Sie sprachen nicht mehr, sie liefen den Weg hinab. Jetzt brach der Regen in mächtigem Gusse los, im Augen- blick war der Weg mit rieselnden Bächlein bedeckt.
"Jch kann nicht mehr!" stöhnte Se.
La blieb stehen und sah sich um. "Da, dort!" rief sie.
Der Weg machte wieder eine Windung. Hier stand, mit dem Blicke ins Thal, ein kleiner Pavillon, nur aus Fichtenstämmchen kunstlos aufgezimmert und mit Baumrinde bedeckt; aus den ausgesparten Fenstern hatte man dieselbe Aussicht wie oben, nur beschränkter, jetzt aber blickte man auf nichts als strömende Wasser- massen. Hier fand man wenigstens einen notdürftigen Schutz gegen den Regen. Die Freundinnen eilten in die Hütte.
Als sie eintraten, erhob sich von der Bank an der einzigen Seite, die gegen den Regen und Wind ge- schützt war, der Herr, der vorhin an ihnen vorüber- gegangen war.
"O ich bitte", sagte La, "lassen Sie sich nicht stören, wir finden schon Platz."
Der Herr verbeugte sich nur höflich, verließ aber die Hütte. Er stellte sich vor derselben neben die Thür unter das vorspringende Dach.
Ein Blitz, dem betäubender Donner im Moment folgte, ließ die Martierinnen zusammenschrecken, sie sanken erschöpft auf die hölzerne Bank.
"Das ist schrecklich", sagte Se mit bebender Stimme. "Jch zittere am ganzen Körper. Jch will nichts mehr wissen von dieser Erde!"
52*
Jm Erdgewitter.
Sie ſprachen nicht mehr, ſie liefen den Weg hinab. Jetzt brach der Regen in mächtigem Guſſe los, im Augen- blick war der Weg mit rieſelnden Bächlein bedeckt.
„Jch kann nicht mehr!‟ ſtöhnte Se.
La blieb ſtehen und ſah ſich um. „Da, dort!‟ rief ſie.
Der Weg machte wieder eine Windung. Hier ſtand, mit dem Blicke ins Thal, ein kleiner Pavillon, nur aus Fichtenſtämmchen kunſtlos aufgezimmert und mit Baumrinde bedeckt; aus den ausgeſparten Fenſtern hatte man dieſelbe Ausſicht wie oben, nur beſchränkter, jetzt aber blickte man auf nichts als ſtrömende Waſſer- maſſen. Hier fand man wenigſtens einen notdürftigen Schutz gegen den Regen. Die Freundinnen eilten in die Hütte.
Als ſie eintraten, erhob ſich von der Bank an der einzigen Seite, die gegen den Regen und Wind ge- ſchützt war, der Herr, der vorhin an ihnen vorüber- gegangen war.
„O ich bitte‟, ſagte La, „laſſen Sie ſich nicht ſtören, wir finden ſchon Platz.‟
Der Herr verbeugte ſich nur höflich, verließ aber die Hütte. Er ſtellte ſich vor derſelben neben die Thür unter das vorſpringende Dach.
Ein Blitz, dem betäubender Donner im Moment folgte, ließ die Martierinnen zuſammenſchrecken, ſie ſanken erſchöpft auf die hölzerne Bank.
