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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.

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Scholastik: Außerweltliches Vacuum.
nämlich erstens den außerweltlichen leeren Raum,
welcher jenseits des äußersten Himmels, des Empyreums, ge-
dacht werden könnte; zweitens den innerweltlichen Raum,
welcher sich, getrennt von den Körpern, zwischen denselben
befinden soll; drittens den in den Körpern selbst angenomme-
nen leeren Raum, die Poren, welcher zur Erklärung der Ver-
dichtung und Verdünnung benutzt werden könnte.1 Der all-
gemeine Hauptgrund, welcher gegen das Vacuum angeführt
wird, ist der, wie oben erwähnt, im Begriff des Körperkonti-
nuums begründete, und beruht darauf, daß das Leere nur eine
Privation2 ist und der einigenden Form entbehrt.3 Es trägt
also in seinem Begriffe selbst die Unmöglichkeit seiner Existenz.
Das außerweltliche wie das innerweltliche Vacuum sind als in
sich widersprechend und naturwidrig anzusehen. Einige Fragen,
welche bei Besprechung des Vacuums in der Scholastik auf-
tauchen, mögen noch kurz erwähnt werden.

In Bezug auf den Raum außerhalb der Welt hatte Aver-
roes
4 behauptet, daß, wenn die Welt nicht, wie die Araber
lehrten, von Ewigkeit bestände, sondern eine geschaffene sei,
alsdann vor Entstehung der Welt an Stelle derselben ein leerer
Raum gewesen sein müsse. Die christlichen Scholastiker,
welche eine Weltschöpfung lehrten, mußten diesen Einwand
entkräften und konnten es unschwer, indem sie betonten, daß
vor der Erschaffung der Welt auch kein Raum, der zur Auf-
nahme von Körpern geeignet gewesen sei, existiert hätte.

Auch auf die Vorstellung von der Gestalt der Welt hat
der Glaube an die Unmöglichkeit des Vacuums Einfluß. Denn
wenn das Empyreum nicht genau kugelförmig gestaltet wäre,
so würde bei der Rotation desselben notwendigerweise ein
Vacuum entstehen. Eine etwaige Hervorragung, welche sich

1 Albertus Magnus, Phys. lib. IV. Tract. II, c. 1. Op. Tom. II. p. 165a.
Thomas von Aquino, Phys. lib. IV. lect. 14. Op. T. I f. 34, wo für Xirtes,
wie Albertus schreibt, das richtige Xuthos steht. Vgl. Aristoteles Phys.
lib. IV. c. 9. Vgl. z. Folgendem auch Comm. Coll. Conimbric. in Phys.
Arist.
1. 4. c. 9. qu. 1 p. 77 ff. Toletus, comm. in phys. Ar. 1. 4. qu. 10.
p. 129 D ff.
2 Averroes, Destr. destr. disp. 2. ch. 71 B.
3 R. Baco. Op. tertium c. 43. p. 154.
4 Comm. in phys. IV, comm. 6, Op. Arist. Venetiis 1560. T. IV. p. 101 E.
und De coelo I., comm. 92 a. a. O. T. V p. 66 B.

Scholastik: Außerweltliches Vacuum.
nämlich erstens den außerweltlichen leeren Raum,
welcher jenseits des äußersten Himmels, des Empyreums, ge-
dacht werden könnte; zweitens den innerweltlichen Raum,
welcher sich, getrennt von den Körpern, zwischen denselben
befinden soll; drittens den in den Körpern selbst angenomme-
nen leeren Raum, die Poren, welcher zur Erklärung der Ver-
dichtung und Verdünnung benutzt werden könnte.1 Der all-
gemeine Hauptgrund, welcher gegen das Vacuum angeführt
wird, ist der, wie oben erwähnt, im Begriff des Körperkonti-
nuums begründete, und beruht darauf, daß das Leere nur eine
Privation2 ist und der einigenden Form entbehrt.3 Es trägt
also in seinem Begriffe selbst die Unmöglichkeit seiner Existenz.
Das außerweltliche wie das innerweltliche Vacuum sind als in
sich widersprechend und naturwidrig anzusehen. Einige Fragen,
welche bei Besprechung des Vacuums in der Scholastik auf-
tauchen, mögen noch kurz erwähnt werden.

In Bezug auf den Raum außerhalb der Welt hatte Aver-
roes
4 behauptet, daß, wenn die Welt nicht, wie die Araber
lehrten, von Ewigkeit bestände, sondern eine geschaffene sei,
alsdann vor Entstehung der Welt an Stelle derselben ein leerer
Raum gewesen sein müsse. Die christlichen Scholastiker,
welche eine Weltschöpfung lehrten, mußten diesen Einwand
entkräften und konnten es unschwer, indem sie betonten, daß
vor der Erschaffung der Welt auch kein Raum, der zur Auf-
nahme von Körpern geeignet gewesen sei, existiert hätte.

