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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Arabische und antike Naturforschung.
ausgedehnte und über die Leistungen der Griechen hinaus-
gehende Naturerfahrung besaßen. Die Mannigfaltigkeit
ihrer Bodenprodukte und das Studium derselben, sowie die
Zubereitung der Droguen, welche der Handel erforderte, kamen
den chemischen wie medizinischen Kenntnissen in gleicher
Weise zugute. Dazu trat eine hervorragende Geschicklichkeit
in der Herstellung von praktischen Werkzeugen und Neigung
und Fertigkeit zu quantitativen Bestimmungen. Die Araber
liefern die Materialien zu einer Naturwissenschaft.

Eine Naturwissenschaft selbst dagegen, als Wissenschaft,
haben sie nicht geschaffen. In allem Theoretischen hingen sie
von der Überlieferung der Griechen ab, die sie wohl mit neuem
Stoffe zu ergänzen, aber nicht mit neuer Form zu beleben wußten.
Jenes Naturwissen selbst genügte indessen, um nach der Über-
lieferung an das Abendland die Keime daselbst zur Entfaltung
zu bringen, welche schon im Altertum überall da sich vorgebildet
finden, wo praktische Naturerfahrung an die Erzeugung der
Erscheinungen selbst herantrat, um statt der logischen Zer-
legung in Form und Materie die physische Zerlegung und
Bearbeitung der natürlichen Körper empirisch zu betreiben
und theoretisch aufzuhellen.

Wir finden bereits im Altertum eine Betrachtungsweise
der Natur, welche neben der Philosophie selbständig einher-
geht. Seit des Aristoteles Zeit löst sich die Mathematik von
der Philosophie ab und behandelt auf ihre Weise physikalische
Probleme. Euklides, Aristarchos, Archimedes, Eratosthenes,
Hipparchos
und Heron von Alexandrien sind die Namen,
welche diese Richtung glänzend bezeichnen. Sie sind Mathe-
matiker und zum Teil hervorragende Mechaniker. Dennoch
darf man die unsterblichen Leistungen eines Archimedes in der
mathematischen Behandlung physikalischer Aufgaben nicht als
Physik im modernen Sinne, d. h. als Kausalerklärung von
Naturerscheinungen betrachten. Das Interesse ist durchaus
mathematisch, die Entwickelungen bewegen sich lediglich auf
geometrischem Gebiete, physikalische Aufgaben liefern nur die
Veranlassung. Auch beschränkt sich die mathematische Me-
chanik des Archimedes auf das statische Gebiet, auf welchem
er durch die Entdeckung des hydrostatischen Grundgesetzes
die höchste physikalische Leistung des Altertums vollzog. Die

Laßwitz. 14

Arabische und antike Naturforschung.
ausgedehnte und über die Leistungen der Griechen hinaus-
gehende Naturerfahrung besaßen. Die Mannigfaltigkeit
ihrer Bodenprodukte und das Studium derselben, sowie die
Zubereitung der Droguen, welche der Handel erforderte, kamen
den chemischen wie medizinischen Kenntnissen in gleicher
Weise zugute. Dazu trat eine hervorragende Geschicklichkeit
in der Herstellung von praktischen Werkzeugen und Neigung
und Fertigkeit zu quantitativen Bestimmungen. Die Araber
liefern die Materialien zu einer Naturwissenschaft.

Eine Naturwissenschaft selbst dagegen, als Wissenschaft,
haben sie nicht geschaffen. In allem Theoretischen hingen sie
von der Überlieferung der Griechen ab, die sie wohl mit neuem
Stoffe zu ergänzen, aber nicht mit neuer Form zu beleben wußten.
Jenes Naturwissen selbst genügte indessen, um nach der Über-
lieferung an das Abendland die Keime daselbst zur Entfaltung
zu bringen, welche schon im Altertum überall da sich vorgebildet
finden, wo praktische Naturerfahrung an die Erzeugung der
Erscheinungen selbst herantrat, um statt der logischen Zer-
legung in Form und Materie die physische Zerlegung und
Bearbeitung der natürlichen Körper empirisch zu betreiben
und theoretisch aufzuhellen.

