Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890.Scholastik: Math. Beweise gg. die Atomistik. naturgemäß zu Widersprüchen. Dies weist wieder darauf hin,daß hier ein Denkmittel fehlt, welches den Charakter des Werdens einer Größe zu fixieren gestattet. Daher sind Betrachtungen dieser Art geeignet, klar zu machen, daß die Auffassung des geometrischen Punktes, insofern er Element der Linien und Flächen sein soll, als starrer Größe statt eines veränderlichen Elements nicht zulässig ist. In dieselbe Gruppe von mathematischen Beweisen gegen Als ein Beispiel, wie auch in den Kreisen der Mathematiker 1 Dieselben s. bei Aristot. De lin. insec. p. 970a 5 ff. und Albertus Magnus, De lin. insec. c. 3. Opera, Lugduni 1651. T. II p. 281. -- Vgl. oben S. 148 f. 2 Die Handschrift befindet sich in der Bibliothek des k. Gymnasiums zu
Thorn und ist auszugsweise veröffentlicht durch Max Curtze, Zeitschrift f. Math. und Phys. Bd. XIII. S. 85 ff. Scholastik: Math. Beweise gg. die Atomistik. naturgemäß zu Widersprüchen. Dies weist wieder darauf hin,daß hier ein Denkmittel fehlt, welches den Charakter des Werdens einer Größe zu fixieren gestattet. Daher sind Betrachtungen dieser Art geeignet, klar zu machen, daß die Auffassung des geometrischen Punktes, insofern er Element der Linien und Flächen sein soll, als starrer Größe statt eines veränderlichen Elements nicht zulässig ist. In dieselbe Gruppe von mathematischen Beweisen gegen Als ein Beispiel, wie auch in den Kreisen der Mathematiker 1 Dieselben s. bei Aristot. De lin. insec. p. 970a 5 ff. und Albertus Magnus, De lin. insec. c. 3. Opera, Lugduni 1651. T. II p. 281. — Vgl. oben S. 148 f. 2 Die Handschrift befindet sich in der Bibliothek des k. Gymnasiums zu
Thorn und ist auszugsweise veröffentlicht durch Max Curtze, Zeitschrift f. Math. und Phys. Bd. XIII. S. 85 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0215" n="197"/><fw place="top" type="header">Scholastik: Math. Beweise gg. die Atomistik.</fw><lb/> naturgemäß zu Widersprüchen. Dies weist wieder darauf hin,<lb/> daß hier ein Denkmittel fehlt, welches den Charakter des<lb/><hi rendition="#g">Werdens</hi> einer Größe zu fixieren gestattet. Daher sind<lb/> Betrachtungen dieser Art geeignet, klar zu machen, daß die<lb/> Auffassung des geometrischen Punktes, insofern er Element<lb/> der Linien und Flächen sein soll, als starrer Größe statt eines<lb/> veränderlichen Elements nicht zulässig ist.</p><lb/> <p>In dieselbe Gruppe von mathematischen Beweisen gegen<lb/> die Zusammensetzung des Kontinuums aus diskreten Punkten<lb/> gehört der Einwand, daß dann keine gerade Linie, überhaupt<lb/> keine Figur (z. B. ein Kreis) in zwei gleiche Teile geteilt<lb/> werden könne, wenn sie eine ungerade Zahl von Punkten<lb/> enthielte, weil der Mittelpunkt übrig bliebe; ebenso daß nicht<lb/> über jeder Geraden ein gleichschenkliges Dreieck errichtet<lb/> werden könnte, weil nicht jede Gerade eine Mitte hätte. Die<lb/> Teilung beliebiger Linien in proportionale Teile wäre nicht<lb/> möglich, während andrerseits das ganze zehnte Buch des <hi rendition="#k">Euklid</hi><lb/> über die Irrationalitäten überflüssig werden würde, weil zwischen<lb/> allen Linien rationale Verhältnisse bestehen müßten. Dazu<lb/> kommen endlich noch die Widersprüche, welche sich bei der<lb/> Konstruktion von Figuren aus unteilbaren Linienelementen<lb/> ergeben, weil man dabei auf die Existenz noch kleinerer Linien<lb/> oder Flächen als die unteilbaren geführt wird.<note place="foot" n="1">Dieselben s. bei <hi rendition="#k">Aristot</hi>. <hi rendition="#i">De lin. insec.