eines Luftballons hatte. Es schien den Menschen, als müßte die freischwebende Riesenmasse sie im näch- sten Augenblicke zerschmettern.
Jn den ersten Sekunden bemerkte man kaum, daß das Raumschiff sich bewege, denn die Abweichung von der Erdbahn, welche in der ersten Sekunde nur 3 Milli- meter beträgt, steigt nach 10 Sekunden erst auf 30 Zentimeter. Nach einer Minute aber war die Entfernung schon auf elf Meter gewachsen. Die Kugel passierte jetzt den Rand der Galerie und schwebte frei über der unendlichen Tiefe, 6300 Kilometer hoch über der Erde. Selbst die geübten Luftschiffer Grunthe und Saltner überkam ein beängstigendes Gefühl, als sie das Schiff so ganz langsam, ohne jede bemerkbare Triebkraft, über den Abgrund ziehen sahen. Schon wuchs die Entfernung merklicher. Nach zwei Minuten war es 44, nach drei Minuten 100 Meter entfernt, und immermehr verschwanden die wehenden Tücher. Genau in der Richtung der Sonnenstrahlen, sanft nach unten geneigt, hart am Rande des -- übrigens im leeren Raum nicht sichtbaren -- Schattens des Ringes zog das Schiff hin. Die Kugel wurde sichtlich kleiner; nach zehn Minuten hatte sie einen Abstand von 1100 Meter erreicht.
"Es ist nun hier weiter nichts mehr zu sehen", sagte Hil zu Saltner. "Wenn es Jhnen recht ist, werfen wir jetzt einen Blick auf die Erde durch unsern großen Apparat."
"Wie lange kann man den "Komet" noch erblicken?" fragte Grunthe.
Sechzehntes Kapitel.
eines Luftballons hatte. Es ſchien den Menſchen, als müßte die freiſchwebende Rieſenmaſſe ſie im näch- ſten Augenblicke zerſchmettern.
Jn den erſten Sekunden bemerkte man kaum, daß das Raumſchiff ſich bewege, denn die Abweichung von der Erdbahn, welche in der erſten Sekunde nur 3 Milli- meter beträgt, ſteigt nach 10 Sekunden erſt auf 30 Zentimeter. Nach einer Minute aber war die Entfernung ſchon auf elf Meter gewachſen. Die Kugel paſſierte jetzt den Rand der Galerie und ſchwebte frei über der unendlichen Tiefe, 6300 Kilometer hoch über der Erde. Selbſt die geübten Luftſchiffer Grunthe und Saltner überkam ein beängſtigendes Gefühl, als ſie das Schiff ſo ganz langſam, ohne jede bemerkbare Triebkraft, über den Abgrund ziehen ſahen. Schon wuchs die Entfernung merklicher. Nach zwei Minuten war es 44, nach drei Minuten 100 Meter entfernt, und immermehr verſchwanden die wehenden Tücher. Genau in der Richtung der Sonnenſtrahlen, ſanft nach unten geneigt, hart am Rande des — übrigens im leeren Raum nicht ſichtbaren — Schattens des Ringes zog das Schiff hin. Die Kugel wurde ſichtlich kleiner; nach zehn Minuten hatte ſie einen Abſtand von 1100 Meter erreicht.
„Es iſt nun hier weiter nichts mehr zu ſehen‟, ſagte Hil zu Saltner. „Wenn es Jhnen recht iſt, werfen wir jetzt einen Blick auf die Erde durch unſern großen Apparat.‟
„Wie lange kann man den „Komet‟ noch erblicken?‟ fragte Grunthe.
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Sechzehntes Kapitel.
eines Luftballons hatte. Es ſchien den Menſchen,
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ſten Augenblicke zerſchmettern.
Jn den erſten Sekunden bemerkte man kaum, daß
das Raumſchiff ſich bewege, denn die Abweichung von
der Erdbahn, welche in der erſten Sekunde nur 3 Milli-
meter beträgt, ſteigt nach 10 Sekunden erſt auf
30 Zentimeter. Nach einer Minute aber war die
Entfernung ſchon auf elf Meter gewachſen. Die
Kugel paſſierte jetzt den Rand der Galerie und ſchwebte
frei über der unendlichen Tiefe, 6300 Kilometer hoch
über der Erde. Selbſt die geübten Luftſchiffer Grunthe
und Saltner überkam ein beängſtigendes Gefühl, als
ſie das Schiff ſo ganz langſam, ohne jede bemerkbare
Triebkraft, über den Abgrund ziehen ſahen. Schon
wuchs die Entfernung merklicher. Nach zwei Minuten
war es 44, nach drei Minuten 100 Meter entfernt,
und immermehr verſchwanden die wehenden Tücher.
Genau in der Richtung der Sonnenſtrahlen, ſanft nach
unten geneigt, hart am Rande des — übrigens im
leeren Raum nicht ſichtbaren — Schattens des Ringes
zog das Schiff hin. Die Kugel wurde ſichtlich kleiner;
nach zehn Minuten hatte ſie einen Abſtand von
1100 Meter erreicht.
„Es iſt nun hier weiter nichts mehr zu ſehen‟,
ſagte Hil zu Saltner. „Wenn es Jhnen recht iſt,
werfen wir jetzt einen Blick auf die Erde durch unſern
großen Apparat.‟
„Wie lange kann man den „Komet‟ noch erblicken?‟
fragte Grunthe.
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Laßwitz, Kurd: Auf zwei Planeten. Bd. 1. Weimar, 1897, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_planeten01_1897/248>, abgerufen am 22.11.2024.
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