Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtundfünfzigstes Kapitel.

"Wo?" fragte er bloß. Aber er wartete keine
Antwort ab. Es konnte ja nicht anders sein -- sie
war im Schiffe und das Schiff lag natürlich im
Garten. Mit einem Satze war er an der Thür der
Veranda und riß sie auf.

Hier lehnte Jsma am Geländer der Treppe.
Pochenden Herzens wartete sie auf den Erfolg von
Saltners Botschaft.

Einen Moment blieb Torm stehen, als er sie er-
kannte, nur einen Moment. Dann hielt er sie in
den Armen. Wie lange, sie wußten es nicht.

"Komm herein!" sagte er endlich. Noch vermochte
er nichts anderes zu sprechen. Er trug sie fast in
das Zimmer. Es war leer. Grunthe und Saltner
hatten es durch eine andere Thür verlassen.

Sie hielten sich an den Händen und blickten sich
an. Jsma zitterte. Die Thränen drängten sich in
ihre Augen. Das war er! Der von ihr geschieden
war in der blühendsten Kraft des Mannes, hoffnungs-
froh und siegesgewiß -- das Haar war ergraut, tiefe
Falten hatten Anstrengung und Sorge in seine Stirn
gegraben -- sie hätte Mühe gehabt, ihn wieder zu
erkennen -- aber die blauen Augen strahlten ihr in
der alten Jnnigkeit entgegen.

Sie schluchzte. "Jch habe Dich wieder!"

Wieder warf sie ihre Arme um seinen Hals, er
aber löste sich sanft und sah sie nun an mit einem
ernsten Blick voll Kummer und Liebe.

"Jsma", sagte er langsam, "Du weißt nicht, wen
Du umarmst."

Achtundfünfzigſtes Kapitel.

„Wo?‟ fragte er bloß. Aber er wartete keine
Antwort ab. Es konnte ja nicht anders ſein — ſie
war im Schiffe und das Schiff lag natürlich im
Garten. Mit einem Satze war er an der Thür der
Veranda und riß ſie auf.

Hier lehnte Jsma am Geländer der Treppe.
Pochenden Herzens wartete ſie auf den Erfolg von
Saltners Botſchaft.

Einen Moment blieb Torm ſtehen, als er ſie er-
kannte, nur einen Moment. Dann hielt er ſie in
den Armen. Wie lange, ſie wußten es nicht.

„Komm herein!‟ ſagte er endlich. Noch vermochte
er nichts anderes zu ſprechen. Er trug ſie faſt in
das Zimmer. Es war leer. Grunthe und Saltner
hatten es durch eine andere Thür verlaſſen.

Sie hielten ſich an den Händen und blickten ſich
an. Jsma zitterte. Die Thränen drängten ſich in
ihre Augen. Das war er! Der von ihr geſchieden
war in der blühendſten Kraft des Mannes, hoffnungs-
froh und ſiegesgewiß — das Haar war ergraut, tiefe
Falten hatten Anſtrengung und Sorge in ſeine Stirn
gegraben — ſie hätte Mühe gehabt, ihn wieder zu
erkennen — aber die blauen Augen ſtrahlten ihr in
der alten Jnnigkeit entgegen.

Sie ſchluchzte. „Jch habe Dich wieder!‟

Wieder warf ſie ihre Arme um ſeinen Hals, er
aber löſte ſich ſanft und ſah ſie nun an mit einem
ernſten Blick voll Kummer und Liebe.

