Plan der Hülfe für die Familie G. und die Jungfer Lehne.
Meine liebe Wohlthäterinn hat mir auf- getragen, meine Gedanken der Hülfe für die Familie G. aufzuschreiben. Jch möch- te mit diesen aus eigner Schuld elend ge- wordnen Leuten gerne umgehen, wie der Arzt mit einem Kranken, der seine Ge- sundheit muthwillig verdorben hat; er thut alles, was zur Hülfe nöthig ist, aber er verbindet seine Verordnungen zugleich mit Ausübung einer Diät, die er ihm durch Vorstellung der künftigen Gefahr und der vergangenen Leiden augenschein- lich nothwendig macht; durch eine lang- same, aber anhaltende Cur hilft er ihm zu neuen Kräften, so, daß er endlich wie- der ohne Arzt leben kann. Zu sehr stär- kende Mittel gleich Anfangs gebraucht, würden das Uebel in dem Cörper befesti- gen, und also für die Zukunft schädlich seyn. Der Familie G. würde es mit großen Geschenken auch so ergehen; wir wollen ihr also mit Vorsicht zu Hülfe
kommen,
Plan der Huͤlfe fuͤr die Familie G. und die Jungfer Lehne.
Meine liebe Wohlthaͤterinn hat mir auf- getragen, meine Gedanken der Huͤlfe fuͤr die Familie G. aufzuſchreiben. Jch moͤch- te mit dieſen aus eigner Schuld elend ge- wordnen Leuten gerne umgehen, wie der Arzt mit einem Kranken, der ſeine Ge- ſundheit muthwillig verdorben hat; er thut alles, was zur Huͤlfe noͤthig iſt, aber er verbindet ſeine Verordnungen zugleich mit Ausuͤbung einer Diaͤt, die er ihm durch Vorſtellung der kuͤnftigen Gefahr und der vergangenen Leiden augenſchein- lich nothwendig macht; durch eine lang- ſame, aber anhaltende Cur hilft er ihm zu neuen Kraͤften, ſo, daß er endlich wie- der ohne Arzt leben kann. Zu ſehr ſtaͤr- kende Mittel gleich Anfangs gebraucht, wuͤrden das Uebel in dem Coͤrper befeſti- gen, und alſo fuͤr die Zukunft ſchaͤdlich ſeyn. Der Familie G. wuͤrde es mit großen Geſchenken auch ſo ergehen; wir wollen ihr alſo mit Vorſicht zu Huͤlfe
kommen,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0097"n="91"/><fwplace="top"type="header"><lb/></fw><divn="2"><head><hirendition="#fr">Plan der Huͤlfe fuͤr die Familie G.<lb/>
und die Jungfer Lehne.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">M</hi>eine liebe Wohlthaͤterinn hat mir auf-<lb/>
getragen, meine Gedanken der Huͤlfe fuͤr<lb/>
die Familie G. aufzuſchreiben. Jch moͤch-<lb/>
te mit dieſen aus eigner Schuld elend ge-<lb/>
wordnen Leuten gerne umgehen, wie der<lb/>
Arzt mit einem Kranken, der ſeine Ge-<lb/>ſundheit muthwillig verdorben hat; er<lb/>
thut alles, was zur Huͤlfe noͤthig iſt, aber<lb/>
er verbindet ſeine Verordnungen zugleich<lb/>
mit Ausuͤbung einer Diaͤt, die er ihm<lb/>
durch Vorſtellung der kuͤnftigen Gefahr<lb/>
und der vergangenen Leiden augenſchein-<lb/>
lich nothwendig macht; durch eine lang-<lb/>ſame, aber anhaltende Cur hilft er ihm<lb/>
zu neuen Kraͤften, ſo, daß er endlich wie-<lb/>
der ohne Arzt leben kann. Zu ſehr ſtaͤr-<lb/>
kende Mittel gleich Anfangs gebraucht,<lb/>
wuͤrden das Uebel in dem Coͤrper befeſti-<lb/>
gen, und alſo fuͤr die Zukunft ſchaͤdlich<lb/>ſeyn. Der Familie G. wuͤrde es mit<lb/>
großen Geſchenken auch ſo ergehen; wir<lb/>
wollen ihr alſo mit Vorſicht zu Huͤlfe<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kommen,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[91/0097]
Plan der Huͤlfe fuͤr die Familie G.
und die Jungfer Lehne.
Meine liebe Wohlthaͤterinn hat mir auf-
getragen, meine Gedanken der Huͤlfe fuͤr
die Familie G. aufzuſchreiben. Jch moͤch-
te mit dieſen aus eigner Schuld elend ge-
wordnen Leuten gerne umgehen, wie der
Arzt mit einem Kranken, der ſeine Ge-
ſundheit muthwillig verdorben hat; er
thut alles, was zur Huͤlfe noͤthig iſt, aber
er verbindet ſeine Verordnungen zugleich
mit Ausuͤbung einer Diaͤt, die er ihm
durch Vorſtellung der kuͤnftigen Gefahr
und der vergangenen Leiden augenſchein-
lich nothwendig macht; durch eine lang-
ſame, aber anhaltende Cur hilft er ihm
zu neuen Kraͤften, ſo, daß er endlich wie-
der ohne Arzt leben kann. Zu ſehr ſtaͤr-
kende Mittel gleich Anfangs gebraucht,
wuͤrden das Uebel in dem Coͤrper befeſti-
gen, und alſo fuͤr die Zukunft ſchaͤdlich
ſeyn. Der Familie G. wuͤrde es mit
großen Geſchenken auch ſo ergehen; wir
wollen ihr alſo mit Vorſicht zu Huͤlfe
kommen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/97>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.