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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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des Rechtes dar, eine Verletzung -- so schreiend, daß sie selbst
noch in den Zeiten höchster Rechtlosigkeit in diesem Grade
ohne Beispiel dasteht.

Wissen Sie, meine Herren, welchen Fall die conservativen
Geschichtschreiber als den ärgsten Greuel wilder Rechtslosigkeit
anführen, welchen die Schreckenstribunale der französischen Re-
volution auf sich geladen haben? Es ist der Fall einer Verur-
theilung, die deshalb erging, weil der Angeklagte überführt war
die Arie gesungen zu haben: O Richard, mon roi! "O Richard,
mein König!"

Nun wohl! Jch werde verurtheilt, weil der Richter nicht
einmal auf meinen Lippen, nein, weil er auf dem Grunde
meiner Seele
die Melodie gefunden zu haben glaubt:
O Revolution, ma reine! "O Revolution, meine Königin!"

Wollen uns die Tribunale wirklich auf den Weg fran-
zösischer Entwickelung hinzwängen? Sollen wir uns gegenseitig
abschlachten um unserer Ansichten willen? Findet der Ap-
pell an den germanischen Rechtssinn kein Echo mehr in der Brust
unserer Richter? Jst er ausgestorben unter uns? Haben wir
den Sinn für das Recht des Jndividuums, dessen die
deutsche Nation sich rühmt, seit sie existirt, uns wirklich schon
gänzlich abgearbeitet und abgerieben im historischen Proceß?
Sind wir wirklich schon so weit romanisirt, uns um unserer An-
sichten willen als Verbrecher zu verfolgen?

Jch werde Jhnen nicht verhehlen, meine Herren, daß unsere
Ansichten gar weit aus einander liegen mögen. Jch wünsche
gewiß Vieles, was Sie nicht wünschen mögen, und wünsche Vieles
nicht, was Sie wünschen.

Aber was hat das mit der Sphäre unseres Rechtes zu
thun?

Mehr noch als das, was wir wünschen, trennt uns das,
was wir glauben.

Sie glauben an keine Revolution, meine Herren. Mich
-- ja, mich haben meine Studien dahin gebracht, an eine Re-
volution zu glauben.

Jch habe mich schon in meiner Vertheidigungsrede erster
Jnstanz darüber ausgesprochen, welches die wissenschaft-
liche
Bedeutung des Wortes Revolution ist, in welcher ich
dieses Wort stets fasse.

Diese Bedeutung ist keine andere, als die, daß ein neues

des Rechtes dar, eine Verletzung — ſo ſchreiend, daß ſie ſelbſt
noch in den Zeiten höchſter Rechtloſigkeit in dieſem Grade
ohne Beiſpiel daſteht.

Wiſſen Sie, meine Herren, welchen Fall die conſervativen
Geſchichtſchreiber als den ärgſten Greuel wilder Rechtsloſigkeit
anführen, welchen die Schreckenstribunale der franzöſiſchen Re-
volution auf ſich geladen haben? Es iſt der Fall einer Verur-
theilung, die deshalb erging, weil der Angeklagte überführt war
die Arie geſungen zu haben: O Richard, mon roi! „O Richard,
mein König!“

Nun wohl! Jch werde verurtheilt, weil der Richter nicht
einmal auf meinen Lippen, nein, weil er auf dem Grunde
meiner Seele
die Melodie gefunden zu haben glaubt:
O Révolution, ma reine! „O Revolution, meine Königin!“

Wollen uns die Tribunale wirklich auf den Weg fran-
zöſiſcher Entwickelung hinzwängen? Sollen wir uns gegenſeitig
abſchlachten um unſerer Anſichten willen? Findet der Ap-
pell an den germaniſchen Rechtsſinn kein Echo mehr in der Bruſt
unſerer Richter? Jſt er ausgeſtorben unter uns? Haben wir
den Sinn für das Recht des Jndividuums, deſſen die
deutſche Nation ſich rühmt, ſeit ſie exiſtirt, uns wirklich ſchon
gänzlich abgearbeitet und abgerieben im hiſtoriſchen Proceß?
Sind wir wirklich ſchon ſo weit romaniſirt, uns um unſerer An-
ſichten willen als Verbrecher zu verfolgen?

