sichtbar ist, sind Figuren unkörperlicher Dinge, nicht aber deren wahre körperlichen Substanzen selbst. Auch bei den natürlichen Körpern, mögen sie nun durch Mischung ihrer eigenen Elemente sinnlicher Art sein, oder sich wegen ihrer Feinheit dem sinnlichen Auge entziehen, lassen sich die Grenzen der Natur lediglich mit dem Denken durchschauen.1
Die Kategorien Quantität und Qualität sind den geome- trischen wie den physikalischen (natürlichen) Körpern gemein- schaftlich. Dagegen unterscheiden sich letztere durch den Anteil, welchen die Wesenheit (essentia) an ihrer Bildung nimmt. Zunächst ist festzustellen, daß kein Körper für sich Essenz besitzt und daß die Essenz selbst nichts Körperliches ist. Sie ist vielmehr das für sich selbst bestehende, unvergängliche Einfache, der Körper dagegen, aus Stoff und Form zusammen- gesetzt, ist unbeständig und vergänglich. Die Wesenheit nimmt nicht Länge, Breite und Höhe ein, ist nicht teilbar, nicht hier großer, dort kleiner, sondern sie ist immer dieselbe, die allge- meinste Gattung, eine untrennbare Einheit, allein der Vernunft zugänglich, also kein Körper.2
Wenn nun auch die Wesenheit für sich kein Körper, der Körper keine Wesenheit ist, so bestehen doch die natürlichen Körper nur dadurch als wirklich, daß sie an der Wesenheit Anteil haben. Die Verwechselung von Quantität und Essenz bei den Körpern rührt daher, daß bei den Naturkörpern sich beide nur durch das Denken trennen lassen, sinnlich aber immer vereinigt sind, indem erst ihre Vereinigung die sinn- liche Realität des Körpers bedingt. Die geometrischen Körper haben keinen Anteil an der Wesenheit, wir betrachten sie nur im Geiste und sie heißen darum mit Recht bloß vorgestellte Körper; während dagegen natürliche Körper deshalb für solche gelten, weil sie in ihren natürlichen Wesenheiten bestehen, ohne diese nicht sein können und eben deshalb wirkliche Kör- per sind; denn sonst befänden sie sich nicht unter den natür- lichen Dingen, sondern wären bloß mit der Vernunft gedacht. "Es ist somit klar zu verstehen, daß der Körper etwas anderes ist als Wesenheit, weil ein Körper bald der Wesenheit ent- behrt, bald derselben anhaftet, um etwas Wirkliches zu sein,
1 I, 44. p. 24.
2 I, 51. p. 28.
Erigena: Qualität. Wesenheit und Körper.
sichtbar ist, sind Figuren unkörperlicher Dinge, nicht aber deren wahre körperlichen Substanzen selbst. Auch bei den natürlichen Körpern, mögen sie nun durch Mischung ihrer eigenen Elemente sinnlicher Art sein, oder sich wegen ihrer Feinheit dem sinnlichen Auge entziehen, lassen sich die Grenzen der Natur lediglich mit dem Denken durchschauen.1
Die Kategorien Quantität und Qualität sind den geome- trischen wie den physikalischen (natürlichen) Körpern gemein- schaftlich. Dagegen unterscheiden sich letztere durch den Anteil, welchen die Wesenheit (essentia) an ihrer Bildung nimmt. Zunächst ist festzustellen, daß kein Körper für sich Essenz besitzt und daß die Essenz selbst nichts Körperliches ist. Sie ist vielmehr das für sich selbst bestehende, unvergängliche Einfache, der Körper dagegen, aus Stoff und Form zusammen- gesetzt, ist unbeständig und vergänglich. Die Wesenheit nimmt nicht Länge, Breite und Höhe ein, ist nicht teilbar, nicht hier großer, dort kleiner, sondern sie ist immer dieselbe, die allge- meinste Gattung, eine untrennbare Einheit, allein der Vernunft zugänglich, also kein Körper.2
Wenn nun auch die Wesenheit für sich kein Körper, der Körper keine Wesenheit ist, so bestehen doch die natürlichen Körper nur dadurch als wirklich, daß sie an der Wesenheit Anteil haben. Die Verwechselung von Quantität und Essenz bei den Körpern rührt daher, daß bei den Naturkörpern sich beide nur durch das Denken trennen lassen, sinnlich aber immer vereinigt sind, indem erst ihre Vereinigung die sinn- liche Realität des Körpers bedingt. Die geometrischen Körper haben keinen Anteil an der Wesenheit, wir betrachten sie nur im Geiste und sie heißen darum mit Recht bloß vorgestellte Körper; während dagegen natürliche Körper deshalb für solche gelten, weil sie in ihren natürlichen Wesenheiten bestehen, ohne diese nicht sein können und eben deshalb wirkliche Kör- per sind; denn sonst befänden sie sich nicht unter den natür- lichen Dingen, sondern wären bloß mit der Vernunft gedacht. „Es ist somit klar zu verstehen, daß der Körper etwas anderes ist als Wesenheit, weil ein Körper bald der Wesenheit ent- behrt, bald derselben anhaftet, um etwas Wirkliches zu sein,
