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[La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771.

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lich gemacht, wenn sie nur einmal die
Miene des Schmachtens der Liebe gehabt
hätte; aber alle ihre Züge waren allein
mit Angst und Zwang bezeichnet. Jch
gieng mich umzukleiden, kam bald wie-
der, und sah durch eine Thüre sie auf der
Bank sitzen, ihre beyden Arme um den
Vorhang des Fensters geschlungen, alle
Muskeln angestrengt, ihre Augen in die
Höhe gehoben, ihre schöne Brust von
starkem tiefen Athemholen, langsam be-
wegt; kurz, das Bild der stummen Ver-
zweiflung! Sage, was für Eindrücke
mußte das auf mich machen? Was sollt'
ich davon denken? Meine Ankunft konnte
ihr neue, unbekannte Erwartungen ge-
ben; etwas bange mochte ihr werden;
aber wenn sie Liebe für mich gehaht hät-
te, war wohl dieser starke Kampf natür-
lich? Schmerz und Zorn bemächtigten
sich meiner; ich trat hinein; sie fuhr zu-
sammen, und ließ ihre Arme, und ihren
Kopf sinken; ich warf mich zu ihren Füs-
sen, und faßte ihre Knie mit starren be-
benden Händen.

"Lächeln


lich gemacht, wenn ſie nur einmal die
Miene des Schmachtens der Liebe gehabt
haͤtte; aber alle ihre Zuͤge waren allein
mit Angſt und Zwang bezeichnet. Jch
gieng mich umzukleiden, kam bald wie-
der, und ſah durch eine Thuͤre ſie auf der
Bank ſitzen, ihre beyden Arme um den
Vorhang des Fenſters geſchlungen, alle
Muskeln angeſtrengt, ihre Augen in die
Hoͤhe gehoben, ihre ſchoͤne Bruſt von
ſtarkem tiefen Athemholen, langſam be-
wegt; kurz, das Bild der ſtummen Ver-
zweiflung! Sage, was fuͤr Eindruͤcke
mußte das auf mich machen? Was ſollt’
ich davon denken? Meine Ankunft konnte
ihr neue, unbekannte Erwartungen ge-
ben; etwas bange mochte ihr werden;
aber wenn ſie Liebe fuͤr mich gehaht haͤt-
te, war wohl dieſer ſtarke Kampf natuͤr-
lich? Schmerz und Zorn bemaͤchtigten
ſich meiner; ich trat hinein; ſie fuhr zu-
ſammen, und ließ ihre Arme, und ihren
Kopf ſinken; ich warf mich zu ihren Fuͤſ-
ſen, und faßte ihre Knie mit ſtarren be-
benden Haͤnden.

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[36/0042] lich gemacht, wenn ſie nur einmal die Miene des Schmachtens der Liebe gehabt haͤtte; aber alle ihre Zuͤge waren allein mit Angſt und Zwang bezeichnet. Jch gieng mich umzukleiden, kam bald wie- der, und ſah durch eine Thuͤre ſie auf der Bank ſitzen, ihre beyden Arme um den Vorhang des Fenſters geſchlungen, alle Muskeln angeſtrengt, ihre Augen in die Hoͤhe gehoben, ihre ſchoͤne Bruſt von ſtarkem tiefen Athemholen, langſam be- wegt; kurz, das Bild der ſtummen Ver- zweiflung! Sage, was fuͤr Eindruͤcke mußte das auf mich machen? Was ſollt’ ich davon denken? Meine Ankunft konnte ihr neue, unbekannte Erwartungen ge- ben; etwas bange mochte ihr werden; aber wenn ſie Liebe fuͤr mich gehaht haͤt- te, war wohl dieſer ſtarke Kampf natuͤr- lich? Schmerz und Zorn bemaͤchtigten ſich meiner; ich trat hinein; ſie fuhr zu- ſammen, und ließ ihre Arme, und ihren Kopf ſinken; ich warf mich zu ihren Fuͤſ- ſen, und faßte ihre Knie mit ſtarren be- benden Haͤnden. „Laͤcheln

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Zitationshilfe: [La Roche, Sophie von]: Geschichte des Fräuleins von Sternheim. Bd. 2. Hrsg. v. Christoph Martin Wieland. Leipzig, 1771, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laroche_geschichte02_1771/42>, abgerufen am 21.11.2024.