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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Lactantius: Aus Atomen nichts Zweckmäßiges.
glauben, daß Feuer im Wasser sei? Aber von der Sonne kann
Feuer selbst im Sommer nicht entzündet werden.

Wenn man Wachs anhaucht oder eine Platte von Marmor
oder Metall von einem leichten Dunste berührt wird, so ver-
dichtet sich allmählich Wasser aus den kleinsten Thautröpfchen.
Ebenso entsteht aus den Ausdünstungen der Erde oder des
Meeres Nebel, der sich entweder ausbreitet und alles, was er
berührt, feucht macht, oder sich sammelt, vom Winde in die
Höhe gerissen zu Wolken sich anhäuft und mächtige Regen-
güsse herabsendet. Wo soll nun die Flüssigkeit entstanden
sein? Im Dunst? In den Ausdünstungen? Im Wind? Nun aber
kann nichts in etwas bestehen, das weder berührt noch ge-
sehen wird.

Was soll man nun gar von den Tieren sagen, in deren
Körper wir nichts ohne Vernunft, Ordnung und zweckmäßige
Gestaltung bereitet sehen, so daß schon eine geschickte und
sorgfältige Beschreibung aller Teile die Annahme zurückweist,
als handele es sich hier um einen Zufall? Und wenn wir selbst
von Gliedern, Knochen, Nerven und Blut glauben wollten, daß
sie durch Atome gebildet werden könnten, wie steht es mit
Empfindung, Denken, Gedächtnis, Geist, Begabung? Durch
welche Keime können sie zusammengebracht werden? "Durch
die feinsten," sagt jener. So gibt es also auch größere!
Wie sollen sie dann untrennbar sein?

Ferner, wenn das, was nicht gesehen wird, aus Unsicht-
barem besteht, so folgt, daß das, was man sieht, aus Sicht-
barem bestehe. Warum also sieht niemand diese Bestandteile?

Aber ob man das Unsichtbare, das im Menschen ist, be-
trachtet, oder das Greifbare, was sinnenfällig ist, -- wer sieht
nicht, daß der Bestand beider ein vernunftgemäßer ist? Wie
kann also das, was ohne vernünftige Überlegung zusammentrifft,
etwas Vernunftgemäßes bewirken? Und da eine derartige
Leistung über die Fähigkeit des Menschen hinausgeht, wem
wäre sie mit mehr Recht zuzuschreiben, als der göttlichen
Vorsehung?

Wenn es der Vernunft und Kunst bedarf, ein Menschenbild
oder eine Statue zu schaffen, sollen wir glauben, daß der
Mensch selbst aus von ungefähr zusammentreffenden Brocken
werde? Selbst die höchste Kunst vermag nur einen äußeren

Lactantius: Aus Atomen nichts Zweckmäßiges.
glauben, daß Feuer im Wasser sei? Aber von der Sonne kann
Feuer selbst im Sommer nicht entzündet werden.

Wenn man Wachs anhaucht oder eine Platte von Marmor
oder Metall von einem leichten Dunste berührt wird, so ver-
dichtet sich allmählich Wasser aus den kleinsten Thautröpfchen.
Ebenso entsteht aus den Ausdünstungen der Erde oder des
Meeres Nebel, der sich entweder ausbreitet und alles, was er
berührt, feucht macht, oder sich sammelt, vom Winde in die
Höhe gerissen zu Wolken sich anhäuft und mächtige Regen-
güsse herabsendet. Wo soll nun die Flüssigkeit entstanden
sein? Im Dunst? In den Ausdünstungen? Im Wind? Nun aber
kann nichts in etwas bestehen, das weder berührt noch ge-
sehen wird.

Was soll man nun gar von den Tieren sagen, in deren
Körper wir nichts ohne Vernunft, Ordnung und zweckmäßige
Gestaltung bereitet sehen, so daß schon eine geschickte und
sorgfältige Beschreibung aller Teile die Annahme zurückweist,
als handele es sich hier um einen Zufall? Und wenn wir selbst
von Gliedern, Knochen, Nerven und Blut glauben wollten, daß
sie durch Atome gebildet werden könnten, wie steht es mit
Empfindung, Denken, Gedächtnis, Geist, Begabung? Durch
welche Keime können sie zusammengebracht werden? „Durch
die feinsten,‟ sagt jener. So gibt es also auch größere!
Wie sollen sie dann untrennbar sein?

