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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Der Bericht des Dionysius Alexandrinus.
mistik erhalten ist, dürfte Dionysius Alexandrinus auch "der
Große" genannt, in seiner Schrift # hinterlassen
haben. Ein älterer Zeitgenosse des Sextus Empiricus und
Diogenes Laertius war er zugleich ein wissenschaftlich gründ-
lich unterrichteter Mann, dessen Mitteilungen einen dauernden
Wert besitzen.1 Von besonderer Wichtigkeit aber ist es, daß
derselbe Umstand, dem wir die Erhaltung umfangreicher Teile
jener Schrift verdanken, ihnen zugleich die weiteste Verbreitung
in den Kreisen christlicher Gelehrsamkeit gegeben hat, indem
dieselben von Eusebius in seine Praeparatio Evangelica auf-
genommen wurden.

Dionysius führt seinen Bericht über die Lehre der Ato-
miker sogleich mit dem Urteil ein, daß das All für eine un-
endliche Vielheit von denjenigen gehalten werde, welche in
vielfachen Verirrungen ihres Verstandes und mit man-
cherlei Anführungen von Namen das Wesen des Alls zu zer-
stückeln suchen und es als etwas Unendliches und Ewiges,
ohne Anfang und ohne Zweck hinstellen. "Die letzteren," so
berichtet er weiter, "nehmen gewisse unvergängliche (#),
sehr kleine und der Menge nach unzählige Körper an, welche
sie Atome nennen, sowie einen der Größe nach unbegrenzten
leeren Raum. Sie behaupten nun, daß diese Atome, wie sie
zufällig im Leeren sich bewegten, von selbst durch einen un-
ruhigen Drang miteinander zusammenstießen und infolge
ihrer vielartigen Gestaltung sich untereinander verflochten
und festhielten, und so diese Welt und was in ihr ist, ja sogar
unendlich viele Welten bildeten. Dieser Ansicht waren Epikur
und Demokrit; insofern weichen sie jedoch voneinander ab,
als der erstere sämtliche Atome als sehr klein und daher
nicht wahrnehmbar, Demokrit jedoch wenigstens einige Atome
auch als sehr groß annahm. Beide aber behaupten, daß sie
unteilbar (#) seien und wegen ihrer unauflöslichen
Festigkeit so genannt würden. Andere haben die Bezeichnung
der Atome verändert und sie teillose Körper (#)

1 Georg Roch, Die Schrift des alexandrinischen Bischofs Dionysius des
Großen "Über die Natur"
J. D. Leipzig 1882. Die Übersetzung, welche Roch
S. 28--41 gibt, benutze ich vielfach in der obigen Darstellung. Als griechischer
Text dient mir die Ausgabe der Opera des Eusebius von Dindorf, Lips. 1867.
T. II p. 321 ff.

Der Bericht des Dionysius Alexandrinus.
mistik erhalten ist, dürfte Dionysius Alexandrinus auch „der
Große‟ genannt, in seiner Schrift # hinterlassen
haben. Ein älterer Zeitgenosse des Sextus Empiricus und
Diogenes Laertius war er zugleich ein wissenschaftlich gründ-
lich unterrichteter Mann, dessen Mitteilungen einen dauernden
Wert besitzen.1 Von besonderer Wichtigkeit aber ist es, daß
derselbe Umstand, dem wir die Erhaltung umfangreicher Teile
jener Schrift verdanken, ihnen zugleich die weiteste Verbreitung
in den Kreisen christlicher Gelehrsamkeit gegeben hat, indem
dieselben von Eusebius in seine Praeparatio Evangelica auf-
genommen wurden.

