Kugeln zerschnitten werden, so ist es doch gänzlich unbegründet, daß sie wieder in Pyramiden und Kugeln zerschnitten werden sollten, gerade als wenn ein Messer oder eine Schere alles wieder in Messer und Scheren zerschnitte!
Überhaupt ist es kein Grund, dem Feuer seine Gestalt seiner zerteilenden Eigenschaft wegen zuzusprechen, da es doch viel- mehr verbindende Eigenschaft hat. Auch müßte dann das Kalte entgegengesetzte Form wie das Warme haben.
Es ergibt sich demnach, daß weder die Existenz der vier Grundstoffe noch ihr gegenseitiger Übergang ineinander aus atomistischen Prinzipien genügend erklärt werden kann.
Was aber freilich das Entstehen und Vergehen, die Zusammensetzung aus den Grundstoffen anbetrifft, so muß man zugeben, daß Demokrit eigentlich der einzige ist, der hierüber überhaupt wissenschaftliche Angaben gemacht hat. Dieselben sind nun weiter zu betrachten.1
b. Entstehen und Vergehen, Änderung der Eigenschaften.
Demokrit und Leukipp erklären das Entstehen und Ver- gehen durch das Zusammensichten (#) und Aus- einandersichten (#) der Atome, die qualitative Änderung durch ihre Reihenfolge (#) und Lage (#).2 Durch die Veränderung der räumlichen Anordnung der Teile, selbst wenn sich nur ein Kleines in seiner Bewegung ändert, kann das Ganze ein durchaus andres Aussehen bekommen; aus den nämlichen Buchstaben entsteht eine Tragödie und eine Komödie. In der That ist es schwierig, die Frage zu bejahen oder zu verneinen, ob das Entstehen ein Zusammensichten ist; in beiden Fällen ergeben sich Unmöglichkeiten, die im ersten Falle gar nicht, im zweiten nur sehr schwer zu lösen sind.
Der Hauptgrund, welcher gegen das Entstehen als ein Zusammensichten spricht, ist der, daß es überhaupt keine unteilbaren Größen geben kann. Die Gründe dafür sind schon wiederholt auseinandergesetzt worden. Ganz unhaltbar ist
1De gen. et corr. I, 2. 315a 34. Vgl. auch I, 8. 324b 35 f.
2 Dies und das Folgende nach De gen. et corr. I, 2. 315b f. Demokrit gebrauchte die technischen Ausdrücke # und # für die Lageänderung der Atome.
Aristoteles gg. d. Atom.: Synkrisis.
Kugeln zerschnitten werden, so ist es doch gänzlich unbegründet, daß sie wieder in Pyramiden und Kugeln zerschnitten werden sollten, gerade als wenn ein Messer oder eine Schere alles wieder in Messer und Scheren zerschnitte!
Überhaupt ist es kein Grund, dem Feuer seine Gestalt seiner zerteilenden Eigenschaft wegen zuzusprechen, da es doch viel- mehr verbindende Eigenschaft hat. Auch müßte dann das Kalte entgegengesetzte Form wie das Warme haben.
Es ergibt sich demnach, daß weder die Existenz der vier Grundstoffe noch ihr gegenseitiger Übergang ineinander aus atomistischen Prinzipien genügend erklärt werden kann.
Was aber freilich das Entstehen und Vergehen, die Zusammensetzung aus den Grundstoffen anbetrifft, so muß man zugeben, daß Demokrit eigentlich der einzige ist, der hierüber überhaupt wissenschaftliche Angaben gemacht hat. Dieselben sind nun weiter zu betrachten.1
b. Entstehen und Vergehen, Änderung der Eigenschaften.
Demokrit und Leukipp erklären das Entstehen und Ver- gehen durch das Zusammensichten (#) und Aus- einandersichten (#) der Atome, die qualitative Änderung durch ihre Reihenfolge (#) und Lage (#).2 Durch die Veränderung der räumlichen Anordnung der Teile, selbst wenn sich nur ein Kleines in seiner Bewegung ändert, kann das Ganze ein durchaus andres Aussehen bekommen; aus den nämlichen Buchstaben entsteht eine Tragödie und eine Komödie. In der That ist es schwierig, die Frage zu bejahen oder zu verneinen, ob das Entstehen ein Zusammensichten ist; in beiden Fällen ergeben sich Unmöglichkeiten, die im ersten Falle gar nicht, im zweiten nur sehr schwer zu lösen sind.
Der Hauptgrund, welcher gegen das Entstehen als ein Zusammensichten spricht, ist der, daß es überhaupt keine unteilbaren Größen geben kann. Die Gründe dafür sind schon wiederholt auseinandergesetzt worden. Ganz unhaltbar ist
1De gen. et corr. I, 2. 315a 34. Vgl. auch I, 8. 324b 35 f.
2 Dies und das Folgende nach De gen. et corr. I, 2. 315b f. Demokrit gebrauchte die technischen Ausdrücke # und # für die Lageänderung der Atome.
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Aristoteles gg. d. Atom.: Synkrisis.
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sollten, gerade als wenn ein Messer oder eine Schere alles
wieder in Messer und Scheren zerschnitte!
Überhaupt ist es kein Grund, dem Feuer seine Gestalt seiner
zerteilenden Eigenschaft wegen zuzusprechen, da es doch viel-
mehr verbindende Eigenschaft hat. Auch müßte dann das
Kalte entgegengesetzte Form wie das Warme haben.
Es ergibt sich demnach, daß weder die Existenz der vier
Grundstoffe noch ihr gegenseitiger Übergang ineinander aus
atomistischen Prinzipien genügend erklärt werden kann.
Was aber freilich das Entstehen und Vergehen, die
Zusammensetzung aus den Grundstoffen anbetrifft, so muß
man zugeben, daß Demokrit eigentlich der einzige ist, der
hierüber überhaupt wissenschaftliche Angaben gemacht hat.
Dieselben sind nun weiter zu betrachten. 1
b. Entstehen und Vergehen, Änderung der Eigenschaften.
Demokrit und Leukipp erklären das Entstehen und Ver-
gehen durch das Zusammensichten (#) und Aus-
einandersichten (#) der Atome, die qualitative Änderung
durch ihre Reihenfolge (#) und Lage (#). 2 Durch die
Veränderung der räumlichen Anordnung der Teile, selbst wenn
sich nur ein Kleines in seiner Bewegung ändert, kann das Ganze
ein durchaus andres Aussehen bekommen; aus den nämlichen
Buchstaben entsteht eine Tragödie und eine Komödie. In der
That ist es schwierig, die Frage zu bejahen oder zu verneinen,
ob das Entstehen ein Zusammensichten ist; in beiden Fällen
ergeben sich Unmöglichkeiten, die im ersten Falle gar nicht,
im zweiten nur sehr schwer zu lösen sind.
Der Hauptgrund, welcher gegen das Entstehen als ein
Zusammensichten spricht, ist der, daß es überhaupt keine
unteilbaren Größen geben kann. Die Gründe dafür sind schon
wiederholt auseinandergesetzt worden. Ganz unhaltbar ist
1 De gen. et corr. I, 2. 315a 34. Vgl. auch I, 8. 324b 35 f.
2 Dies und das Folgende nach De gen. et corr. I, 2. 315b f. Demokrit
gebrauchte die technischen Ausdrücke # und # für die Lageänderung
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Laßwitz, Kurd: Geschichte der Atomistik. Bd. 1. Hamburg, 1890, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lasswitz_atom01_1890/136>, abgerufen am 16.02.2025.
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