1 I, 44. p. 24.
2 I, 51. p. 28.
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Erigena: Qualität. Wesenheit und Körper.
sichtbar ist, sind Figuren unkörperlicher Dinge, nicht aber
deren wahre körperlichen Substanzen selbst. Auch bei den
natürlichen Körpern, mögen sie nun durch Mischung ihrer
eigenen Elemente sinnlicher Art sein, oder sich wegen ihrer
Feinheit dem sinnlichen Auge entziehen, lassen sich die
Grenzen der Natur lediglich mit dem Denken durchschauen. 1
Die Kategorien Quantität und Qualität sind den geome-
trischen wie den physikalischen (natürlichen) Körpern gemein-
schaftlich. Dagegen unterscheiden sich letztere durch den
Anteil, welchen die Wesenheit (essentia) an ihrer Bildung nimmt.
Zunächst ist festzustellen, daß kein Körper für sich Essenz
besitzt und daß die Essenz selbst nichts Körperliches ist. Sie
ist vielmehr das für sich selbst bestehende, unvergängliche
Einfache, der Körper dagegen, aus Stoff und Form zusammen-
gesetzt, ist unbeständig und vergänglich. Die Wesenheit nimmt
nicht Länge, Breite und Höhe ein, ist nicht teilbar, nicht hier
großer, dort kleiner, sondern sie ist immer dieselbe, die allge-
meinste Gattung, eine untrennbare Einheit, allein der Vernunft
zugänglich, also kein Körper. 2
Wenn nun auch die Wesenheit für sich kein Körper, der
Körper keine Wesenheit ist, so bestehen doch die natürlichen
Körper nur dadurch als wirklich, daß sie an der Wesenheit
Anteil haben. Die Verwechselung von Quantität und Essenz
bei den Körpern rührt daher, daß bei den Naturkörpern sich
beide nur durch das Denken trennen lassen, sinnlich aber
immer vereinigt sind, indem erst ihre Vereinigung die sinn-
liche Realität des Körpers bedingt. Die geometrischen Körper
haben keinen Anteil an der Wesenheit, wir betrachten sie nur
im Geiste und sie heißen darum mit Recht bloß vorgestellte
Körper; während dagegen natürliche Körper deshalb für solche
gelten, weil sie in ihren natürlichen Wesenheiten bestehen,
ohne diese nicht sein können und eben deshalb wirkliche Kör-
per sind; denn sonst befänden sie sich nicht unter den natür-
lichen Dingen, sondern wären bloß mit der Vernunft gedacht.
„Es ist somit klar zu verstehen, daß der Körper etwas anderes
ist als Wesenheit, weil ein Körper bald der Wesenheit ent-
behrt, bald derselben anhaftet, um etwas Wirkliches zu sein,
1 I, 44. p. 24.
2 I, 51. p. 28.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/59>, abgerufen am 23.11.2024.
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