Ibn Sina, wie fast alle arabischen Ärzte, steht auf den Schultern Galens, des Verehrers von Hippokrates und Aristo- teles, des Gegners der Atomiker und Methodiker. Aus diesem Grunde und wegen ihrer Unbekanntschaft mit der lateinischen Litteratur der Medizin blieb die Heilkunde der Araber von dem Einflusse der Methodiker frei, während derselbe im Abend- lande sich wirksam erhalten hatte, aber allerdings durch die Autorität von Hippokrates, Galen und Avicenna, deren Lehren namentlich von der berühmten Schule in Bologna gepflegt wurden, immer mehr gelähmt ward.
Die Wirkung der medizinischen Theorie der Araber ging nun, was den Einfluß auf die Bekämpfung der Atomistik be- trifft, mit dem Streben der Philosophie gänzlich Hand in Hand. Die Heilkunde berührt das Problem der Materie bei der Frage nach der Zusammensetzung des menschlichen und tierischen Körpers. Hier mußte es für den Arzt von Wichtigkeit sein zu wissen, ob und in welcher Weise die Körper eigenartige Bestandteile besitzen, weil sich nur daraus die Ursache der Erkrankung und die Wirkung der Heilmittel erklären und be- stimmen ließ. In dieser Beziehung hatte nun Hippokrates und seine Schule festgestellt, daß der Körper aus den vier Elementen des Trocknen, Feuchten, Kalten und Warmen be- stehe; denn diese bilden die Nahrungsmittel, die Nahrungs- mittel aber verwandeln sich im Körper in die Säfte (#, humores), deren es ebenfalls vier gibt, Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle (#).1 Das Charakteristische in der Theorie der hippokratischen Schule bestand in diesem Humorismus, d. h. in der ausschließ- lichen Berücksichtigung der flüssigen Bestandteile des Körpers. Im Gegensatze zu dieser Theorie stellte Asklepiades von Bi- thynien und nach ihm die "methodische" Schule die Be- hauptung in den Vordergrund, daß der Körper aus unzähligen,
1Galeni, De elementis secundum Hippocratem lib. I., GaleniOpera ed. Kühn, Tom. I. p. 457, 477, 479, 480, 487. Hippocratis # c. Galenicomment. in GaleniOp. ed. Kühn Tom. XV. p. 69. (c. 26): Die Säfte sind nicht gleichartig, sondern # #. Galeniin Hippocratis librum de alimento comment. I. (K. XV. p. 226). Über die Ächtheit der Schrift # Vgl. Zeller, Phil. d. Gr., II, 2. S. 441 A. 2.
Humorismus.
Ibn Sina, wie fast alle arabischen Ärzte, steht auf den Schultern Galens, des Verehrers von Hippokrates und Aristo- teles, des Gegners der Atomiker und Methodiker. Aus diesem Grunde und wegen ihrer Unbekanntschaft mit der lateinischen Litteratur der Medizin blieb die Heilkunde der Araber von dem Einflusse der Methodiker frei, während derselbe im Abend- lande sich wirksam erhalten hatte, aber allerdings durch die Autorität von Hippokrates, Galen und Avicenna, deren Lehren namentlich von der berühmten Schule in Bologna gepflegt wurden, immer mehr gelähmt ward.