Dionysius führt seinen Bericht über die Lehre der Ato-
miker sogleich mit dem Urteil ein, daß das All für eine un-
endliche Vielheit von denjenigen gehalten werde, welche in
vielfachen Verirrungen ihres Verstandes und mit man-
cherlei Anführungen von Namen das Wesen des Alls zu zer-
stückeln suchen und es als etwas Unendliches und Ewiges,
ohne Anfang und ohne Zweck hinstellen. „Die letzteren,‟ so
berichtet er weiter, „nehmen gewisse unvergängliche (#),
sehr kleine und der Menge nach unzählige Körper an, welche
sie Atome nennen, sowie einen der Größe nach unbegrenzten
leeren Raum. Sie behaupten nun, daß diese Atome, wie sie
zufällig im Leeren sich bewegten, von selbst durch einen un-
ruhigen Drang miteinander zusammenstießen und infolge
ihrer vielartigen Gestaltung sich untereinander verflochten
und festhielten, und so diese Welt und was in ihr ist, ja sogar
unendlich viele Welten bildeten. Dieser Ansicht waren Epikur
und Demokrit; insofern weichen sie jedoch voneinander ab,
als der erstere sämtliche Atome als sehr klein und daher
nicht wahrnehmbar, Demokrit jedoch wenigstens einige Atome
auch als sehr groß annahm. Beide aber behaupten, daß sie
unteilbar (#) seien und wegen ihrer unauflöslichen
Festigkeit so genannt würden. Andere haben die Bezeichnung
der Atome verändert und sie teillose Körper (#)

1 Georg Roch, Die Schrift des alexandrinischen Bischofs Dionysius des
Großen „Über die Natur‟
J. D. Leipzig 1882. Die Übersetzung, welche Roch
S. 28—41 gibt, benutze ich vielfach in der obigen Darstellung. Als griechischer
Text dient mir die Ausgabe der Opera des Eusebius von Dindorf, Lips. 1867.
T. II p. 321 ff.
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[14/0032] Der Bericht des Dionysius Alexandrinus. mistik erhalten ist, dürfte Dionysius Alexandrinus auch „der Große‟ genannt, in seiner Schrift # hinterlassen haben. Ein älterer Zeitgenosse des Sextus Empiricus und Diogenes Laertius war er zugleich ein wissenschaftlich gründ- lich unterrichteter Mann, dessen Mitteilungen einen dauernden Wert besitzen. 1 Von besonderer Wichtigkeit aber ist es, daß derselbe Umstand, dem wir die Erhaltung umfangreicher Teile jener Schrift verdanken, ihnen zugleich die weiteste Verbreitung in den Kreisen christlicher Gelehrsamkeit gegeben hat, indem dieselben von Eusebius in seine Praeparatio Evangelica auf- genommen wurden. Dionysius führt seinen Bericht über die Lehre der Ato- miker sogleich mit dem Urteil ein, daß das All für eine un- endliche Vielheit von denjenigen gehalten werde, welche in vielfachen Verirrungen ihres Verstandes und mit man- cherlei Anführungen von Namen das Wesen des Alls zu zer- stückeln suchen und es als etwas Unendliches und Ewiges, ohne Anfang und ohne Zweck hinstellen. „Die letzteren,‟ so berichtet er weiter, „nehmen gewisse unvergängliche (#), sehr kleine und der Menge nach unzählige Körper an, welche sie Atome nennen, sowie einen der Größe nach unbegrenzten leeren Raum. Sie behaupten nun, daß diese Atome, wie sie zufällig im Leeren sich bewegten, von selbst durch einen un- ruhigen Drang miteinander zusammenstießen und infolge ihrer vielartigen Gestaltung sich untereinander verflochten und festhielten, und so diese Welt und was in ihr ist, ja sogar unendlich viele Welten bildeten. Dieser Ansicht waren Epikur und Demokrit; insofern weichen sie jedoch voneinander ab, als der erstere sämtliche Atome als sehr klein und daher nicht wahrnehmbar, Demokrit jedoch wenigstens einige Atome auch als sehr groß annahm. Beide aber behaupten, daß sie unteilbar (#) seien und wegen ihrer unauflöslichen Festigkeit so genannt würden. Andere haben die Bezeichnung der Atome verändert und sie teillose Körper (#) 1 Georg Roch, Die Schrift des alexandrinischen Bischofs Dionysius des Großen „Über die Natur‟ J. D. Leipzig 1882. Die Übersetzung, welche Roch S. 28—41 gibt, benutze ich vielfach in der obigen Darstellung. Als griechischer Text dient mir die Ausgabe der Opera des Eusebius von Dindorf, Lips. 1867. T. II p. 321 ff.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/32>, abgerufen am 23.04.2024.