Jch werde Jhnen nicht verhehlen, meine Herren, daß unſere
Anſichten gar weit aus einander liegen mögen. Jch wünſche
gewiß Vieles, was Sie nicht wünſchen mögen, und wünſche Vieles
nicht, was Sie wünſchen.

Aber was hat das mit der Sphäre unſeres Rechtes zu
thun?

Mehr noch als das, was wir wünſchen, trennt uns das,
was wir glauben.

Sie glauben an keine Revolution, meine Herren. Mich
— ja, mich haben meine Studien dahin gebracht, an eine Re-
volution zu glauben.

Jch habe mich ſchon in meiner Vertheidigungsrede erſter
Jnſtanz darüber ausgeſprochen, welches die wiſſenſchaft-
liche
Bedeutung des Wortes Revolution iſt, in welcher ich
dieſes Wort ſtets faſſe.

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[130/0136] des Rechtes dar, eine Verletzung — ſo ſchreiend, daß ſie ſelbſt noch in den Zeiten höchſter Rechtloſigkeit in dieſem Grade ohne Beiſpiel daſteht. Wiſſen Sie, meine Herren, welchen Fall die conſervativen Geſchichtſchreiber als den ärgſten Greuel wilder Rechtsloſigkeit anführen, welchen die Schreckenstribunale der franzöſiſchen Re- volution auf ſich geladen haben? Es iſt der Fall einer Verur- theilung, die deshalb erging, weil der Angeklagte überführt war die Arie geſungen zu haben: O Richard, mon roi! „O Richard, mein König!“ Nun wohl! Jch werde verurtheilt, weil der Richter nicht einmal auf meinen Lippen, nein, weil er auf dem Grunde meiner Seele die Melodie gefunden zu haben glaubt: O Révolution, ma reine! „O Revolution, meine Königin!“ Wollen uns die Tribunale wirklich auf den Weg fran- zöſiſcher Entwickelung hinzwängen? Sollen wir uns gegenſeitig abſchlachten um unſerer Anſichten willen? Findet der Ap- pell an den germaniſchen Rechtsſinn kein Echo mehr in der Bruſt unſerer Richter? Jſt er ausgeſtorben unter uns? Haben wir den Sinn für das Recht des Jndividuums, deſſen die deutſche Nation ſich rühmt, ſeit ſie exiſtirt, uns wirklich ſchon gänzlich abgearbeitet und abgerieben im hiſtoriſchen Proceß? Sind wir wirklich ſchon ſo weit romaniſirt, uns um unſerer An- ſichten willen als Verbrecher zu verfolgen? Jch werde Jhnen nicht verhehlen, meine Herren, daß unſere Anſichten gar weit aus einander liegen mögen. Jch wünſche gewiß Vieles, was Sie nicht wünſchen mögen, und wünſche Vieles nicht, was Sie wünſchen. Aber was hat das mit der Sphäre unſeres Rechtes zu thun? Mehr noch als das, was wir wünſchen, trennt uns das, was wir glauben. Sie glauben an keine Revolution, meine Herren. Mich — ja, mich haben meine Studien dahin gebracht, an eine Re- volution zu glauben. Jch habe mich ſchon in meiner Vertheidigungsrede erſter Jnſtanz darüber ausgeſprochen, welches die wiſſenſchaft- liche Bedeutung des Wortes Revolution iſt, in welcher ich dieſes Wort ſtets faſſe. Dieſe Bedeutung iſt keine andere, als die, daß ein neues

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/136>, abgerufen am 23.11.2024.