Wir finden bereits im Altertum eine Betrachtungsweise
der Natur, welche neben der Philosophie selbständig einher-
geht. Seit des Aristoteles Zeit löst sich die Mathematik von
der Philosophie ab und behandelt auf ihre Weise physikalische
Probleme. Euklides, Aristarchos, Archimedes, Eratosthenes,
Hipparchos
und Heron von Alexandrien sind die Namen,
welche diese Richtung glänzend bezeichnen. Sie sind Mathe-
matiker und zum Teil hervorragende Mechaniker. Dennoch
darf man die unsterblichen Leistungen eines Archimedes in der
mathematischen Behandlung physikalischer Aufgaben nicht als
Physik im modernen Sinne, d. h. als Kausalerklärung von
Naturerscheinungen betrachten. Das Interesse ist durchaus
mathematisch, die Entwickelungen bewegen sich lediglich auf
geometrischem Gebiete, physikalische Aufgaben liefern nur die
Veranlassung. Auch beschränkt sich die mathematische Me-
chanik des Archimedes auf das statische Gebiet, auf welchem
er durch die Entdeckung des hydrostatischen Grundgesetzes
die höchste physikalische Leistung des Altertums vollzog. Die

Laßwitz. 14
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[209/0227] Arabische und antike Naturforschung. ausgedehnte und über die Leistungen der Griechen hinaus- gehende Naturerfahrung besaßen. Die Mannigfaltigkeit ihrer Bodenprodukte und das Studium derselben, sowie die Zubereitung der Droguen, welche der Handel erforderte, kamen den chemischen wie medizinischen Kenntnissen in gleicher Weise zugute. Dazu trat eine hervorragende Geschicklichkeit in der Herstellung von praktischen Werkzeugen und Neigung und Fertigkeit zu quantitativen Bestimmungen. Die Araber liefern die Materialien zu einer Naturwissenschaft. Eine Naturwissenschaft selbst dagegen, als Wissenschaft, haben sie nicht geschaffen. In allem Theoretischen hingen sie von der Überlieferung der Griechen ab, die sie wohl mit neuem Stoffe zu ergänzen, aber nicht mit neuer Form zu beleben wußten. Jenes Naturwissen selbst genügte indessen, um nach der Über- lieferung an das Abendland die Keime daselbst zur Entfaltung zu bringen, welche schon im Altertum überall da sich vorgebildet finden, wo praktische Naturerfahrung an die Erzeugung der Erscheinungen selbst herantrat, um statt der logischen Zer- legung in Form und Materie die physische Zerlegung und Bearbeitung der natürlichen Körper empirisch zu betreiben und theoretisch aufzuhellen. Wir finden bereits im Altertum eine Betrachtungsweise der Natur, welche neben der Philosophie selbständig einher- geht. Seit des Aristoteles Zeit löst sich die Mathematik von der Philosophie ab und behandelt auf ihre Weise physikalische Probleme. Euklides, Aristarchos, Archimedes, Eratosthenes, Hipparchos und Heron von Alexandrien sind die Namen, welche diese Richtung glänzend bezeichnen. Sie sind Mathe- matiker und zum Teil hervorragende Mechaniker. Dennoch darf man die unsterblichen Leistungen eines Archimedes in der mathematischen Behandlung physikalischer Aufgaben nicht als Physik im modernen Sinne, d. h. als Kausalerklärung von Naturerscheinungen betrachten. Das Interesse ist durchaus mathematisch, die Entwickelungen bewegen sich lediglich auf geometrischem Gebiete, physikalische Aufgaben liefern nur die Veranlassung. Auch beschränkt sich die mathematische Me- chanik des Archimedes auf das statische Gebiet, auf welchem er durch die Entdeckung des hydrostatischen Grundgesetzes die höchste physikalische Leistung des Altertums vollzog. Die Laßwitz. 14

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/227>, abgerufen am 26.11.2024.