Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Einundfünfzigstes Kapitel.
oder! Jn dem Schleier können wir überhaupt nicht
essen. Wir drehen dem Publikum den Rücken zu und
nehmen die Schleier ab. Jch stelle mir jetzt vor, ein
Mensch zu sein!"

Und mit einem kühnen Entschluß löste La den
Schleier von ihrem Gesicht und begann zu essen.

"Es ist wirklich gut", sagte sie. "Es ist fett und
schmeckt wie Al-Keht. Versuch es nur!"

Se sah ihr gespannt zu. Sie bewunderte die
Seelengröße der Freundin, aber sie konnte sich nicht zu
dem gleichen Opfer für die Menschheit entschließen.

"Es ist zu viel", sagte La.

"So wollen wir gehen. Die Leute sehen uns zu.
Himmel, da draußen geht ein Nume vorüber."

Se drehte sich schnell um, indem sie den Schleier
zu befestigen suchte. Jndessen bezahlte La und sie
verließen das Lokal.

Die beiden Herren waren ihnen gefolgt. Als Se
und La auf der Straße stehen blieben, um sich nach einer
Droschke umzublicken, trat einer der Herren an sie heran.

"Die Damen sind fremd und wissen den Weg
nicht", sagte er den Hut lüftend, "dürfte ich vielleicht
die Ehre haben --"

Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, wendeten
sie ihm den Rücken zu und setzten ihren Weg fort.
Sie bemerkten alsbald, daß die beiden ihnen unter
anzüglichen Bemerkungen folgten.

"Das ist ja eine unverschämte Gesellschaft", sagte
Se -- "es ist wirklich recht nett hier unter den Baten,
man kann sich nicht einmal frei bewegen."

Einundfünfzigſtes Kapitel.
oder! Jn dem Schleier können wir überhaupt nicht
eſſen. Wir drehen dem Publikum den Rücken zu und
nehmen die Schleier ab. Jch ſtelle mir jetzt vor, ein
Menſch zu ſein!‟

Und mit einem kühnen Entſchluß löſte La den
Schleier von ihrem Geſicht und begann zu eſſen.

„Es iſt wirklich gut‟, ſagte ſie. „Es iſt fett und
ſchmeckt wie Al-Keht. Verſuch es nur!‟

Se ſah ihr geſpannt zu. Sie bewunderte die
Seelengröße der Freundin, aber ſie konnte ſich nicht zu
dem gleichen Opfer für die Menſchheit entſchließen.

„Es iſt zu viel‟, ſagte La.

„So wollen wir gehen. Die Leute ſehen uns zu.
Himmel, da draußen geht ein Nume vorüber.‟

Se drehte ſich ſchnell um, indem ſie den Schleier
zu befeſtigen ſuchte. Jndeſſen bezahlte La und ſie
verließen das Lokal.

Die beiden Herren waren ihnen gefolgt. Als Se
und La auf der Straße ſtehen blieben, um ſich nach einer
Droſchke umzublicken, trat einer der Herren an ſie heran.

„Die Damen ſind fremd und wiſſen den Weg
nicht‟, ſagte er den Hut lüftend, „dürfte ich vielleicht
die Ehre haben —‟

Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, wendeten
ſie ihm den Rücken zu und ſetzten ihren Weg fort.
Sie bemerkten alsbald, daß die beiden ihnen unter
anzüglichen Bemerkungen folgten.

