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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Agrippa v. Nettesheim: Spiritus mundi.
stammen und wie es möglich ist, die Wirkungen der Elemente
in Verbindung zu setzen. Der Körper und die Materie sind
an und für sich einer Wirkung und Bewegung nicht fähig.
Aus eigener Macht und durch sich selbst beweglich ist nur die
Seele.1 Die Wechselwirkung der Dinge ist daher nur erklärlich
durch ein Beseeltsein derselben.

Der göttliche Geist, welcher die Bewegung erteilt, und
der unbewegliche, träge Körper bedürfen einer Vermittelung,
eines Mediums, welches gleichsam nicht Körper, sondern schon
Seele, und anderseits gleichsam nicht Seele, aber schon Körper
ist.2 Dieses Mittel ist der Weltgeist oder die Weltseele, der
spiritus mundi, d. i. die Quintessenz, das fünfte Element, welches
den andern vier übergeordnet ist. Durch die ganze Welt ist
dieser Spiritus ausgegossen, in allen Teilen derselben bewirkt
er Belebung der Körperwelt, wie unsre Seele den Körper be-
lebt; er verursacht alle Wechselwirkung der Dinge und macht
die geheimen Eigenschaften derselben erklärlich. Er besitzt
Ausdehnung und läßt sich aus den Körpern ausziehen; Agrippa
habe ihn selbst aus Gold ausgezogen, aber nicht mehr Gold
dadurch machen können, als das Gewicht des Goldes betrug,
aus welchem die Quintessenz extrahiert wurde; denn als aus-
gedehnte Größe kann dieselbe nicht über ihr eigenes Maß
hinaus wirksam sein.3

Die ganze Welt ist also belebt. Der Spiritus mundi, welcher
selbst aus dem göttlichen Geiste stammt, ist in der Körperwelt
der Träger und Schöpfer aller Veränderung, die zusammen-
haltende und entfaltende Kraft, welche auch das organische
Wachstum und alle Erzeugung bedingt. Entstehen und Ver-
gehen sind nicht mit Aristoteles auf den Einfluß der Sterne
zurückzuführen; denn lebendige Substanzen können nicht durch
äußere Einwirkung entstehen, sie bedürfen eines belebten
Samens, einer Entwickelung von innen heraus. Es wäre auch
absurd, wenn die unbedeutendsten Teilchen der Welt, ganz
kleine, kaum sichtbare Tierchen, belebt sein sollten, und die

1 A. a. O. c. 14. p. 23.
2 A. a. O. c. 14. p. 23.
3 A. a. O. c. 14. De spiritu mundi, quis sit et quod sit vinculum occul-
tarum virtutum. -- p. 23. Spiritus mundi, quam dicimus essentiam quintam. ...
cum sit ille spiritus forma extensa et non intensa, non potest ultra suam
mensuram imperfectum corpus in perfectum permutare.

Agrippa v. Nettesheim: Spiritus mundi.
stammen und wie es möglich ist, die Wirkungen der Elemente
in Verbindung zu setzen. Der Körper und die Materie sind
an und für sich einer Wirkung und Bewegung nicht fähig.
Aus eigener Macht und durch sich selbst beweglich ist nur die
Seele.1 Die Wechselwirkung der Dinge ist daher nur erklärlich
durch ein Beseeltsein derselben.

Der göttliche Geist, welcher die Bewegung erteilt, und
der unbewegliche, träge Körper bedürfen einer Vermittelung,
eines Mediums, welches gleichsam nicht Körper, sondern schon
Seele, und anderseits gleichsam nicht Seele, aber schon Körper
ist.2 Dieses Mittel ist der Weltgeist oder die Weltseele, der
spiritus mundi, d. i. die Quintessenz, das fünfte Element, welches
den andern vier übergeordnet ist. Durch die ganze Welt ist
dieser Spiritus ausgegossen, in allen Teilen derselben bewirkt
er Belebung der Körperwelt, wie unsre Seele den Körper be-
lebt; er verursacht alle Wechselwirkung der Dinge und macht
die geheimen Eigenschaften derselben erklärlich. Er besitzt
Ausdehnung und läßt sich aus den Körpern ausziehen; Agrippa
habe ihn selbst aus Gold ausgezogen, aber nicht mehr Gold
dadurch machen können, als das Gewicht des Goldes betrug,
aus welchem die Quintessenz extrahiert wurde; denn als aus-
gedehnte Größe kann dieselbe nicht über ihr eigenes Maß
hinaus wirksam sein.3

