Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

welche durch Verheimlichung im Jahre 1809 der angeordneten
Stempelung entzogen worden waren. Die Gründe gegen alle
Steuern dieser Art
haben seitdem im preußischen Staat
eine so vollständige Würdigung und Anerkennung gefunden,
daß an deren erneuerte Einführung seit dem wieder hergestellten
Frieden durchaus nicht mehr gedacht wurde."

So Hoffmann! Da haben Sie das ewige Schicksal aller
Luxussteuern, gleichviel in welcher Form sie auftreten. Jmmer
die gleiche Ertraglosigkeit! Und warum sind alle Luxussteuern
immer von so geringfügigstem Ertrag und warum lastet daher
der Betrag des Budgets nothwendig immer in so unendlich
überwiegendem Maße gerade auf den Schultern der unteren
Klassen? Jch will Jhnen dies gründlich und bis zur compac-
testen Handgreiflichkeit entwickeln.

Der Staatsanwalt hat ausgerufen (p. 31 des stenogr. Be-
richts): "Wie wunderbar ist es, behaupten zu wollen, daß
die indirecten Steuern lediglich -- beiläufig: ich habe nicht ge-
sagt lediglich, was ein Unsinn wäre, sondern ich habe in meinem
Vortrag gesagt: "in bei weitem überwiegendem Maße" und ich
sage heut: in unendlich überwiegendem Maße -- vom vierten
Stande, von den Armen aufgebracht werden! Der Arme ist
factisch nicht in der Lage, solche Beiträge zur indirecten Steuer
zu bezahlen."

Für diesen Einen Satz vergebe ich dem Staatsanwalt
Alles, was er sonst gesagt hat. Denn dieser Satz zeigt, daß
sein Herz nicht schlecht ist, daß er wirklich an das glaubt,
was er da sagt, und es kommt mehr auf das Herz an als auf
den Kopf!

Freilich, die Unkunde in allen materiellen Verhältnissen der
Gesellschaft, die sich in diesem Satz ausspricht, ist ungeheuer.

Aber das Studium der Strafrechtsparagraphen und das
Leben in der bürgerlichen Gesellschaft ist allerdings kein Weg,
um die materiellen Mysterien der Gesellschaft kennen zu lernen,
und es giebt überhaupt keinen andern Weg hierzu, als einige
Jahre seines Lebens der traurigen und ariden Wissenschaft der
Zahlen zu weihen. Jch glaube daher, daß auch Sie selbst durch
die Reihe von Thatsachen, die ich Jhnen sofort in der beweis-
fähigsten Form von der Welt mittheilen werde, eben so höchlich
als schmerzlich überrascht sein werden!

Treiben wir also einen Moment vaterländische Statistik!

welche durch Verheimlichung im Jahre 1809 der angeordneten
Stempelung entzogen worden waren. Die Gründe gegen alle
Steuern dieſer Art
haben ſeitdem im preußiſchen Staat
eine ſo vollſtändige Würdigung und Anerkennung gefunden,
daß an deren erneuerte Einführung ſeit dem wieder hergeſtellten
Frieden durchaus nicht mehr gedacht wurde.“

So Hoffmann! Da haben Sie das ewige Schickſal aller
Luxusſteuern, gleichviel in welcher Form ſie auftreten. Jmmer
die gleiche Ertragloſigkeit! Und warum ſind alle Luxusſteuern
immer von ſo geringfügigſtem Ertrag und warum laſtet daher
der Betrag des Budgets nothwendig immer in ſo unendlich
überwiegendem Maße gerade auf den Schultern der unteren
Klaſſen? Jch will Jhnen dies gründlich und bis zur compac-
teſten Handgreiflichkeit entwickeln.

Der Staatsanwalt hat ausgerufen (p. 31 des ſtenogr. Be-
richts): „Wie wunderbar iſt es, behaupten zu wollen, daß
die indirecten Steuern lediglich — beiläufig: ich habe nicht ge-
ſagt lediglich, was ein Unſinn wäre, ſondern ich habe in meinem
Vortrag geſagt: „in bei weitem überwiegendem Maße“ und ich
ſage heut: in unendlich überwiegendem Maße — vom vierten
Stande, von den Armen aufgebracht werden! Der Arme iſt
factiſch nicht in der Lage, ſolche Beiträge zur indirecten Steuer
zu bezahlen.“

Für dieſen Einen Satz vergebe ich dem Staatsanwalt
Alles, was er ſonſt geſagt hat. Denn dieſer Satz zeigt, daß
ſein Herz nicht ſchlecht iſt, daß er wirklich an das glaubt,
was er da ſagt, und es kommt mehr auf das Herz an als auf
den Kopf!

