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Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863.

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die müden Seelen der Gedrückten mit der Ermuthigung und
dem Troste durchdringen, daß ihre Sache vorwärts rückt, wenn
auch langsam und unmerklich, so doch unablässig und unauf-
hörlich.

Und diesen Trost und diese Ermuthigung nennt der Staats-
anwalt: Haß und Verachtung!

Wenn mein Vortrag einen hierüber hinausgehenden prak-
tischen Zweck hatte, so war es der, die theoretische Grund-
lage
zu liefern für eine gesetzliche und friedliche Agitation zu
Gunsten des allgemeinen Wahlrechts.

Dieser Zweck liegt ganz und gar in dem Satze ausgespro-
chen, mit welchem ich p. 29 meines Vortrags meine gelegentliche
Erörterung der Steuermaterie schließe: "Bemerken Sie zugleich,
meine Herren, den eigenthümlichen Widerspruch und die eigen-
thümliche Gerechtigkeit des Verfahrens, die gesammten Staats-
haushaltsbedürfnisse den indirecten Steuern und somit dem
armen Volke aufzubürden, zum Maßstab aber und zur Be-
dingung des Wahlrechts und somit des politischen Herrschafts-
rechts die directen Steuern zu machen, welche zu dem Ge-
sammtbedürfniß des Staats von 108 Millionen nur den ver-
schwindend kleinen Beitrag von 12 Millionen liefern!"

Dieser Zweck liegt ganz und gar in den eigenen Worten
des Staatsanwalts ausgesprochen, welcher (p. 17 des stenogr.
Berichts) ausrief: "Der Angeklagte übersieht, daß die Lasten
des Staatslebens in der That sehr ungleichmäßig vertheilt
sind und diese Lasten entsprechende Rechte zur Folge
haben müssen.
"

An diese eigene Rechtsthese des Staatsanwalts klammere
ich mich an, an ihr halte ich fest, aus ihr ist auch mein Vortrag
hervorgegangen!

Wenn es wahr ist, daß die Lasten entsprechende Rechte
zur Folge haben müssen, und wenn es andererseits wahr ist,
wie die K. Staatsregierung selbst erklärt, daß sogar bei der di-
recten
Steuer die ärmeren Klassen unendlich mehr beitragen
als die wohlhabenden und daß dies bei der indirecten Steuer,
welche die ärmeren Klassen noch viel härter treffe, also noch in
einem unendlich höheren Grade der Fall sei -- wenn dies wahr
ist, warum üben dann dennoch die ärmeren Klassen nur 1/3 des
Stimmrechts, während sie 5, 6, 10 und 20 Mal so viel -- und
mehr -- als die Wohlhabenden steuern?

die müden Seelen der Gedrückten mit der Ermuthigung und
dem Troſte durchdringen, daß ihre Sache vorwärts rückt, wenn
auch langſam und unmerklich, ſo doch unabläſſig und unauf-
hörlich.

Und dieſen Troſt und dieſe Ermuthigung nennt der Staats-
anwalt: Haß und Verachtung!

Wenn mein Vortrag einen hierüber hinausgehenden prak-
tiſchen Zweck hatte, ſo war es der, die theoretiſche Grund-
lage
zu liefern für eine geſetzliche und friedliche Agitation zu
Gunſten des allgemeinen Wahlrechts.

Dieſer Zweck liegt ganz und gar in dem Satze ausgeſpro-
chen, mit welchem ich p. 29 meines Vortrags meine gelegentliche
Erörterung der Steuermaterie ſchließe: „Bemerken Sie zugleich,
meine Herren, den eigenthümlichen Widerſpruch und die eigen-
thümliche Gerechtigkeit des Verfahrens, die geſammten Staats-
haushaltsbedürfniſſe den indirecten Steuern und ſomit dem
armen Volke aufzubürden, zum Maßſtab aber und zur Be-
dingung des Wahlrechts und ſomit des politiſchen Herrſchafts-
rechts die directen Steuern zu machen, welche zu dem Ge-
ſammtbedürfniß des Staats von 108 Millionen nur den ver-
ſchwindend kleinen Beitrag von 12 Millionen liefern!“

Dieſer Zweck liegt ganz und gar in den eigenen Worten
des Staatsanwalts ausgeſprochen, welcher (p. 17 des ſtenogr.
Berichts) ausrief: „Der Angeklagte überſieht, daß die Laſten
des Staatslebens in der That ſehr ungleichmäßig vertheilt
ſind und dieſe Laſten entſprechende Rechte zur Folge
haben müſſen.