Die Wirkung der medizinischen Theorie der Araber ging nun, was den Einfluß auf die Bekämpfung der Atomistik be- trifft, mit dem Streben der Philosophie gänzlich Hand in Hand. Die Heilkunde berührt das Problem der Materie bei der Frage nach der Zusammensetzung des menschlichen und tierischen Körpers. Hier mußte es für den Arzt von Wichtigkeit sein zu wissen, ob und in welcher Weise die Körper eigenartige Bestandteile besitzen, weil sich nur daraus die Ursache der Erkrankung und die Wirkung der Heilmittel erklären und be- stimmen ließ. In dieser Beziehung hatte nun Hippokrates und seine Schule festgestellt, daß der Körper aus den vier Elementen des Trocknen, Feuchten, Kalten und Warmen be- stehe; denn diese bilden die Nahrungsmittel, die Nahrungs- mittel aber verwandeln sich im Körper in die Säfte (#, humores), deren es ebenfalls vier gibt, Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle (#).1 Das Charakteristische in der Theorie der hippokratischen Schule bestand in diesem Humorismus, d. h. in der ausschließ- lichen Berücksichtigung der flüssigen Bestandteile des Körpers. Im Gegensatze zu dieser Theorie stellte Asklepiades von Bi- thynien und nach ihm die „methodische‟ Schule die Be- hauptung in den Vordergrund, daß der Körper aus unzähligen,
1Galeni, De elementis secundum Hippocratem lib. I., GaleniOpera ed. Kühn, Tom. I. p. 457, 477, 479, 480, 487. Hippocratis # c. Galenicomment. in GaleniOp. ed. Kühn Tom. XV. p. 69. (c. 26): Die Säfte sind nicht gleichartig, sondern # #. Galeniin Hippocratis librum de alimento comment. I. (K. XV. p. 226). Über die Ächtheit der Schrift # Vgl. Zeller, Phil. d. Gr., II, 2. S. 441 A. 2.
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Humorismus.
Ibn Sina, wie fast alle arabischen Ärzte, steht auf den
Schultern Galens, des Verehrers von Hippokrates und Aristo-
teles, des Gegners der Atomiker und Methodiker. Aus diesem
Grunde und wegen ihrer Unbekanntschaft mit der lateinischen
Litteratur der Medizin blieb die Heilkunde der Araber von
dem Einflusse der Methodiker frei, während derselbe im Abend-
lande sich wirksam erhalten hatte, aber allerdings durch die
Autorität von Hippokrates, Galen und Avicenna, deren Lehren
namentlich von der berühmten Schule in Bologna gepflegt
wurden, immer mehr gelähmt ward.
Die Wirkung der medizinischen Theorie der Araber ging
nun, was den Einfluß auf die Bekämpfung der Atomistik be-
trifft, mit dem Streben der Philosophie gänzlich Hand in Hand.
Die Heilkunde berührt das Problem der Materie bei der Frage
nach der Zusammensetzung des menschlichen und tierischen
Körpers. Hier mußte es für den Arzt von Wichtigkeit sein
zu wissen, ob und in welcher Weise die Körper eigenartige
Bestandteile besitzen, weil sich nur daraus die Ursache der
Erkrankung und die Wirkung der Heilmittel erklären und be-
stimmen ließ. In dieser Beziehung hatte nun Hippokrates
und seine Schule festgestellt, daß der Körper aus den vier
Elementen des Trocknen, Feuchten, Kalten und Warmen be-
stehe; denn diese bilden die Nahrungsmittel, die Nahrungs-
mittel aber verwandeln sich im Körper in die Säfte (#,
humores), deren es ebenfalls vier gibt, Blut, Schleim, gelbe
und schwarze Galle (#). 1
Das Charakteristische in der Theorie der hippokratischen
Schule bestand in diesem Humorismus, d. h. in der ausschließ-
lichen Berücksichtigung der flüssigen Bestandteile des Körpers.
Im Gegensatze zu dieser Theorie stellte Asklepiades von Bi-
thynien und nach ihm die „methodische‟ Schule die Be-
hauptung in den Vordergrund, daß der Körper aus unzähligen,
1 Galeni, De elementis secundum Hippocratem lib. I., Galeni Opera ed.
Kühn, Tom. I. p. 457, 477, 479, 480, 487. Hippocratis #
c. Galeni comment. in Galeni Op. ed. Kühn Tom. XV. p. 69. (c. 26): Die
Säfte sind nicht gleichartig, sondern #
#. Galeni in Hippocratis librum de alimento comment. I. (K. XV.
p. 226). Über die Ächtheit der Schrift # Vgl. Zeller, Phil.
d. Gr., II, 2. S. 441 A. 2.
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/247>, abgerufen am 24.11.2024.
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