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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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"Lächeln Sie, Lady Sophie, lächeln
"Sie, wenn Sie mich nicht unsinnig
"machen wollen -- schrie ich ihr zu.

Ein Strom von Thränen floß aus ih-
ren Augen. Meine Wuth vergrößerte
sich, aber sie legte ihre Arme um meinen
Hals, und lehnte ihren schönen Kopf auf
meine Stirne.

"Theurer Lord, o, seyn Sie nicht böse,
"wenn Sie mich noch empfindlich für
"meine unglückliche Umstände sehen;
"ich hoffe, durch Jhre Güte alles zu
"vergessen.

Jhr Hauch, die Bewegung ihrer Lippen,
die ich, indem ich redte, auf meiner Wange
fühlte, einige Zähren, die auf mein Gesicht
fielen, löschten meinen Zorn, und gaben mir
die zärtlichste, die glücklichste Empfindung,
die ich in dreyen Wochen mit ihr genoß.
Jch umarmte, ich beruhigte sie, und sie
gab sich Mühe den übrigen Abend, und
beym Speisen zu lächeln. Manchmal
deckte sie mir mit allem Zauber der jung-
fräulichen Schamhaftigkeit die Augen zu,
wenn ihr meine Blicke zu glühend schienen.

Reizen-
C 3

„Laͤcheln Sie, Lady Sophie, laͤcheln
„Sie, wenn Sie mich nicht unſinnig
„machen wollen — ſchrie ich ihr zu.

Ein Strom von Thraͤnen floß aus ih-
ren Augen. Meine Wuth vergroͤßerte
ſich, aber ſie legte ihre Arme um meinen
Hals, und lehnte ihren ſchoͤnen Kopf auf
meine Stirne.

„Theurer Lord, o, ſeyn Sie nicht boͤſe,
„wenn Sie mich noch empfindlich fuͤr
„meine ungluͤckliche Umſtaͤnde ſehen;
„ich hoffe, durch Jhre Guͤte alles zu
„vergeſſen.

Jhr Hauch, die Bewegung ihrer Lippen,
die ich, indem ich redte, auf meiner Wange
fuͤhlte, einige Zaͤhren, die auf mein Geſicht
fielen, loͤſchten meinen Zorn, und gaben mir
die zaͤrtlichſte, die gluͤcklichſte Empfindung,
die ich in dreyen Wochen mit ihr genoß.
Jch umarmte, ich beruhigte ſie, und ſie
gab ſich Muͤhe den uͤbrigen Abend, und
beym Speiſen zu laͤcheln. Manchmal
deckte ſie mir mit allem Zauber der jung-
fraͤulichen Schamhaftigkeit die Augen zu,
wenn ihr meine Blicke zu gluͤhend ſchienen.

Reizen-
C 3
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[37/0043] „Laͤcheln Sie, Lady Sophie, laͤcheln „Sie, wenn Sie mich nicht unſinnig „machen wollen — ſchrie ich ihr zu. Ein Strom von Thraͤnen floß aus ih- ren Augen. Meine Wuth vergroͤßerte ſich, aber ſie legte ihre Arme um meinen Hals, und lehnte ihren ſchoͤnen Kopf auf meine Stirne. „Theurer Lord, o, ſeyn Sie nicht boͤſe, „wenn Sie mich noch empfindlich fuͤr „meine ungluͤckliche Umſtaͤnde ſehen; „ich hoffe, durch Jhre Guͤte alles zu „vergeſſen. Jhr Hauch, die Bewegung ihrer Lippen, die ich, indem ich redte, auf meiner Wange fuͤhlte, einige Zaͤhren, die auf mein Geſicht fielen, loͤſchten meinen Zorn, und gaben mir die zaͤrtlichſte, die gluͤcklichſte Empfindung, die ich in dreyen Wochen mit ihr genoß. Jch umarmte, ich beruhigte ſie, und ſie gab ſich Muͤhe den uͤbrigen Abend, und beym Speiſen zu laͤcheln. Manchmal deckte ſie mir mit allem Zauber der jung- fraͤulichen Schamhaftigkeit die Augen zu, wenn ihr meine Blicke zu gluͤhend ſchienen. Reizen- C 3

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/43>, abgerufen am 29.03.2024.