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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Das Apriori bei Platon.
selben haben alle drei ihren Anteil an der Bestimmung des
Wesens der "Ideen." Die ethische Beurteilung nach Mustern
kann nicht aus der Erfahrung allein stammen, weil sich diese
gar nicht in derselben finden. Die sittlichen Ideen sind viel-
mehr Forderungen, welche das Denken stellt und welche die
Wirklichkeit bestimmen sollen, Prinzipien der Beurteilung.1
Wird nun dieser Maßstab der Vollkommenheit, welcher dem
Gebiete des Sittlichen entnommen ist, auf die Natur angewendet,
so fragt es sich, ob er auch hier zu einer Erkenntnis dienen
kann. Das Gute und das Schöne fallen bei Platon gemeinsam
unter den Begriff des Vollkommenen, das sich als das harmo-
nisch Maßvolle, als die richtige Abmessung darstellt, welche
die Bedingung zum zweckmäßigen Sein ist. Die Wissenschaft
vom Maße aber ist die Mathematik. Daher wird die Mathe-
matik das Mittel, durch welches die Ideen mit der Sinnen-
welt im Zusammenhang stehen. In der Gesetzlichkeit der
mathematischen Figuren haben die Dinge Anteil an der Voll-
kommenheit der Ideen, und soweit sie daran Anteil haben,
sind sie mit Gewißheit zu erkennen, und soweit sie mathe-
matisch erkennbar sind, besitzen sie Realität. Auf diese Weise
erkannte Platon in der einzigen Wissenschaft, die es für ihn
gab, in der Mathematik, jenen unvergänglichen Realwert, der
im begrifflichen Denken liegt. Die Realität, welche er in dem
Apriori gefunden hatte, das er die Idee nannte, zeigt sich
wieder im mathematischen Gesetz.2

Der Anteil an Realität, welcher den Dingen in Rücksicht
auf ihre mathematische Form zugeschrieben wird, führt infolge
der Unterscheidung zwischen sinnlichen und rationalen Ele-
menten der Erfahrung zu dem Schlusse, daß nur den letzteren
Realität im eigentlichen Sinne zukommt.

Läßt die Abstraktion von den Sinnesqualitäten am Dinge
noch ein Sein zurück, das, wie die Gegenstände der Mathe-
matik, nicht mehr sinnlich ist, so scheint man annehmen zu
dürfen, daß dieser Rest der sinnlichen Wirklichkeit gerade
das ist, was dem Dinge seine Realität verleiht. Die Einzel-
körper unterscheiden sich durch ihre sinnlichen Eigenschaften;

1 Vgl. Kant über Platon, Kr. d. r. V., Kehrbach S. 275. Erdmann S. 265.
2 Vgl. Cohen, Platons Ideenlehre und die Mathematik. Marburg 1879.

Das Apriori bei Platon.
selben haben alle drei ihren Anteil an der Bestimmung des
Wesens der „Ideen.‟ Die ethische Beurteilung nach Mustern
kann nicht aus der Erfahrung allein stammen, weil sich diese
gar nicht in derselben finden. Die sittlichen Ideen sind viel-
mehr Forderungen, welche das Denken stellt und welche die
Wirklichkeit bestimmen sollen, Prinzipien der Beurteilung.1
Wird nun dieser Maßstab der Vollkommenheit, welcher dem
Gebiete des Sittlichen entnommen ist, auf die Natur angewendet,
so fragt es sich, ob er auch hier zu einer Erkenntnis dienen
kann. Das Gute und das Schöne fallen bei Platon gemeinsam
unter den Begriff des Vollkommenen, das sich als das harmo-
nisch Maßvolle, als die richtige Abmessung darstellt, welche
die Bedingung zum zweckmäßigen Sein ist. Die Wissenschaft
vom Maße aber ist die Mathematik. Daher wird die Mathe-
matik das Mittel, durch welches die Ideen mit der Sinnen-
welt im Zusammenhang stehen. In der Gesetzlichkeit der
mathematischen Figuren haben die Dinge Anteil an der Voll-
kommenheit der Ideen, und soweit sie daran Anteil haben,
sind sie mit Gewißheit zu erkennen, und soweit sie mathe-
matisch erkennbar sind, besitzen sie Realität. Auf diese Weise
erkannte Platon in der einzigen Wissenschaft, die es für ihn
gab, in der Mathematik, jenen unvergänglichen Realwert, der
im begrifflichen Denken liegt. Die Realität, welche er in dem
Apriori gefunden hatte, das er die Idee nannte, zeigt sich
wieder im mathematischen Gesetz.2

