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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Berigard: Wirken der Atome.
daß niemals irgend eine von ihnen, heiße sie Punkt oder Atom,
von allen andern getrennt existiert.1

Wirkungsfähigkeit und Wirken sind an die Substanz ge-
bunden und nur im abstrakten Denken von ihr scheidbar.
Bewegt werden die Atome sowohl von andren als von sich
selbst. Räumliche Bewegung ist die einzige Veränderung,
welche es gibt.2 Daß ein atomistisch konstituierter Körper,
wie Aristoteles und Galen einwerfen, nicht Einwirkungen
erleiden könne, ist unrichtig. Er ist in der That Ver-
änderungen unterworfen durch Zugang und Abgang von
Atomen, sowie durch verschiedene Anordnung derselben.3 Auch
die Beweisgründe, mit welchen Cicero, Seneca, Galen und
andre zeigen, daß durch Atome keine Wirkung möglich sei,
keine andere Mistio als durch Anhäufung, keine Funktion der
Seele, auch diese Einwände sind zu widerlegen.4 Wenn z. B.
Seneca die atomistische Zusammensetzung der Luft bestreitet,
weil dieselbe alsdann nicht wirken könne,5 so sei dem zu
entgegnen, daß der Haufen der Atome, wenngleich leicht
zerstreubar und ausweichend, so doch nicht wie Sandkörner
ohne jede natürliche Adhäsion sei, sondern Zusammenhang und
Verknüpfung besitze; ein Bindemittel braucht zu diesem Zwecke
nicht angenommen zu werden.

Soviel über die theoretischen Ansichten Berigards, insoweit
sie zur Korpuskularphilosophie gehören. Einige seiner physi-
kalischen Erklärungen mögen noch nachgetragen werden. Ein
Hauptprüfstein seiner Theorie muß es sein, ob es ihm gelingt,
die Verdichtung und Verdünnung der Körper ohne Hilfe eines
Vacuums durch bloße örtliche Bewegung abzuleiten. Bei den
zusammengesetzten Körpern wird die Verdichtung resp.
Verdünnung durch Eintreten oder Austreten feinerer (oder
auch gröberer) andrer Substanzen erklärt. Zu den zusammen-
gesetzten Körpern ist auch die Luft zu zählen; sie ist kein
homogener Körper, sondern gewissermaßen eine Mischung aller
möglichen Substanzen (#), von denen eine immer

1 A. a. O. p. 64.
2 A. a. O. p. 65.
3 A. a. O. p. 66.
4 A. a. O. Circ. IX p. 67 f.
5 Seneca sagt Natur. Quaest. II c. 6, daß die Luft, wenn sie aus zu-
sammenhanglosen Atomen bestände, keine Spannung und keinen Widerstand
bieten könne. S. S. 221.

Berigard: Wirken der Atome.
daß niemals irgend eine von ihnen, heiße sie Punkt oder Atom,
von allen andern getrennt existiert.1

Wirkungsfähigkeit und Wirken sind an die Substanz ge-
bunden und nur im abstrakten Denken von ihr scheidbar.
Bewegt werden die Atome sowohl von andren als von sich
selbst. Räumliche Bewegung ist die einzige Veränderung,
welche es gibt.2 Daß ein atomistisch konstituierter Körper,
wie Aristoteles und Galen einwerfen, nicht Einwirkungen
erleiden könne, ist unrichtig. Er ist in der That Ver-
änderungen unterworfen durch Zugang und Abgang von
Atomen, sowie durch verschiedene Anordnung derselben.3 Auch
die Beweisgründe, mit welchen Cicero, Seneca, Galen und
andre zeigen, daß durch Atome keine Wirkung möglich sei,
keine andere Mistio als durch Anhäufung, keine Funktion der
Seele, auch diese Einwände sind zu widerlegen.4 Wenn z. B.
Seneca die atomistische Zusammensetzung der Luft bestreitet,
weil dieselbe alsdann nicht wirken könne,5 so sei dem zu
entgegnen, daß der Haufen der Atome, wenngleich leicht
zerstreubar und ausweichend, so doch nicht wie Sandkörner
ohne jede natürliche Adhäsion sei, sondern Zusammenhang und
Verknüpfung besitze; ein Bindemittel braucht zu diesem Zwecke
nicht angenommen zu werden.