„Das iſt ſchrecklich‟, ſagte Se mit bebender Stimme. „Jch zittere am ganzen Körper. Jch will nichts mehr wiſſen von dieſer Erde!‟
52*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0411"n="403"/><fwplace="top"type="header">Jm Erdgewitter.</fw><lb/><p>Sie ſprachen nicht mehr, ſie liefen den Weg hinab.<lb/>
Jetzt brach der Regen in mächtigem Guſſe los, im Augen-<lb/>
blick war der Weg mit rieſelnden Bächlein bedeckt.</p><lb/><p>„Jch kann nicht mehr!‟ſtöhnte Se.</p><lb/><p>La blieb ſtehen und ſah ſich um. „Da, dort!‟<lb/>
rief ſie.</p><lb/><p>Der Weg machte wieder eine Windung. Hier ſtand,<lb/>
mit dem Blicke ins Thal, ein kleiner Pavillon, nur<lb/>
aus Fichtenſtämmchen kunſtlos aufgezimmert und mit<lb/>
Baumrinde bedeckt; aus den ausgeſparten Fenſtern<lb/>
hatte man dieſelbe Ausſicht wie oben, nur beſchränkter,<lb/>
jetzt aber blickte man auf nichts als ſtrömende Waſſer-<lb/>
maſſen. Hier fand man wenigſtens einen notdürftigen<lb/>
Schutz gegen den Regen. Die Freundinnen eilten in<lb/>
die Hütte.</p><lb/><p>Als ſie eintraten, erhob ſich von der Bank an der<lb/>
einzigen Seite, die gegen den Regen und Wind ge-<lb/>ſchützt war, der Herr, der vorhin an ihnen vorüber-<lb/>
gegangen war.</p><lb/><p>„O ich bitte‟, ſagte La, „laſſen Sie ſich nicht<lb/>ſtören, wir finden ſchon Platz.‟</p><lb/><p>Der Herr verbeugte ſich nur höflich, verließ aber<lb/>
die Hütte. Er ſtellte ſich vor derſelben neben die<lb/>
Thür unter das vorſpringende Dach.</p><lb/><p>Ein Blitz, dem betäubender Donner im Moment<lb/>
folgte, ließ die Martierinnen zuſammenſchrecken, ſie<lb/>ſanken erſchöpft auf die hölzerne Bank.</p><lb/><p>„Das iſt ſchrecklich‟, ſagte Se mit bebender Stimme.<lb/>„Jch zittere am ganzen Körper. Jch will nichts mehr<lb/>
wiſſen von dieſer Erde!‟</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">52*</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[403/0411]
Jm Erdgewitter.
Sie ſprachen nicht mehr, ſie liefen den Weg hinab.
Jetzt brach der Regen in mächtigem Guſſe los, im Augen-
blick war der Weg mit rieſelnden Bächlein bedeckt.
„Jch kann nicht mehr!‟ ſtöhnte Se.
La blieb ſtehen und ſah ſich um. „Da, dort!‟
rief ſie.
Der Weg machte wieder eine Windung. Hier ſtand,
mit dem Blicke ins Thal, ein kleiner Pavillon, nur
aus Fichtenſtämmchen kunſtlos aufgezimmert und mit
Baumrinde bedeckt; aus den ausgeſparten Fenſtern
hatte man dieſelbe Ausſicht wie oben, nur beſchränkter,
jetzt aber blickte man auf nichts als ſtrömende Waſſer-
maſſen. Hier fand man wenigſtens einen notdürftigen
Schutz gegen den Regen. Die Freundinnen eilten in
die Hütte.
Als ſie eintraten, erhob ſich von der Bank an der
einzigen Seite, die gegen den Regen und Wind ge-
ſchützt war, der Herr, der vorhin an ihnen vorüber-
gegangen war.
„O ich bitte‟, ſagte La, „laſſen Sie ſich nicht
ſtören, wir finden ſchon Platz.‟
Der Herr verbeugte ſich nur höflich, verließ aber
die Hütte. Er ſtellte ſich vor derſelben neben die
Thür unter das vorſpringende Dach.
Ein Blitz, dem betäubender Donner im Moment
folgte, ließ die Martierinnen zuſammenſchrecken, ſie
ſanken erſchöpft auf die hölzerne Bank.
„Das iſt ſchrecklich‟, ſagte Se mit bebender Stimme.
„Jch zittere am ganzen Körper. Jch will nichts mehr
wiſſen von dieſer Erde!‟
52*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/411>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.