[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.Wohlthaten werden könnte. Aber hier- bey fällt mir ein Gleichniß ein, so ich mit der Eigenliebe machen möchte; -- daß sie von Polypen-Art sey; man kann ihr alle Zweige und Arme nehmen, ja so gar den Hauptstamm verwunden; sie wird doch Mittel finden, sich in neue Aus- wüchse zu verbreiten. Wie verwundet, wie gedemüthiget war meine Seele! und nun -- lesen sie nur die Blätter meiner Betrachtungen durch, und beobachten sie es, was für schöne Stützen meine schwankende Selbstzufriedenheit gefunden hat, und wie ich allmählig zu der Höhe eines großen Entwurfs empor gestiegen bin -- o, wenn die wohlthätige Näch- stenliebe, nicht so tiefe Wurzeln in mei- nem Herzen gefasset hätte, daß sie mit meiner Eigenliebe ganz verwachsen wäre, was würde aus mir geworden seyn? Zwey-
Wohlthaten werden koͤnnte. Aber hier- bey faͤllt mir ein Gleichniß ein, ſo ich mit der Eigenliebe machen moͤchte; — daß ſie von Polypen-Art ſey; man kann ihr alle Zweige und Arme nehmen, ja ſo gar den Hauptſtamm verwunden; ſie wird doch Mittel finden, ſich in neue Aus- wuͤchſe zu verbreiten. Wie verwundet, wie gedemuͤthiget war meine Seele! und nun — leſen ſie nur die Blaͤtter meiner Betrachtungen durch, und beobachten ſie es, was fuͤr ſchoͤne Stuͤtzen meine ſchwankende Selbſtzufriedenheit gefunden hat, und wie ich allmaͤhlig zu der Hoͤhe eines großen Entwurfs empor geſtiegen bin — o, wenn die wohlthaͤtige Naͤch- ſtenliebe, nicht ſo tiefe Wurzeln in mei- nem Herzen gefaſſet haͤtte, daß ſie mit meiner Eigenliebe ganz verwachſen waͤre, was wuͤrde aus mir geworden ſeyn? Zwey-
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daß ich die Urſache, ſo vieler kuͤnftigen
Wohlthaten werden koͤnnte. Aber hier-
bey faͤllt mir ein Gleichniß ein, ſo ich
mit der Eigenliebe machen moͤchte; —
daß ſie von Polypen-Art ſey; man kann
ihr alle Zweige und Arme nehmen, ja ſo
gar den Hauptſtamm verwunden; ſie wird
doch Mittel finden, ſich in neue Aus-
wuͤchſe zu verbreiten. Wie verwundet,
wie gedemuͤthiget war meine Seele! und
nun — leſen ſie nur die Blaͤtter meiner
Betrachtungen durch, und beobachten ſie
es, was fuͤr ſchoͤne Stuͤtzen meine
ſchwankende Selbſtzufriedenheit gefunden
hat, und wie ich allmaͤhlig zu der Hoͤhe
eines großen Entwurfs empor geſtiegen
bin — o, wenn die wohlthaͤtige Naͤch-
ſtenliebe, nicht ſo tiefe Wurzeln in mei-
nem Herzen gefaſſet haͤtte, daß ſie mit
meiner Eigenliebe ganz verwachſen waͤre,
was wuͤrde aus mir geworden ſeyn?
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