Der Anteil an Realität, welcher den Dingen in Rücksicht
auf ihre mathematische Form zugeschrieben wird, führt infolge
der Unterscheidung zwischen sinnlichen und rationalen Ele-
menten der Erfahrung zu dem Schlusse, daß nur den letzteren
Realität im eigentlichen Sinne zukommt.

Läßt die Abstraktion von den Sinnesqualitäten am Dinge
noch ein Sein zurück, das, wie die Gegenstände der Mathe-
matik, nicht mehr sinnlich ist, so scheint man annehmen zu
dürfen, daß dieser Rest der sinnlichen Wirklichkeit gerade
das ist, was dem Dinge seine Realität verleiht. Die Einzel-
körper unterscheiden sich durch ihre sinnlichen Eigenschaften;

1 Vgl. Kant über Platon, Kr. d. r. V., Kehrbach S. 275. Erdmann S. 265.
2 Vgl. Cohen, Platons Ideenlehre und die Mathematik. Marburg 1879.
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[48/0066] Das Apriori bei Platon. selben haben alle drei ihren Anteil an der Bestimmung des Wesens der „Ideen.‟ Die ethische Beurteilung nach Mustern kann nicht aus der Erfahrung allein stammen, weil sich diese gar nicht in derselben finden. Die sittlichen Ideen sind viel- mehr Forderungen, welche das Denken stellt und welche die Wirklichkeit bestimmen sollen, Prinzipien der Beurteilung. 1 Wird nun dieser Maßstab der Vollkommenheit, welcher dem Gebiete des Sittlichen entnommen ist, auf die Natur angewendet, so fragt es sich, ob er auch hier zu einer Erkenntnis dienen kann. Das Gute und das Schöne fallen bei Platon gemeinsam unter den Begriff des Vollkommenen, das sich als das harmo- nisch Maßvolle, als die richtige Abmessung darstellt, welche die Bedingung zum zweckmäßigen Sein ist. Die Wissenschaft vom Maße aber ist die Mathematik. Daher wird die Mathe- matik das Mittel, durch welches die Ideen mit der Sinnen- welt im Zusammenhang stehen. In der Gesetzlichkeit der mathematischen Figuren haben die Dinge Anteil an der Voll- kommenheit der Ideen, und soweit sie daran Anteil haben, sind sie mit Gewißheit zu erkennen, und soweit sie mathe- matisch erkennbar sind, besitzen sie Realität. Auf diese Weise erkannte Platon in der einzigen Wissenschaft, die es für ihn gab, in der Mathematik, jenen unvergänglichen Realwert, der im begrifflichen Denken liegt. Die Realität, welche er in dem Apriori gefunden hatte, das er die Idee nannte, zeigt sich wieder im mathematischen Gesetz. 2 Der Anteil an Realität, welcher den Dingen in Rücksicht auf ihre mathematische Form zugeschrieben wird, führt infolge der Unterscheidung zwischen sinnlichen und rationalen Ele- menten der Erfahrung zu dem Schlusse, daß nur den letzteren Realität im eigentlichen Sinne zukommt. Läßt die Abstraktion von den Sinnesqualitäten am Dinge noch ein Sein zurück, das, wie die Gegenstände der Mathe- matik, nicht mehr sinnlich ist, so scheint man annehmen zu dürfen, daß dieser Rest der sinnlichen Wirklichkeit gerade das ist, was dem Dinge seine Realität verleiht. Die Einzel- körper unterscheiden sich durch ihre sinnlichen Eigenschaften; 1 Vgl. Kant über Platon, Kr. d. r. V., Kehrbach S. 275. Erdmann S. 265. 2 Vgl. Cohen, Platons Ideenlehre und die Mathematik. Marburg 1879.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/66>, abgerufen am 25.11.2024.