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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Bruno und Kant. -- Fortentwickelung der Atomistik.
dingung der Erfahrung ist. Bei Bruno ist es ausgesprochen
daß die Natur von der Einheit zur Vielheit auf derselben
Stufenleiter herabsteigt, welche der Verstand in der Erkenntnis
von der Vielheit zur Einheit wieder hinaufzusteigen hat. Dies
bedeutet, daß die Einheit des substanziellen Minimums und
die Entwickelungsfähigkeit desselben in der Natur angetroffen
wird, weil sie Bedingungen sind, unter denen die Erzeugung
der Natur durch das Denken steht. Selbstverständlich soll
damit kein kantischer Gedanke in Brunos Metaphysik hinein-
gezwängt, sondern nur angedeutet werden, daß die Keime der
späteren Probleme in seinem Denken bereits erkennbar, aber
noch nicht getrennt sind. Die Monade, Repräsentant der ein-
fachen Einheit, trägt bei ihm sowohl einen transcendenten als
einen transcendentalen Charakter, sie ist ebensowohl Produkt
der Entwickelung des Absoluten in der Natur, als Produkt
des menschlichen Erkennens, Ding an sich und Phänomenon
zugleich. Die Scheidung vollziehen die folgenden Jahrhunderte.



Fünfter Abschnitt.
Übergänge.


1. Metaphysische und physikalische Atomistik.

Bruno war der erste, welcher die öffentliche Vertretung
der Atomistik aufnahm. Von jetzt ab beginnt von den ver-
schiedensten Seiten her die Erneuerung korpuskulartheoretischer
Lehren sich zu regen. Die Motive, welche zur Betonung des
atomistischen Gedankens führen, sind jedoch verschiedener
Natur und lassen sich in zwei Hauptgruppen sondern, welche
zugleich die von der Fortentwickelung der Atomistik einge-
schlagenen Richtungen deutlich bezeichnen. Man hat von nun
an eine metaphysische und eine physikalische Atomistik zu
unterscheiden.

Die metaphysische Atomistik verdient ihren Namen
nicht nur wegen ihres Interesses, das, wie schon in der Ein-

Laßwitz. 26

Bruno und Kant. — Fortentwickelung der Atomistik.
dingung der Erfahrung ist. Bei Bruno ist es ausgesprochen
daß die Natur von der Einheit zur Vielheit auf derselben
Stufenleiter herabsteigt, welche der Verstand in der Erkenntnis
von der Vielheit zur Einheit wieder hinaufzusteigen hat. Dies
bedeutet, daß die Einheit des substanziellen Minimums und
die Entwickelungsfähigkeit desselben in der Natur angetroffen
wird, weil sie Bedingungen sind, unter denen die Erzeugung
der Natur durch das Denken steht. Selbstverständlich soll
damit kein kantischer Gedanke in Brunos Metaphysik hinein-
gezwängt, sondern nur angedeutet werden, daß die Keime der
späteren Probleme in seinem Denken bereits erkennbar, aber
noch nicht getrennt sind. Die Monade, Repräsentant der ein-
fachen Einheit, trägt bei ihm sowohl einen transcendenten als
einen transcendentalen Charakter, sie ist ebensowohl Produkt
der Entwickelung des Absoluten in der Natur, als Produkt
des menschlichen Erkennens, Ding an sich und Phänomenon
zugleich. Die Scheidung vollziehen die folgenden Jahrhunderte.



Fünfter Abschnitt.
Übergänge.


1. Metaphysische und physikalische Atomistik.

Bruno war der erste, welcher die öffentliche Vertretung
der Atomistik aufnahm. Von jetzt ab beginnt von den ver-
schiedensten Seiten her die Erneuerung korpuskulartheoretischer
Lehren sich zu regen. Die Motive, welche zur Betonung des
atomistischen Gedankens führen, sind jedoch verschiedener
Natur und lassen sich in zwei Hauptgruppen sondern, welche
zugleich die von der Fortentwickelung der Atomistik einge-
schlagenen Richtungen deutlich bezeichnen. Man hat von nun
an eine metaphysische und eine physikalische Atomistik zu
unterscheiden.

Die metaphysische Atomistik verdient ihren Namen
nicht nur wegen ihres Interesses, das, wie schon in der Ein-

Laßwitz. 26
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[401/0419] Bruno und Kant. — Fortentwickelung der Atomistik. dingung der Erfahrung ist. Bei Bruno ist es ausgesprochen daß die Natur von der Einheit zur Vielheit auf derselben Stufenleiter herabsteigt, welche der Verstand in der Erkenntnis von der Vielheit zur Einheit wieder hinaufzusteigen hat. Dies bedeutet, daß die Einheit des substanziellen Minimums und die Entwickelungsfähigkeit desselben in der Natur angetroffen wird, weil sie Bedingungen sind, unter denen die Erzeugung der Natur durch das Denken steht. Selbstverständlich soll damit kein kantischer Gedanke in Brunos Metaphysik hinein- gezwängt, sondern nur angedeutet werden, daß die Keime der späteren Probleme in seinem Denken bereits erkennbar, aber noch nicht getrennt sind. Die Monade, Repräsentant der ein- fachen Einheit, trägt bei ihm sowohl einen transcendenten als einen transcendentalen Charakter, sie ist ebensowohl Produkt der Entwickelung des Absoluten in der Natur, als Produkt des menschlichen Erkennens, Ding an sich und Phänomenon zugleich. Die Scheidung vollziehen die folgenden Jahrhunderte. Fünfter Abschnitt. Übergänge. 1. Metaphysische und physikalische Atomistik. Bruno war der erste, welcher die öffentliche Vertretung der Atomistik aufnahm. Von jetzt ab beginnt von den ver- schiedensten Seiten her die Erneuerung korpuskulartheoretischer Lehren sich zu regen. Die Motive, welche zur Betonung des atomistischen Gedankens führen, sind jedoch verschiedener Natur und lassen sich in zwei Hauptgruppen sondern, welche zugleich die von der Fortentwickelung der Atomistik einge- schlagenen Richtungen deutlich bezeichnen. Man hat von nun an eine metaphysische und eine physikalische Atomistik zu unterscheiden. Die metaphysische Atomistik verdient ihren Namen nicht nur wegen ihres Interesses, das, wie schon in der Ein- Laßwitz. 26

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/419>, abgerufen am 18.05.2024.