in sehr hohen Schichten sein müßten, und ich geriet in große Sorge, ob mein Vorrat ausreichen würde. Endlich, nach mehr als zehnstündiger Fahrt, als ich schon über- legte, ob ich mich nicht, um dem Erstickungstode zu entgehen, den Martiern ergeben sollte, erkannte ich zu meiner unbeschreiblichen Freude an der Veränderung der Luft, daß das Schiff sich senke. Bald hörte ich auch aus dem veränderten Geräusche, daß es mit Segel- flug arbeite. Jch schloß daraus, daß man eine Landungs- stelle suche und sich also nicht einem der gewohnten Anlegeplätze nähere.
Können Sie sich meinen Zustand, meine nervöse Erregung vorstellen? Seit zehn Stunden im Finstern eingeschlossen, zuletzt unter Atemnot, in fortwährender Gefahr entdeckt zu werden, ohne zu wissen, wohin die Reise geht, wo ich das Licht des Tages wieder er- blicken werde, und wie es mir möglich werden wird, unbemerkt dem Schiffe zu entfliehen! Jch suchte mir einen Plan zu machen -- aber wo würde ich mich dann befinden? Der Zeit nach zu schließen mußten wir sechs bis siebentausend Kilometer zurückgelegt haben. Jch konnte in Alexandria sein oder in New- Orleans, ebenso gut auch in der Sahara oder in China. Wie sollte ich dann weiterkommen, falls ich den Martiern entfliehen konnte? Jch mußte alles vom Augenblick abhängig machen.
Endlich verstummte das Geräusch der Fahrt, ich fühlte den Landungsstoß, das Schiff ruhte. Es kam nun darauf an, ob es die Martier verlassen würden. Wenn ich wenigstens gewußt hätte, ob es Tag oder
Torms Flucht.
in ſehr hohen Schichten ſein müßten, und ich geriet in große Sorge, ob mein Vorrat ausreichen würde. Endlich, nach mehr als zehnſtündiger Fahrt, als ich ſchon über- legte, ob ich mich nicht, um dem Erſtickungstode zu entgehen, den Martiern ergeben ſollte, erkannte ich zu meiner unbeſchreiblichen Freude an der Veränderung der Luft, daß das Schiff ſich ſenke. Bald hörte ich auch aus dem veränderten Geräuſche, daß es mit Segel- flug arbeite. Jch ſchloß daraus, daß man eine Landungs- ſtelle ſuche und ſich alſo nicht einem der gewohnten Anlegeplätze nähere.
Können Sie ſich meinen Zuſtand, meine nervöſe Erregung vorſtellen? Seit zehn Stunden im Finſtern eingeſchloſſen, zuletzt unter Atemnot, in fortwährender Gefahr entdeckt zu werden, ohne zu wiſſen, wohin die Reiſe geht, wo ich das Licht des Tages wieder er- blicken werde, und wie es mir möglich werden wird, unbemerkt dem Schiffe zu entfliehen! Jch ſuchte mir einen Plan zu machen — aber wo würde ich mich dann befinden? Der Zeit nach zu ſchließen mußten wir ſechs bis ſiebentauſend Kilometer zurückgelegt haben. Jch konnte in Alexandria ſein oder in New- Orleans, ebenſo gut auch in der Sahara oder in China. Wie ſollte ich dann weiterkommen, falls ich den Martiern entfliehen konnte? Jch mußte alles vom Augenblick abhängig machen.
Endlich verſtummte das Geräuſch der Fahrt, ich fühlte den Landungsſtoß, das Schiff ruhte. Es kam nun darauf an, ob es die Martier verlaſſen würden. Wenn ich wenigſtens gewußt hätte, ob es Tag oder
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Torms Flucht.
in ſehr hohen Schichten ſein müßten, und ich geriet in
große Sorge, ob mein Vorrat ausreichen würde. Endlich,
nach mehr als zehnſtündiger Fahrt, als ich ſchon über-
legte, ob ich mich nicht, um dem Erſtickungstode zu
entgehen, den Martiern ergeben ſollte, erkannte ich zu
meiner unbeſchreiblichen Freude an der Veränderung
der Luft, daß das Schiff ſich ſenke. Bald hörte ich
auch aus dem veränderten Geräuſche, daß es mit Segel-
flug arbeite. Jch ſchloß daraus, daß man eine Landungs-
ſtelle ſuche und ſich alſo nicht einem der gewohnten
Anlegeplätze nähere.
Können Sie ſich meinen Zuſtand, meine nervöſe
Erregung vorſtellen? Seit zehn Stunden im Finſtern
eingeſchloſſen, zuletzt unter Atemnot, in fortwährender
Gefahr entdeckt zu werden, ohne zu wiſſen, wohin die
Reiſe geht, wo ich das Licht des Tages wieder er-
blicken werde, und wie es mir möglich werden wird,
unbemerkt dem Schiffe zu entfliehen! Jch ſuchte mir
einen Plan zu machen — aber wo würde ich mich
dann befinden? Der Zeit nach zu ſchließen mußten
wir ſechs bis ſiebentauſend Kilometer zurückgelegt
haben. Jch konnte in Alexandria ſein oder in New-
Orleans, ebenſo gut auch in der Sahara oder in
China. Wie ſollte ich dann weiterkommen, falls ich
den Martiern entfliehen konnte? Jch mußte alles
vom Augenblick abhängig machen.
Endlich verſtummte das Geräuſch der Fahrt, ich
fühlte den Landungsſtoß, das Schiff ruhte. Es kam
nun darauf an, ob es die Martier verlaſſen würden.
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 2. Weimar, 1897, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten02_1897/273>, abgerufen am 22.11.2024.
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