Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung: Die Aufgabe.
wachsens empirischer und mathematischer Kenntnisse zu einer
Wissenschaft vom Wesen des Körpers umgestalten. Dabei
müssen wir versuchen, das metaphysische Interesse abzusondern,
um diejenigen Gedankenreihen herauszufinden, in denen das
Naturerkennen als ein selbständiger Prozeß sich darstellt. In
diesem thatsächlichen historischen Vorgange fragen wir nach
den Begriffen, welche das Denken zur Bewältigung des neuen
Erfahrungsstoffes erzeugt, um aus ihnen die Einheitsbeziehungen
des Bewußtseins zu ermitteln, durch die überhaupt Natur-
erkenntnis möglich wird. Wenn es ein Ereignis gibt, woran
die Denkmittel zu entdecken sind, durch welche Natur im
wissenschaftlichen Sinne abgesondert wird aus dem Gesamt-
inhalt des menschlichen Bewußtseins als ein gesetzmäßiges
Geschehen, so muß dieses Ereignis nicht gesucht werden in
dem psychologischen Vorgange, in welchem sich dem einzelnen
Individuum seine Einsicht in den Naturzusammenhang klärt,
sondern es muß dort zu finden sein, wo die Wissenschaft von
der Natur zum erstenmale das subjektive Interesse der meta-
physischen Weltbetrachtung überwindet und als ein Ergebnis
des Denkens von objektivem Geltungswerte, als ein unverlier-
barer Gewinn der Menschheit von gesetzlicher Realität her-
vortritt.

Wir gehen daran, diese Denkmittel dort aufzusuchen, wo
in der Geschichte der Wissenschaften Physik und Philosophie
sich trennen, um an der Behandlung des Körperproblems
das Wesen des Naturerkennens zu studieren. Von hieraus
darf man hoffen, einen Rückschluß ziehen zu können, einer-
seits auf die naturwissenschaftlichen Motive, welche die Ent-
wickelung des europäischen Denkens, die wir die Geschichte
der Philosophie nennen, wesentlich mitbestimmten, anderseits
auf die allgemeinen Grundlagen, welche die Erkenntniskritik
der Physik zu bieten und zu sichern hat.



Einleitung: Die Aufgabe.
wachsens empirischer und mathematischer Kenntnisse zu einer
Wissenschaft vom Wesen des Körpers umgestalten. Dabei
müssen wir versuchen, das metaphysische Interesse abzusondern,
um diejenigen Gedankenreihen herauszufinden, in denen das
Naturerkennen als ein selbständiger Prozeß sich darstellt. In
diesem thatsächlichen historischen Vorgange fragen wir nach
den Begriffen, welche das Denken zur Bewältigung des neuen
Erfahrungsstoffes erzeugt, um aus ihnen die Einheitsbeziehungen
des Bewußtseins zu ermitteln, durch die überhaupt Natur-
erkenntnis möglich wird. Wenn es ein Ereignis gibt, woran
die Denkmittel zu entdecken sind, durch welche Natur im
wissenschaftlichen Sinne abgesondert wird aus dem Gesamt-
inhalt des menschlichen Bewußtseins als ein gesetzmäßiges
Geschehen, so muß dieses Ereignis nicht gesucht werden in
dem psychologischen Vorgange, in welchem sich dem einzelnen
Individuum seine Einsicht in den Naturzusammenhang klärt,
sondern es muß dort zu finden sein, wo die Wissenschaft von
der Natur zum erstenmale das subjektive Interesse der meta-
physischen Weltbetrachtung überwindet und als ein Ergebnis
des Denkens von objektivem Geltungswerte, als ein unverlier-
barer Gewinn der Menschheit von gesetzlicher Realität her-
vortritt.