Ferner, wenn das, was nicht gesehen wird, aus Unsicht-
barem besteht, so folgt, daß das, was man sieht, aus Sicht-
barem bestehe. Warum also sieht niemand diese Bestandteile?

Aber ob man das Unsichtbare, das im Menschen ist, be-
trachtet, oder das Greifbare, was sinnenfällig ist, — wer sieht
nicht, daß der Bestand beider ein vernunftgemäßer ist? Wie
kann also das, was ohne vernünftige Überlegung zusammentrifft,
etwas Vernunftgemäßes bewirken? Und da eine derartige
Leistung über die Fähigkeit des Menschen hinausgeht, wem
wäre sie mit mehr Recht zuzuschreiben, als der göttlichen
Vorsehung?

Wenn es der Vernunft und Kunst bedarf, ein Menschenbild
oder eine Statue zu schaffen, sollen wir glauben, daß der
Mensch selbst aus von ungefähr zusammentreffenden Brocken
werde? Selbst die höchste Kunst vermag nur einen äußeren

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[22/0040] Lactantius: Aus Atomen nichts Zweckmäßiges. glauben, daß Feuer im Wasser sei? Aber von der Sonne kann Feuer selbst im Sommer nicht entzündet werden. Wenn man Wachs anhaucht oder eine Platte von Marmor oder Metall von einem leichten Dunste berührt wird, so ver- dichtet sich allmählich Wasser aus den kleinsten Thautröpfchen. Ebenso entsteht aus den Ausdünstungen der Erde oder des Meeres Nebel, der sich entweder ausbreitet und alles, was er berührt, feucht macht, oder sich sammelt, vom Winde in die Höhe gerissen zu Wolken sich anhäuft und mächtige Regen- güsse herabsendet. Wo soll nun die Flüssigkeit entstanden sein? Im Dunst? In den Ausdünstungen? Im Wind? Nun aber kann nichts in etwas bestehen, das weder berührt noch ge- sehen wird. Was soll man nun gar von den Tieren sagen, in deren Körper wir nichts ohne Vernunft, Ordnung und zweckmäßige Gestaltung bereitet sehen, so daß schon eine geschickte und sorgfältige Beschreibung aller Teile die Annahme zurückweist, als handele es sich hier um einen Zufall? Und wenn wir selbst von Gliedern, Knochen, Nerven und Blut glauben wollten, daß sie durch Atome gebildet werden könnten, wie steht es mit Empfindung, Denken, Gedächtnis, Geist, Begabung? Durch welche Keime können sie zusammengebracht werden? „Durch die feinsten,‟ sagt jener. So gibt es also auch größere! Wie sollen sie dann untrennbar sein? Ferner, wenn das, was nicht gesehen wird, aus Unsicht- barem besteht, so folgt, daß das, was man sieht, aus Sicht- barem bestehe. Warum also sieht niemand diese Bestandteile? Aber ob man das Unsichtbare, das im Menschen ist, be- trachtet, oder das Greifbare, was sinnenfällig ist, — wer sieht nicht, daß der Bestand beider ein vernunftgemäßer ist? Wie kann also das, was ohne vernünftige Überlegung zusammentrifft, etwas Vernunftgemäßes bewirken? Und da eine derartige Leistung über die Fähigkeit des Menschen hinausgeht, wem wäre sie mit mehr Recht zuzuschreiben, als der göttlichen Vorsehung? Wenn es der Vernunft und Kunst bedarf, ein Menschenbild oder eine Statue zu schaffen, sollen wir glauben, daß der Mensch selbst aus von ungefähr zusammentreffenden Brocken werde? Selbst die höchste Kunst vermag nur einen äußeren

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/40>, abgerufen am 26.04.2024.