Freilich, die Unkunde in allen materiellen Verhältniſſen der
Geſellſchaft, die ſich in dieſem Satz ausſpricht, iſt ungeheuer.

Aber das Studium der Strafrechtsparagraphen und das
Leben in der bürgerlichen Geſellſchaft iſt allerdings kein Weg,
um die materiellen Myſterien der Geſellſchaft kennen zu lernen,
und es giebt überhaupt keinen andern Weg hierzu, als einige
Jahre ſeines Lebens der traurigen und ariden Wiſſenſchaft der
Zahlen zu weihen. Jch glaube daher, daß auch Sie ſelbſt durch
die Reihe von Thatſachen, die ich Jhnen ſofort in der beweis-
fähigſten Form von der Welt mittheilen werde, eben ſo höchlich
als ſchmerzlich überraſcht ſein werden!

Treiben wir alſo einen Moment vaterländiſche Statiſtik!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="54"/>
welche durch Verheimlichung im Jahre 1809 der angeordneten<lb/>
Stempelung entzogen worden waren. Die Gründe gegen <hi rendition="#g">alle<lb/>
Steuern die&#x017F;er Art</hi> haben &#x017F;eitdem im preußi&#x017F;chen Staat<lb/>
eine &#x017F;o voll&#x017F;tändige Würdigung und Anerkennung gefunden,<lb/>
daß an deren erneuerte Einführung &#x017F;eit dem wieder herge&#x017F;tellten<lb/>
Frieden durchaus nicht mehr gedacht wurde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>So Hoffmann! Da haben Sie das ewige Schick&#x017F;al aller<lb/>
Luxus&#x017F;teuern, gleichviel in welcher Form &#x017F;ie auftreten. Jmmer<lb/>
die gleiche Ertraglo&#x017F;igkeit! Und <hi rendition="#g">warum</hi> &#x017F;ind alle Luxus&#x017F;teuern<lb/>
immer von &#x017F;o geringfügig&#x017F;tem Ertrag und <hi rendition="#g">warum</hi> la&#x017F;tet daher<lb/>
der Betrag des Budgets nothwendig immer in &#x017F;o unendlich<lb/>
überwiegendem Maße gerade auf den Schultern der unteren<lb/>
Kla&#x017F;&#x017F;en? Jch will Jhnen dies gründlich und bis zur compac-<lb/>
te&#x017F;ten Handgreiflichkeit entwickeln.</p><lb/>
        <p>Der Staatsanwalt hat ausgerufen (<hi rendition="#aq">p.</hi> 31 des &#x017F;tenogr. Be-<lb/>
richts): &#x201E;Wie <hi rendition="#g">wunderbar</hi> i&#x017F;t es, behaupten zu wollen, daß<lb/>
die indirecten Steuern lediglich &#x2014; beiläufig: <hi rendition="#g">ich</hi> habe nicht ge-<lb/>
&#x017F;agt lediglich, was ein Un&#x017F;inn wäre, &#x017F;ondern ich habe in meinem<lb/>
Vortrag ge&#x017F;agt: &#x201E;in bei weitem überwiegendem Maße&#x201C; und ich<lb/>
&#x017F;age heut: in unendlich überwiegendem Maße &#x2014; vom vierten<lb/>
Stande, von den Armen aufgebracht werden! Der Arme i&#x017F;t<lb/>
facti&#x017F;ch nicht in der Lage, &#x017F;olche Beiträge zur indirecten Steuer<lb/>
zu bezahlen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Für die&#x017F;en Einen Satz vergebe ich dem Staatsanwalt<lb/>
Alles, was er &#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;agt hat. Denn die&#x017F;er Satz zeigt, daß<lb/>
&#x017F;ein <hi rendition="#g">Herz</hi> nicht &#x017F;chlecht i&#x017F;t, daß er <hi rendition="#g">wirklich</hi> an das <hi rendition="#g">glaubt,</hi><lb/>
was er da &#x017F;agt, und es kommt mehr auf das Herz an als auf<lb/>
den Kopf!</p><lb/>
        <p>Freilich, die Unkunde in allen materiellen Verhältni&#x017F;&#x017F;en der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, die &#x017F;ich in die&#x017F;em Satz aus&#x017F;pricht, i&#x017F;t ungeheuer.</p><lb/>