An dieſe eigene Rechtstheſe des Staatsanwalts klammere
ich mich an, an ihr halte ich feſt, aus ihr iſt auch mein Vortrag
hervorgegangen!

Wenn es wahr iſt, daß die Laſten entſprechénde Rechte
zur Folge haben müſſen, und wenn es andererſeits wahr iſt,
wie die K. Staatsregierung ſelbſt erklärt, daß ſogar bei der di-
recten
Steuer die ärmeren Klaſſen unendlich mehr beitragen
als die wohlhabenden und daß dies bei der indirecten Steuer,
welche die ärmeren Klaſſen noch viel härter treffe, alſo noch in
einem unendlich höheren Grade der Fall ſei — wenn dies wahr
iſt, warum üben dann dennoch die ärmeren Klaſſen nur ⅓ des
Stimmrechts, während ſie 5, 6, 10 und 20 Mal ſo viel — und
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[126/0132] die müden Seelen der Gedrückten mit der Ermuthigung und dem Troſte durchdringen, daß ihre Sache vorwärts rückt, wenn auch langſam und unmerklich, ſo doch unabläſſig und unauf- hörlich. Und dieſen Troſt und dieſe Ermuthigung nennt der Staats- anwalt: Haß und Verachtung! Wenn mein Vortrag einen hierüber hinausgehenden prak- tiſchen Zweck hatte, ſo war es der, die theoretiſche Grund- lage zu liefern für eine geſetzliche und friedliche Agitation zu Gunſten des allgemeinen Wahlrechts. Dieſer Zweck liegt ganz und gar in dem Satze ausgeſpro- chen, mit welchem ich p. 29 meines Vortrags meine gelegentliche Erörterung der Steuermaterie ſchließe: „Bemerken Sie zugleich, meine Herren, den eigenthümlichen Widerſpruch und die eigen- thümliche Gerechtigkeit des Verfahrens, die geſammten Staats- haushaltsbedürfniſſe den indirecten Steuern und ſomit dem armen Volke aufzubürden, zum Maßſtab aber und zur Be- dingung des Wahlrechts und ſomit des politiſchen Herrſchafts- rechts die directen Steuern zu machen, welche zu dem Ge- ſammtbedürfniß des Staats von 108 Millionen nur den ver- ſchwindend kleinen Beitrag von 12 Millionen liefern!“ Dieſer Zweck liegt ganz und gar in den eigenen Worten des Staatsanwalts ausgeſprochen, welcher (p. 17 des ſtenogr. Berichts) ausrief: „Der Angeklagte überſieht, daß die Laſten des Staatslebens in der That ſehr ungleichmäßig vertheilt ſind und dieſe Laſten entſprechende Rechte zur Folge haben müſſen.“ An dieſe eigene Rechtstheſe des Staatsanwalts klammere ich mich an, an ihr halte ich feſt, aus ihr iſt auch mein Vortrag hervorgegangen! Wenn es wahr iſt, daß die Laſten entſprechénde Rechte zur Folge haben müſſen, und wenn es andererſeits wahr iſt, wie die K. Staatsregierung ſelbſt erklärt, daß ſogar bei der di- recten Steuer die ärmeren Klaſſen unendlich mehr beitragen als die wohlhabenden und daß dies bei der indirecten Steuer, welche die ärmeren Klaſſen noch viel härter treffe, alſo noch in einem unendlich höheren Grade der Fall ſei — wenn dies wahr iſt, warum üben dann dennoch die ärmeren Klaſſen nur ⅓ des Stimmrechts, während ſie 5, 6, 10 und 20 Mal ſo viel — und mehr — als die Wohlhabenden ſteuern?

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Zitationshilfe: Lassalle, Ferdinand: Die indirekte Steuer und die Lage der arbeitenden Klassen. Zürich, 1863, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lassalle_steuer_1863/132>, abgerufen am 24.11.2024.