Soviel über die theoretischen Ansichten Berigards, insoweit
sie zur Korpuskularphilosophie gehören. Einige seiner physi-
kalischen Erklärungen mögen noch nachgetragen werden. Ein
Hauptprüfstein seiner Theorie muß es sein, ob es ihm gelingt,
die Verdichtung und Verdünnung der Körper ohne Hilfe eines
Vacuums durch bloße örtliche Bewegung abzuleiten. Bei den
zusammengesetzten Körpern wird die Verdichtung resp.
Verdünnung durch Eintreten oder Austreten feinerer (oder
auch gröberer) andrer Substanzen erklärt. Zu den zusammen-
gesetzten Körpern ist auch die Luft zu zählen; sie ist kein
homogener Körper, sondern gewissermaßen eine Mischung aller
möglichen Substanzen (#), von denen eine immer

1 A. a. O. p. 64.
2 A. a. O. p. 65.
3 A. a. O. p. 66.
4 A. a. O. Circ. IX p. 67 f.
5 Seneca sagt Natur. Quaest. II c. 6, daß die Luft, wenn sie aus zu-
sammenhanglosen Atomen bestände, keine Spannung und keinen Widerstand
bieten könne. S. S. 221.
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[494/0512] Berigard: Wirken der Atome. daß niemals irgend eine von ihnen, heiße sie Punkt oder Atom, von allen andern getrennt existiert. 1 Wirkungsfähigkeit und Wirken sind an die Substanz ge- bunden und nur im abstrakten Denken von ihr scheidbar. Bewegt werden die Atome sowohl von andren als von sich selbst. Räumliche Bewegung ist die einzige Veränderung, welche es gibt. 2 Daß ein atomistisch konstituierter Körper, wie Aristoteles und Galen einwerfen, nicht Einwirkungen erleiden könne, ist unrichtig. Er ist in der That Ver- änderungen unterworfen durch Zugang und Abgang von Atomen, sowie durch verschiedene Anordnung derselben. 3 Auch die Beweisgründe, mit welchen Cicero, Seneca, Galen und andre zeigen, daß durch Atome keine Wirkung möglich sei, keine andere Mistio als durch Anhäufung, keine Funktion der Seele, auch diese Einwände sind zu widerlegen. 4 Wenn z. B. Seneca die atomistische Zusammensetzung der Luft bestreitet, weil dieselbe alsdann nicht wirken könne, 5 so sei dem zu entgegnen, daß der Haufen der Atome, wenngleich leicht zerstreubar und ausweichend, so doch nicht wie Sandkörner ohne jede natürliche Adhäsion sei, sondern Zusammenhang und Verknüpfung besitze; ein Bindemittel braucht zu diesem Zwecke nicht angenommen zu werden. Soviel über die theoretischen Ansichten Berigards, insoweit sie zur Korpuskularphilosophie gehören. Einige seiner physi- kalischen Erklärungen mögen noch nachgetragen werden. Ein Hauptprüfstein seiner Theorie muß es sein, ob es ihm gelingt, die Verdichtung und Verdünnung der Körper ohne Hilfe eines Vacuums durch bloße örtliche Bewegung abzuleiten. Bei den zusammengesetzten Körpern wird die Verdichtung resp. Verdünnung durch Eintreten oder Austreten feinerer (oder auch gröberer) andrer Substanzen erklärt. Zu den zusammen- gesetzten Körpern ist auch die Luft zu zählen; sie ist kein homogener Körper, sondern gewissermaßen eine Mischung aller möglichen Substanzen (#), von denen eine immer 1 A. a. O. p. 64. 2 A. a. O. p. 65. 3 A. a. O. p. 66. 4 A. a. O. Circ. IX p. 67 f. 5 Seneca sagt Natur. Quaest. II c. 6, daß die Luft, wenn sie aus zu- sammenhanglosen Atomen bestände, keine Spannung und keinen Widerstand bieten könne. S. S. 221.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/512>, abgerufen am 24.11.2024.