        <p>Aber das Studium der Strafrechtsparagraphen und das<lb/>
Leben in der bürgerlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft i&#x017F;t allerdings kein Weg,<lb/>
um die materiellen My&#x017F;terien der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft kennen zu lernen,<lb/>
und es giebt überhaupt keinen andern Weg hierzu, als einige<lb/>
Jahre &#x017F;eines Lebens der traurigen und ariden Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft der<lb/>
Zahlen zu weihen. Jch glaube daher, daß auch Sie &#x017F;elb&#x017F;t durch<lb/>
die Reihe von That&#x017F;achen, die ich Jhnen &#x017F;ofort in der beweis-<lb/>
fähig&#x017F;ten Form von der Welt mittheilen werde, eben &#x017F;o höchlich<lb/>
als &#x017F;chmerzlich überra&#x017F;cht &#x017F;ein werden!</p><lb/>
        <p>Treiben wir al&#x017F;o einen Moment vaterländi&#x017F;che Stati&#x017F;tik!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0060] welche durch Verheimlichung im Jahre 1809 der angeordneten Stempelung entzogen worden waren. Die Gründe gegen alle Steuern dieſer Art haben ſeitdem im preußiſchen Staat eine ſo vollſtändige Würdigung und Anerkennung gefunden, daß an deren erneuerte Einführung ſeit dem wieder hergeſtellten Frieden durchaus nicht mehr gedacht wurde.“ So Hoffmann! Da haben Sie das ewige Schickſal aller Luxusſteuern, gleichviel in welcher Form ſie auftreten. Jmmer die gleiche Ertragloſigkeit! Und warum ſind alle Luxusſteuern immer von ſo geringfügigſtem Ertrag und warum laſtet daher der Betrag des Budgets nothwendig immer in ſo unendlich überwiegendem Maße gerade auf den Schultern der unteren Klaſſen? Jch will Jhnen dies gründlich und bis zur compac- teſten Handgreiflichkeit entwickeln. Der Staatsanwalt hat ausgerufen (p. 31 des ſtenogr. Be- richts): „Wie wunderbar iſt es, behaupten zu wollen, daß die indirecten Steuern lediglich — beiläufig: ich habe nicht ge- ſagt lediglich, was ein Unſinn wäre, ſondern ich habe in meinem Vortrag geſagt: „in bei weitem überwiegendem Maße“ und ich ſage heut: in unendlich überwiegendem Maße — vom vierten Stande, von den Armen aufgebracht werden! Der Arme iſt factiſch nicht in der Lage, ſolche Beiträge zur indirecten Steuer zu bezahlen.“ Für dieſen Einen Satz vergebe ich dem Staatsanwalt Alles, was er ſonſt geſagt hat. Denn dieſer Satz zeigt, daß ſein Herz nicht ſchlecht iſt, daß er wirklich an das glaubt, was er da ſagt, und es kommt mehr auf das Herz an als auf den Kopf! Freilich, die Unkunde in allen materiellen Verhältniſſen der Geſellſchaft, die ſich in dieſem Satz ausſpricht, iſt ungeheuer. Aber das Studium der Strafrechtsparagraphen und das Leben in der bürgerlichen Geſellſchaft iſt allerdings kein Weg, um die materiellen Myſterien der Geſellſchaft kennen zu lernen, und es giebt überhaupt keinen andern Weg hierzu, als einige Jahre ſeines Lebens der traurigen und ariden Wiſſenſchaft der Zahlen zu weihen. Jch glaube daher, daß auch Sie ſelbſt durch die Reihe von Thatſachen, die ich Jhnen ſofort in der beweis- fähigſten Form von der Welt mittheilen werde, eben ſo höchlich als ſchmerzlich überraſcht ſein werden! Treiben wir alſo einen Moment vaterländiſche Statiſtik!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/60
Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/60>, abgerufen am 05.12.2024.