„Das iſt ja eine unverſchämte Geſellſchaft‟, ſagte
Se — „es iſt wirklich recht nett hier unter den Baten,
man kann ſich nicht einmal frei bewegen.‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0392" n="384"/><fw place="top" type="header">Einundfünfzig&#x017F;tes Kapitel.</fw><lb/>
oder! Jn dem Schleier können wir überhaupt nicht<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en. Wir drehen dem Publikum den Rücken zu und<lb/>
nehmen die Schleier ab. Jch &#x017F;telle mir jetzt vor, ein<lb/>
Men&#x017F;ch zu &#x017F;ein!&#x201F;</p><lb/>
          <p>Und mit einem kühnen Ent&#x017F;chluß lö&#x017F;te La den<lb/>
Schleier von ihrem Ge&#x017F;icht und begann zu e&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es i&#x017F;t wirklich gut&#x201F;, &#x017F;agte &#x017F;ie. &#x201E;Es i&#x017F;t fett und<lb/>
&#x017F;chmeckt wie Al-Keht. Ver&#x017F;uch es nur!&#x201F;</p><lb/>
          <p>Se &#x017F;ah ihr ge&#x017F;pannt zu. Sie bewunderte die<lb/>
Seelengröße der Freundin, aber &#x017F;ie konnte &#x017F;ich nicht zu<lb/>
dem gleichen Opfer für die Men&#x017F;chheit ent&#x017F;chließen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es i&#x017F;t zu viel&#x201F;, &#x017F;agte La.</p><lb/>
          <p>&#x201E;So wollen wir gehen. Die Leute &#x017F;ehen uns zu.<lb/>
Himmel, da draußen geht ein Nume vorüber.&#x201F;</p><lb/>
          <p>Se drehte &#x017F;ich &#x017F;chnell um, indem &#x017F;ie den Schleier<lb/>
zu befe&#x017F;tigen &#x017F;uchte. Jnde&#x017F;&#x017F;en bezahlte La und &#x017F;ie<lb/>
verließen das Lokal.</p><lb/>
          <p>Die beiden Herren waren ihnen gefolgt. Als Se<lb/>
und La auf der Straße &#x017F;tehen blieben, um &#x017F;ich nach einer<lb/>
Dro&#x017F;chke umzublicken, trat einer der Herren an &#x017F;ie heran.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Damen &#x017F;ind fremd und wi&#x017F;&#x017F;en den Weg<lb/>
nicht&#x201F;, &#x017F;agte er den Hut lüftend, &#x201E;dürfte ich vielleicht<lb/>
die Ehre haben &#x2014;&#x201F;</p><lb/>
          <p>Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, wendeten<lb/>
&#x017F;ie ihm den Rücken zu und &#x017F;etzten ihren Weg fort.<lb/>
Sie bemerkten alsbald, daß die beiden ihnen unter<lb/>
anzüglichen Bemerkungen folgten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t ja eine unver&#x017F;chämte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft&#x201F;, &#x017F;agte<lb/>
Se &#x2014; &#x201E;es i&#x017F;t wirklich recht nett hier unter den Baten,<lb/>
man kann &#x017F;ich nicht einmal frei bewegen.&#x201F;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0392] Einundfünfzigſtes Kapitel. oder! Jn dem Schleier können wir überhaupt nicht eſſen. Wir drehen dem Publikum den Rücken zu und nehmen die Schleier ab. Jch ſtelle mir jetzt vor, ein Menſch zu ſein!‟ Und mit einem kühnen Entſchluß löſte La den Schleier von ihrem Geſicht und begann zu eſſen. „Es iſt wirklich gut‟, ſagte ſie. „Es iſt fett und ſchmeckt wie Al-Keht. Verſuch es nur!‟ Se ſah ihr geſpannt zu. Sie bewunderte die Seelengröße der Freundin, aber ſie konnte ſich nicht zu dem gleichen Opfer für die Menſchheit entſchließen. „Es iſt zu viel‟, ſagte La. „So wollen wir gehen. Die Leute ſehen uns zu. Himmel, da draußen geht ein Nume vorüber.‟ Se drehte ſich ſchnell um, indem ſie den Schleier zu befeſtigen ſuchte. Jndeſſen bezahlte La und ſie verließen das Lokal. Die beiden Herren waren ihnen gefolgt. Als Se und La auf der Straße ſtehen blieben, um ſich nach einer Droſchke umzublicken, trat einer der Herren an ſie heran. „Die Damen ſind fremd und wiſſen den Weg nicht‟, ſagte er den Hut lüftend, „dürfte ich vielleicht die Ehre haben —‟ Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, wendeten ſie ihm den Rücken zu und ſetzten ihren Weg fort. Sie bemerkten alsbald, daß die beiden ihnen unter anzüglichen Bemerkungen folgten. „Das iſt ja eine unverſchämte Geſellſchaft‟, ſagte Se — „es iſt wirklich recht nett hier unter den Baten, man kann ſich nicht einmal frei bewegen.‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/392
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/392>, abgerufen am 26.06.2024.