. Sie setzen ihre Ehre in Aeußerlichkeiten. Jch kann mir denken, wie schwer es Jhnen sein mußte, in dieser Gesellschaft zu leben."
"Jch kann auch nicht in ihr leben", erwiderte Ell. "Für sie besteht die Ehre eines Menschen in dem, was andre von ihm halten und sagen; deswegen glauben sie auch, sie könnte durch Beleidigungen vernichtet, durch rohe Gewalt wieder hergestellt werden. Als ob mich der Wille eines andern erniedrigen könnte, als ob es nicht die größte Selbsterniedrigung wäre, die eigne Vernunftbestimmung der fremden Meinung unter- zuordnen! Und da ich in ihr leben mußte, so war mein inneres, wahres Leben eine Lüge in ihrem Sinne, eine Umgehung ihrer konventionellen Sitten. Doch das ist das Wenigste, das ist für mich nur unangenehm, für meine Freunde beschwerlich. Aber das Unerträg- liche, das Schmerzende liegt in dem Gedanken, daß diese Millionen und aber Millionen vernünftiger Wesen durch ihre bloße Dummheit, durch die mangelhafte Entwicklung ihres Gehirns, durch die fehlende Bildung in einem Zustande gehalten werden, der sie schwach, elend, unglücklich, unzufrieden und ungerecht macht. Denn sie sind nicht böse. Sie wollen das Gute, sie wollen die Freiheit. Jhr Gefühl ist lebendig und warm. Darin sind sie uns gleichstehend; die Jdee des Guten, als die Selbstbestimmung, durch die wir Vernunftwesen sind, ist in ihnen wirksam wie in uns, insofern sind sie unsre Brüder. Aus der Menschheit erblühten Religionen tiefster Wahrhaftigkeit und Kraft,
Jdeale.
Freiheit gar nicht gelten, weil ſie ſie nicht kennen. Sie ſetzen ihre Ehre in Aeußerlichkeiten. Jch kann mir denken, wie ſchwer es Jhnen ſein mußte, in dieſer Geſellſchaft zu leben.‟
„Jch kann auch nicht in ihr leben‟, erwiderte Ell. „Für ſie beſteht die Ehre eines Menſchen in dem, was andre von ihm halten und ſagen; deswegen glauben ſie auch, ſie könnte durch Beleidigungen vernichtet, durch rohe Gewalt wieder hergeſtellt werden. Als ob mich der Wille eines andern erniedrigen könnte, als ob es nicht die größte Selbſterniedrigung wäre, die eigne Vernunftbeſtimmung der fremden Meinung unter- zuordnen! Und da ich in ihr leben mußte, ſo war mein inneres, wahres Leben eine Lüge in ihrem Sinne, eine Umgehung ihrer konventionellen Sitten. Doch das iſt das Wenigſte, das iſt für mich nur unangenehm, für meine Freunde beſchwerlich. Aber das Unerträg- liche, das Schmerzende liegt in dem Gedanken, daß dieſe Millionen und aber Millionen vernünftiger Weſen durch ihre bloße Dummheit, durch die mangelhafte Entwicklung ihres Gehirns, durch die fehlende Bildung in einem Zuſtande gehalten werden, der ſie ſchwach, elend, unglücklich, unzufrieden und ungerecht macht. Denn ſie ſind nicht böſe. Sie wollen das Gute, ſie wollen die Freiheit. Jhr Gefühl iſt lebendig und warm. Darin ſind ſie uns gleichſtehend; die Jdee des Guten, als die Selbſtbeſtimmung, durch die wir Vernunftweſen ſind, iſt in ihnen wirkſam wie in uns, inſofern ſind ſie unſre Brüder. Aus der Menſchheit erblühten Religionen tiefſter Wahrhaftigkeit und Kraft,
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Jdeale.
Freiheit gar nicht gelten, weil ſie ſie nicht kennen.
Sie ſetzen ihre Ehre in Aeußerlichkeiten. Jch kann
mir denken, wie ſchwer es Jhnen ſein mußte, in dieſer
Geſellſchaft zu leben.‟
„Jch kann auch nicht in ihr leben‟, erwiderte Ell.
„Für ſie beſteht die Ehre eines Menſchen in dem, was
andre von ihm halten und ſagen; deswegen glauben
ſie auch, ſie könnte durch Beleidigungen vernichtet,
durch rohe Gewalt wieder hergeſtellt werden. Als ob
mich der Wille eines andern erniedrigen könnte, als
ob es nicht die größte Selbſterniedrigung wäre, die
eigne Vernunftbeſtimmung der fremden Meinung unter-
zuordnen! Und da ich in ihr leben mußte, ſo war
mein inneres, wahres Leben eine Lüge in ihrem Sinne,
eine Umgehung ihrer konventionellen Sitten. Doch
das iſt das Wenigſte, das iſt für mich nur unangenehm,
für meine Freunde beſchwerlich. Aber das Unerträg-
liche, das Schmerzende liegt in dem Gedanken, daß
dieſe Millionen und aber Millionen vernünftiger Weſen
durch ihre bloße Dummheit, durch die mangelhafte
Entwicklung ihres Gehirns, durch die fehlende Bildung
in einem Zuſtande gehalten werden, der ſie ſchwach,
elend, unglücklich, unzufrieden und ungerecht macht.
Denn ſie ſind nicht böſe. Sie wollen das Gute, ſie
wollen die Freiheit. Jhr Gefühl iſt lebendig und
warm. Darin ſind ſie uns gleichſtehend; die Jdee
des Guten, als die Selbſtbeſtimmung, durch die wir
Vernunftweſen ſind, iſt in ihnen wirkſam wie in uns,
inſofern ſind ſie unſre Brüder. Aus der Menſchheit
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/97>, abgerufen am 24.11.2024.
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