Auch auf die Vorstellung von der Gestalt der Welt hat
der Glaube an die Unmöglichkeit des Vacuums Einfluß. Denn
wenn das Empyreum nicht genau kugelförmig gestaltet wäre,
so würde bei der Rotation desselben notwendigerweise ein
Vacuum entstehen. Eine etwaige Hervorragung, welche sich

1 Albertus Magnus, Phys. lib. IV. Tract. II, c. 1. Op. Tom. II. p. 165a.
Thomas von Aquino, Phys. lib. IV. lect. 14. Op. T. I f. 34, wo für Xirtes,
wie Albertus schreibt, das richtige Xuthos steht. Vgl. Aristoteles Phys.
lib. IV. c. 9. Vgl. z. Folgendem auch Comm. Coll. Conimbric. in Phys.
Arist.
1. 4. c. 9. qu. 1 p. 77 ff. Toletus, comm. in phys. Ar. 1. 4. qu. 10.
p. 129 D ff.
2 Averroes, Destr. destr. disp. 2. ch. 71 B.
3 R. Baco. Op. tertium c. 43. p. 154.
4 Comm. in phys. IV, comm. 6, Op. Arist. Venetiis 1560. T. IV. p. 101 E.
und De coelo I., comm. 92 a. a. O. T. V p. 66 B.
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[204/0222] Scholastik: Außerweltliches Vacuum. nämlich erstens den außerweltlichen leeren Raum, welcher jenseits des äußersten Himmels, des Empyreums, ge- dacht werden könnte; zweitens den innerweltlichen Raum, welcher sich, getrennt von den Körpern, zwischen denselben befinden soll; drittens den in den Körpern selbst angenomme- nen leeren Raum, die Poren, welcher zur Erklärung der Ver- dichtung und Verdünnung benutzt werden könnte. 1 Der all- gemeine Hauptgrund, welcher gegen das Vacuum angeführt wird, ist der, wie oben erwähnt, im Begriff des Körperkonti- nuums begründete, und beruht darauf, daß das Leere nur eine Privation 2 ist und der einigenden Form entbehrt. 3 Es trägt also in seinem Begriffe selbst die Unmöglichkeit seiner Existenz. Das außerweltliche wie das innerweltliche Vacuum sind als in sich widersprechend und naturwidrig anzusehen. Einige Fragen, welche bei Besprechung des Vacuums in der Scholastik auf- tauchen, mögen noch kurz erwähnt werden. In Bezug auf den Raum außerhalb der Welt hatte Aver- roes 4 behauptet, daß, wenn die Welt nicht, wie die Araber lehrten, von Ewigkeit bestände, sondern eine geschaffene sei, alsdann vor Entstehung der Welt an Stelle derselben ein leerer Raum gewesen sein müsse. Die christlichen Scholastiker, welche eine Weltschöpfung lehrten, mußten diesen Einwand entkräften und konnten es unschwer, indem sie betonten, daß vor der Erschaffung der Welt auch kein Raum, der zur Auf- nahme von Körpern geeignet gewesen sei, existiert hätte. Auch auf die Vorstellung von der Gestalt der Welt hat der Glaube an die Unmöglichkeit des Vacuums Einfluß. Denn wenn das Empyreum nicht genau kugelförmig gestaltet wäre, so würde bei der Rotation desselben notwendigerweise ein Vacuum entstehen. Eine etwaige Hervorragung, welche sich 1 Albertus Magnus, Phys. lib. IV. Tract. II, c. 1. Op. Tom. II. p. 165a. Thomas von Aquino, Phys. lib. IV. lect. 14. Op. T. I f. 34, wo für Xirtes, wie Albertus schreibt, das richtige Xuthos steht. Vgl. Aristoteles Phys. lib. IV. c. 9. Vgl. z. Folgendem auch Comm. Coll. Conimbric. in Phys. Arist. 1. 4. c. 9. qu. 1 p. 77 ff. Toletus, comm. in phys. Ar. 1. 4. qu. 10. p. 129 D ff. 2 Averroes, Destr. destr. disp. 2. ch. 71 B. 3 R. Baco. Op. tertium c. 43. p. 154. 4 Comm. in phys. IV, comm. 6, Op. Arist. Venetiis 1560. T. IV. p. 101 E. und De coelo I., comm. 92 a. a. O. T. V p. 66 B.

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Zitationshilfe: Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/222>, abgerufen am 27.11.2024.