Die ganze Welt ist also belebt. Der Spiritus mundi, welcher
selbst aus dem göttlichen Geiste stammt, ist in der Körperwelt
der Träger und Schöpfer aller Veränderung, die zusammen-
haltende und entfaltende Kraft, welche auch das organische
Wachstum und alle Erzeugung bedingt. Entstehen und Ver-
gehen sind nicht mit Aristoteles auf den Einfluß der Sterne
zurückzuführen; denn lebendige Substanzen können nicht durch
äußere Einwirkung entstehen, sie bedürfen eines belebten
Samens, einer Entwickelung von innen heraus. Es wäre auch
absurd, wenn die unbedeutendsten Teilchen der Welt, ganz
kleine, kaum sichtbare Tierchen, belebt sein sollten, und die

1 A. a. O. c. 14. p. 23.
2 A. a. O. c. 14. p. 23.
3 A. a. O. c. 14. De spiritu mundi, quis sit et quod sit vinculum occul-
tarum virtutum. — p. 23. Spiritus mundi, quam dicimus essentiam quintam. …
cum sit ille spiritus forma extensa et non intensa, non potest ultra suam
mensuram imperfectum corpus in perfectum permutare.
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[292/0310] Agrippa v. Nettesheim: Spiritus mundi. stammen und wie es möglich ist, die Wirkungen der Elemente in Verbindung zu setzen. Der Körper und die Materie sind an und für sich einer Wirkung und Bewegung nicht fähig. Aus eigener Macht und durch sich selbst beweglich ist nur die Seele. 1 Die Wechselwirkung der Dinge ist daher nur erklärlich durch ein Beseeltsein derselben. Der göttliche Geist, welcher die Bewegung erteilt, und der unbewegliche, träge Körper bedürfen einer Vermittelung, eines Mediums, welches gleichsam nicht Körper, sondern schon Seele, und anderseits gleichsam nicht Seele, aber schon Körper ist. 2 Dieses Mittel ist der Weltgeist oder die Weltseele, der spiritus mundi, d. i. die Quintessenz, das fünfte Element, welches den andern vier übergeordnet ist. Durch die ganze Welt ist dieser Spiritus ausgegossen, in allen Teilen derselben bewirkt er Belebung der Körperwelt, wie unsre Seele den Körper be- lebt; er verursacht alle Wechselwirkung der Dinge und macht die geheimen Eigenschaften derselben erklärlich. Er besitzt Ausdehnung und läßt sich aus den Körpern ausziehen; Agrippa habe ihn selbst aus Gold ausgezogen, aber nicht mehr Gold dadurch machen können, als das Gewicht des Goldes betrug, aus welchem die Quintessenz extrahiert wurde; denn als aus- gedehnte Größe kann dieselbe nicht über ihr eigenes Maß hinaus wirksam sein. 3 Die ganze Welt ist also belebt. Der Spiritus mundi, welcher selbst aus dem göttlichen Geiste stammt, ist in der Körperwelt der Träger und Schöpfer aller Veränderung, die zusammen- haltende und entfaltende Kraft, welche auch das organische Wachstum und alle Erzeugung bedingt. Entstehen und Ver- gehen sind nicht mit Aristoteles auf den Einfluß der Sterne zurückzuführen; denn lebendige Substanzen können nicht durch äußere Einwirkung entstehen, sie bedürfen eines belebten Samens, einer Entwickelung von innen heraus. Es wäre auch absurd, wenn die unbedeutendsten Teilchen der Welt, ganz kleine, kaum sichtbare Tierchen, belebt sein sollten, und die 1 A. a. O. c. 14. p. 23. 2 A. a. O. c. 14. p. 23. 3 A. a. O. c. 14. De spiritu mundi, quis sit et quod sit vinculum occul- tarum virtutum. — p. 23. Spiritus mundi, quam dicimus essentiam quintam. … cum sit ille spiritus forma extensa et non intensa, non potest ultra suam mensuram imperfectum corpus in perfectum permutare.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/310>, abgerufen am 22.11.2024.