Wir gehen daran, diese Denkmittel dort aufzusuchen, wo
in der Geschichte der Wissenschaften Physik und Philosophie
sich trennen, um an der Behandlung des Körperproblems
das Wesen des Naturerkennens zu studieren. Von hieraus
darf man hoffen, einen Rückschluß ziehen zu können, einer-
seits auf die naturwissenschaftlichen Motive, welche die Ent-
wickelung des europäischen Denkens, die wir die Geschichte
der Philosophie nennen, wesentlich mitbestimmten, anderseits
auf die allgemeinen Grundlagen, welche die Erkenntniskritik
der Physik zu bieten und zu sichern hat.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="8"/><fw place="top" type="header">Einleitung: Die Aufgabe.</fw><lb/>
wachsens empirischer und mathematischer Kenntnisse zu einer<lb/>
Wissenschaft vom Wesen des Körpers umgestalten. Dabei<lb/>
müssen wir versuchen, das metaphysische Interesse abzusondern,<lb/>
um diejenigen Gedankenreihen herauszufinden, in denen das<lb/>
Naturerkennen als ein selbständiger Prozeß sich darstellt. In<lb/>
diesem thatsächlichen historischen Vorgange fragen wir nach<lb/>
den Begriffen, welche das Denken zur Bewältigung des neuen<lb/>
Erfahrungsstoffes erzeugt, um aus ihnen die Einheitsbeziehungen<lb/>
des Bewußtseins zu ermitteln, durch die überhaupt Natur-<lb/>
erkenntnis möglich wird. Wenn es ein Ereignis gibt, woran<lb/>
die Denkmittel zu entdecken sind, durch welche Natur im<lb/>
wissenschaftlichen Sinne abgesondert wird aus dem Gesamt-<lb/>
inhalt des menschlichen Bewußtseins als ein gesetzmäßiges<lb/>
Geschehen, so muß dieses Ereignis nicht gesucht werden in<lb/>
dem psychologischen Vorgange, in welchem sich dem einzelnen<lb/>
Individuum seine Einsicht in den Naturzusammenhang klärt,<lb/>
sondern es muß dort zu finden sein, wo die Wissenschaft von<lb/>
der Natur zum erstenmale das subjektive Interesse der meta-<lb/>
physischen Weltbetrachtung überwindet und als ein Ergebnis<lb/>
des Denkens von objektivem Geltungswerte, als ein unverlier-<lb/>
barer Gewinn der Menschheit von gesetzlicher Realität her-<lb/>
vortritt.</p><lb/>
        <p>Wir gehen daran, diese Denkmittel dort aufzusuchen, wo<lb/>
in der Geschichte der Wissenschaften Physik und Philosophie<lb/>
sich trennen, um an der Behandlung des Körperproblems<lb/>
das Wesen des Naturerkennens zu studieren. Von hieraus<lb/>
darf man hoffen, einen Rückschluß ziehen zu können, einer-<lb/>
seits auf die naturwissenschaftlichen Motive, welche die Ent-<lb/>
wickelung des europäischen Denkens, die wir die Geschichte<lb/>
der Philosophie nennen, wesentlich mitbestimmten, anderseits<lb/>
auf die allgemeinen Grundlagen, welche die Erkenntniskritik<lb/>
der Physik zu bieten und zu sichern hat.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0026] Einleitung: Die Aufgabe. wachsens empirischer und mathematischer Kenntnisse zu einer Wissenschaft vom Wesen des Körpers umgestalten. Dabei müssen wir versuchen, das metaphysische Interesse abzusondern, um diejenigen Gedankenreihen herauszufinden, in denen das Naturerkennen als ein selbständiger Prozeß sich darstellt. In diesem thatsächlichen historischen Vorgange fragen wir nach den Begriffen, welche das Denken zur Bewältigung des neuen Erfahrungsstoffes erzeugt, um aus ihnen die Einheitsbeziehungen des Bewußtseins zu ermitteln, durch die überhaupt Natur- erkenntnis möglich wird. Wenn es ein Ereignis gibt, woran die Denkmittel zu entdecken sind, durch welche Natur im wissenschaftlichen Sinne abgesondert wird aus dem Gesamt- inhalt des menschlichen Bewußtseins als ein gesetzmäßiges Geschehen, so muß dieses Ereignis nicht gesucht werden in dem psychologischen Vorgange, in welchem sich dem einzelnen Individuum seine Einsicht in den Naturzusammenhang klärt, sondern es muß dort zu finden sein, wo die Wissenschaft von der Natur zum erstenmale das subjektive Interesse der meta- physischen Weltbetrachtung überwindet und als ein Ergebnis des Denkens von objektivem Geltungswerte, als ein unverlier- barer Gewinn der Menschheit von gesetzlicher Realität her- vortritt. Wir gehen daran, diese Denkmittel dort aufzusuchen, wo in der Geschichte der Wissenschaften Physik und Philosophie sich trennen, um an der Behandlung des Körperproblems das Wesen des Naturerkennens zu studieren. Von hieraus darf man hoffen, einen Rückschluß ziehen zu können, einer- seits auf die naturwissenschaftlichen Motive, welche die Ent- wickelung des europäischen Denkens, die wir die Geschichte der Philosophie nennen, wesentlich mitbestimmten, anderseits auf die allgemeinen Grundlagen, welche die Erkenntniskritik der Physik zu bieten und zu sichern hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/26
Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/26>, abgerufen am 03.12.2024.