</hi> p. 970a 5 ff. und <hi rendition="#k">Albertus Magnus</hi>,<lb/><hi rendition="#i">De lin. insec.</hi> c. 3. <hi rendition="#i">Opera</hi>, Lugduni 1651. T. II p. 281. — Vgl. oben S. 148 f.</note></p><lb/> <p>Als ein Beispiel, wie auch in den Kreisen der Mathematiker<lb/> die Kontroverse über die Existenz der Unteilbaren diskutiert<lb/> wird, sei auf eine aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts<lb/> stammende Schrift von <hi rendition="#k">Thomas Bradwardin</hi> († 1349) hinge-<lb/> wiesen, welche dieser der Widerlegung der Atomistik wid-<lb/> met.<note place="foot" n="2">Die Handschrift befindet sich in der Bibliothek des k. Gymnasiums zu<lb/> Thorn und ist auszugsweise veröffentlicht durch <hi rendition="#k">Max Curtze</hi>, <hi rendition="#i">Zeitschrift f.<lb/> Math. und Phys.</hi> Bd. XIII. S. 85 ff.</note> Nach ihm wird jedes Kontinuum durch unendlich viele<lb/> Kontinuen für dieselbe Art komponiert und <hi rendition="#g">besitzt</hi> unendlich<lb/> viele ihm eigentümliche Atome, aber es wird keineswegs aus<lb/> Atomen <hi rendition="#g">zusammengesetzt</hi> (Satz 58, 70), weder aus einer<lb/> unendlichen noch aus einer endlichen Anzahl, weder aus ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0215]
Scholastik: Math. Beweise gg. die Atomistik.
naturgemäß zu Widersprüchen. Dies weist wieder darauf hin,
daß hier ein Denkmittel fehlt, welches den Charakter des
Werdens einer Größe zu fixieren gestattet. Daher sind
Betrachtungen dieser Art geeignet, klar zu machen, daß die
Auffassung des geometrischen Punktes, insofern er Element
der Linien und Flächen sein soll, als starrer Größe statt eines
veränderlichen Elements nicht zulässig ist.
In dieselbe Gruppe von mathematischen Beweisen gegen
die Zusammensetzung des Kontinuums aus diskreten Punkten
gehört der Einwand, daß dann keine gerade Linie, überhaupt
keine Figur (z. B. ein Kreis) in zwei gleiche Teile geteilt
werden könne, wenn sie eine ungerade Zahl von Punkten
enthielte, weil der Mittelpunkt übrig bliebe; ebenso daß nicht
über jeder Geraden ein gleichschenkliges Dreieck errichtet
werden könnte, weil nicht jede Gerade eine Mitte hätte. Die
Teilung beliebiger Linien in proportionale Teile wäre nicht
möglich, während andrerseits das ganze zehnte Buch des Euklid
über die Irrationalitäten überflüssig werden würde, weil zwischen
allen Linien rationale Verhältnisse bestehen müßten. Dazu
kommen endlich noch die Widersprüche, welche sich bei der
Konstruktion von Figuren aus unteilbaren Linienelementen
ergeben, weil man dabei auf die Existenz noch kleinerer Linien
oder Flächen als die unteilbaren geführt wird. 1
Als ein Beispiel, wie auch in den Kreisen der Mathematiker
die Kontroverse über die Existenz der Unteilbaren diskutiert
wird, sei auf eine aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts
stammende Schrift von Thomas Bradwardin († 1349) hinge-
wiesen, welche dieser der Widerlegung der Atomistik wid-
met. 2 Nach ihm wird jedes Kontinuum durch unendlich viele
Kontinuen für dieselbe Art komponiert und besitzt unendlich
viele ihm eigentümliche Atome, aber es wird keineswegs aus
Atomen zusammengesetzt (Satz 58, 70), weder aus einer
unendlichen noch aus einer endlichen Anzahl, weder aus ver-
1 Dieselben s. bei Aristot. De lin. insec. p. 970a 5 ff. und Albertus Magnus,
De lin. insec. c. 3. Opera, Lugduni 1651. T. II p. 281. — Vgl. oben S. 148 f.
2 Die Handschrift befindet sich in der Bibliothek des k. Gymnasiums zu
Thorn und ist auszugsweise veröffentlicht durch Max Curtze, Zeitschrift f.
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