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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Augustinus: Gegen den Ausfluß der Bilder.
Durch den zufälligen Zusammenstoß dieser Korpuskeln seien
sowohl unzählige Welten als die lebenden Wesen und die
Seelen selbst geworden, sowie auch die Götter, welche er in
menschlicher Gestalt nicht in irgend eine Welt, sondern außer-
halb der Welten zwischen dieselben versetzt. Etwas anderes
aber als Körper kann nach ihm überhaupt nicht gedacht
werden. Damit wir diese denken, fließen, wie er sagt, Bilder
von den Dingen selbst, welche nach seiner Ansicht aus Atomen
gestaltet sind, hervor und dringen in die Seele ein; sie sind
noch feiner als diejenigen, welche zu den Augen gelangen;
denn auch das Sehen beruht auf Bildern."

Diese Theorie sei offenbar selbst vom Standpunkte ihrer
Erfinder aus nicht haltbar; "denn wie können so große Bilder
in den so kleinen Körper gelangen, und wie können sie die
so kleine Seele berühren, zumal dies gleichzeitig geschehen
müßte, da wir ja so vieles auf einmal zu denken vermögen."
Sollte indes Demokrit die Seele für unkörperlich gehalten
haben, so würde dieser Einwand nur den Epikur treffen; aber
warum bemerkte auch jener nicht, daß für eine unkörperliche Seele
die Annahme vom Herbeikommen und Berühren körperlicher
Bilder zur Erklärung des Denkens weder nötig noch möglich
sei? In Bezug auf das Sehen der Augen sind jedenfalls beide
in gleicher Weise zu widerlegen; denn die so großen Körper
der Bilder können auf keine Weise in ihrer Gesamtheit das
so kleine Auge berühren." Den Einwand, daß man doch nur
ein Bild des Körpers sehe, während deren unzählige vom
Körper ausgehen, suchen sie -- sagt Augustinus -- durch die Er-
klärung zu beseitigen, daß durch das unausgesetzte häufige
Herabströmen der Bilder gewissermaßen eine Verdichtung
derselben einträte, so daß man sie nur als ein einziges sähe.

"Alle diese nichtigen Sätze hat schon Cicero damit zurück-
gewiesen, daß er an und für sich die Unmöglichkeit behauptete,
unter den Voraussetzungen der Atomisten einen ewigen Gott
zu denken." Denn entweder würde ein Gott, von dem fort-
während körperliche Ausflüsse ausgehen, nicht ewig bestehen
können, oder, falls man annimmt, daß die abfließenden Atome
stets durch neue ersetzt werden, so würde man auf diese Art
beweisen können, daß alle Dinge ewig seien, weil es ja an der
Unendlichkeit sich ersetzender Atome niemals fehle.

Augustinus: Gegen den Ausfluß der Bilder.
Durch den zufälligen Zusammenstoß dieser Korpuskeln seien
sowohl unzählige Welten als die lebenden Wesen und die
Seelen selbst geworden, sowie auch die Götter, welche er in
menschlicher Gestalt nicht in irgend eine Welt, sondern außer-
halb der Welten zwischen dieselben versetzt. Etwas anderes
aber als Körper kann nach ihm überhaupt nicht gedacht
werden. Damit wir diese denken, fließen, wie er sagt, Bilder
von den Dingen selbst, welche nach seiner Ansicht aus Atomen
gestaltet sind, hervor und dringen in die Seele ein; sie sind
noch feiner als diejenigen, welche zu den Augen gelangen;
denn auch das Sehen beruht auf Bildern.‟