„Jsma‟, ſagte er langſam, „Du weißt nicht, wen
Du umarmſt.‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0496" n="488"/>
          <fw place="top" type="header">Achtundfünfzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
          <p>&#x201E;Wo?&#x201F; fragte er bloß. Aber er wartete keine<lb/>
Antwort ab. Es konnte ja nicht anders &#x017F;ein &#x2014; &#x017F;ie<lb/>
war im Schiffe und das Schiff lag natürlich im<lb/>
Garten. Mit einem Satze war er an der Thür der<lb/>
Veranda und riß &#x017F;ie auf.</p><lb/>
          <p>Hier lehnte Jsma am Geländer der Treppe.<lb/>
Pochenden Herzens wartete &#x017F;ie auf den Erfolg von<lb/>
Saltners Bot&#x017F;chaft.</p><lb/>
          <p>Einen Moment blieb Torm &#x017F;tehen, als er &#x017F;ie er-<lb/>
kannte, nur einen Moment. Dann hielt er &#x017F;ie in<lb/>
den Armen. Wie lange, &#x017F;ie wußten es nicht.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Komm herein!&#x201F; &#x017F;agte er endlich. Noch vermochte<lb/>
er nichts anderes zu &#x017F;prechen. Er trug &#x017F;ie fa&#x017F;t in<lb/>
das Zimmer. Es war leer. Grunthe und Saltner<lb/>
hatten es durch eine andere Thür verla&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sie hielten &#x017F;ich an den Händen und blickten &#x017F;ich<lb/>
an. Jsma zitterte. Die Thränen drängten &#x017F;ich in<lb/>
ihre Augen. Das war er! Der von ihr ge&#x017F;chieden<lb/>
war in der blühend&#x017F;ten Kraft des Mannes, hoffnungs-<lb/>
froh und &#x017F;iegesgewiß &#x2014; das Haar war ergraut, tiefe<lb/>
Falten hatten An&#x017F;trengung und Sorge in &#x017F;eine Stirn<lb/>
gegraben &#x2014; &#x017F;ie hätte Mühe gehabt, ihn wieder zu<lb/>
erkennen &#x2014; aber die blauen Augen &#x017F;trahlten ihr in<lb/>
der alten Jnnigkeit entgegen.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;chluchzte. &#x201E;Jch habe Dich wieder!&#x201F;</p><lb/>
          <p>Wieder warf &#x017F;ie ihre Arme um &#x017F;einen Hals, er<lb/>
aber lö&#x017F;te &#x017F;ich &#x017F;anft und &#x017F;ah &#x017F;ie nun an mit einem<lb/>
ern&#x017F;ten Blick voll Kummer und Liebe.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jsma&#x201F;, &#x017F;agte er lang&#x017F;am, &#x201E;Du weißt nicht, wen<lb/>
Du umarm&#x017F;t.&#x201F;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[488/0496] Achtundfünfzigſtes Kapitel. „Wo?‟ fragte er bloß. Aber er wartete keine Antwort ab. Es konnte ja nicht anders ſein — ſie war im Schiffe und das Schiff lag natürlich im Garten. Mit einem Satze war er an der Thür der Veranda und riß ſie auf. Hier lehnte Jsma am Geländer der Treppe. Pochenden Herzens wartete ſie auf den Erfolg von Saltners Botſchaft. Einen Moment blieb Torm ſtehen, als er ſie er- kannte, nur einen Moment. Dann hielt er ſie in den Armen. Wie lange, ſie wußten es nicht. „Komm herein!‟ ſagte er endlich. Noch vermochte er nichts anderes zu ſprechen. Er trug ſie faſt in das Zimmer. Es war leer. Grunthe und Saltner hatten es durch eine andere Thür verlaſſen. Sie hielten ſich an den Händen und blickten ſich an. Jsma zitterte. Die Thränen drängten ſich in ihre Augen. Das war er! Der von ihr geſchieden war in der blühendſten Kraft des Mannes, hoffnungs- froh und ſiegesgewiß — das Haar war ergraut, tiefe Falten hatten Anſtrengung und Sorge in ſeine Stirn gegraben — ſie hätte Mühe gehabt, ihn wieder zu erkennen — aber die blauen Augen ſtrahlten ihr in der alten Jnnigkeit entgegen. Sie ſchluchzte. „Jch habe Dich wieder!‟ Wieder warf ſie ihre Arme um ſeinen Hals, er aber löſte ſich ſanft und ſah ſie nun an mit einem ernſten Blick voll Kummer und Liebe. „Jsma‟, ſagte er langſam, „Du weißt nicht, wen Du umarmſt.‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/496
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/496>, abgerufen am 22.11.2024.