Diese Theorie sei offenbar selbst vom Standpunkte ihrer
Erfinder aus nicht haltbar; „denn wie können so große Bilder
in den so kleinen Körper gelangen, und wie können sie die
so kleine Seele berühren, zumal dies gleichzeitig geschehen
müßte, da wir ja so vieles auf einmal zu denken vermögen.‟
Sollte indes Demokrit die Seele für unkörperlich gehalten
haben, so würde dieser Einwand nur den Epikur treffen; aber
warum bemerkte auch jener nicht, daß für eine unkörperliche Seele
die Annahme vom Herbeikommen und Berühren körperlicher
Bilder zur Erklärung des Denkens weder nötig noch möglich
sei? In Bezug auf das Sehen der Augen sind jedenfalls beide
in gleicher Weise zu widerlegen; denn die so großen Körper
der Bilder können auf keine Weise in ihrer Gesamtheit das
so kleine Auge berühren.‟ Den Einwand, daß man doch nur
ein Bild des Körpers sehe, während deren unzählige vom
Körper ausgehen, suchen sie — sagt Augustinus — durch die Er-
klärung zu beseitigen, daß durch das unausgesetzte häufige
Herabströmen der Bilder gewissermaßen eine Verdichtung
derselben einträte, so daß man sie nur als ein einziges sähe.

„Alle diese nichtigen Sätze hat schon Cicero damit zurück-
gewiesen, daß er an und für sich die Unmöglichkeit behauptete,
unter den Voraussetzungen der Atomisten einen ewigen Gott
zu denken.‟ Denn entweder würde ein Gott, von dem fort-
während körperliche Ausflüsse ausgehen, nicht ewig bestehen
können, oder, falls man annimmt, daß die abfließenden Atome
stets durch neue ersetzt werden, so würde man auf diese Art
beweisen können, daß alle Dinge ewig seien, weil es ja an der
Unendlichkeit sich ersetzender Atome niemals fehle.

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[27/0045] Augustinus: Gegen den Ausfluß der Bilder. Durch den zufälligen Zusammenstoß dieser Korpuskeln seien sowohl unzählige Welten als die lebenden Wesen und die Seelen selbst geworden, sowie auch die Götter, welche er in menschlicher Gestalt nicht in irgend eine Welt, sondern außer- halb der Welten zwischen dieselben versetzt. Etwas anderes aber als Körper kann nach ihm überhaupt nicht gedacht werden. Damit wir diese denken, fließen, wie er sagt, Bilder von den Dingen selbst, welche nach seiner Ansicht aus Atomen gestaltet sind, hervor und dringen in die Seele ein; sie sind noch feiner als diejenigen, welche zu den Augen gelangen; denn auch das Sehen beruht auf Bildern.‟ Diese Theorie sei offenbar selbst vom Standpunkte ihrer Erfinder aus nicht haltbar; „denn wie können so große Bilder in den so kleinen Körper gelangen, und wie können sie die so kleine Seele berühren, zumal dies gleichzeitig geschehen müßte, da wir ja so vieles auf einmal zu denken vermögen.‟ Sollte indes Demokrit die Seele für unkörperlich gehalten haben, so würde dieser Einwand nur den Epikur treffen; aber warum bemerkte auch jener nicht, daß für eine unkörperliche Seele die Annahme vom Herbeikommen und Berühren körperlicher Bilder zur Erklärung des Denkens weder nötig noch möglich sei? In Bezug auf das Sehen der Augen sind jedenfalls beide in gleicher Weise zu widerlegen; denn die so großen Körper der Bilder können auf keine Weise in ihrer Gesamtheit das so kleine Auge berühren.‟ Den Einwand, daß man doch nur ein Bild des Körpers sehe, während deren unzählige vom Körper ausgehen, suchen sie — sagt Augustinus — durch die Er- klärung zu beseitigen, daß durch das unausgesetzte häufige Herabströmen der Bilder gewissermaßen eine Verdichtung derselben einträte, so daß man sie nur als ein einziges sähe. „Alle diese nichtigen Sätze hat schon Cicero damit zurück- gewiesen, daß er an und für sich die Unmöglichkeit behauptete, unter den Voraussetzungen der Atomisten einen ewigen Gott zu denken.‟ Denn entweder würde ein Gott, von dem fort- während körperliche Ausflüsse ausgehen, nicht ewig bestehen können, oder, falls man annimmt, daß die abfließenden Atome stets durch neue ersetzt werden, so würde man auf diese Art beweisen können, daß alle Dinge ewig seien, weil es ja an der Unendlichkeit sich ersetzender Atome niemals fehle.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/45>, abgerufen am 20.04.2024.